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Marie Luise von Halem spricht zur Volksinitiative "Schule in Freiheit"

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede,
Dass die Volksinitiative 'Schule in Freiheit' im letzten Jahr in erster Linie als Initiative gegen die Kürzungen bei den Schulen in freier Trägerschaft wahrgenommen wurde, war nicht im Sinne der Erfinder. Wer den Forderungstext jemals genau gelesen hat und die Liste der InitiatorInnen kennt, dem ist das auch klar.

Nichtsdestotrotz – wir wissen ja alle, wie einseitig solche Debatten dann oft in der Öffentlichkeit erscheinen – wurde die Volksinitiative so debattiert. Dieses Thema ist allerdings mit der Verabschiedung des Haushalts-Begleitgesetzes und des Haushaltes 2012 vorerst vom Tisch. Über die juristischen Implikationen werden wir noch reden. Das ändert alles nichts an der Tatsache, dass wir diese Entscheidung weiterhin vor allem für politisch falsch halten.

Die Volksinitiative wollte zweitens mehr organisatorische Autonomie für die staatlichen Schulen, in den Bereichen Personal, Kommunikation, Fortbildung und Ausstattung. Dass diese Forderungen von Rot-Rot mit dem Hinweis abgebügelt werden, nach dem Modellprojekt Moses gebe es jetzt schon schulrechtlich ausreichend verankerte Autonomie, greift – in Verkennung der Realitäten - viel zu kurz. Aus zwei Gründen:

A gibt es tatsächlich nicht ausreichende Freiheiten. Dass SchulleiterInnen an Personaleinstellungen beteiligt werden, funktioniert in den Schulamtsbezirken dieses Landes sehr unterschiedlich. Und selbst wenn es gut läuft, betrifft es natürlich immer nur die Neueinstellungen, nicht den Bestand. Zudem determiniert die Größe der Schule den Selbstständigkeitsgrad: Je größer die Schule, desto häufiger werden die Freiheiten in Anspruch genommen. Kleinere Schulen könnten z.B. durch gemeinsame Verwaltungsmanager besser unterstützt werden. Noch ein Beispiel: Dass Schulen nichteinmal ein eigenes Konto haben dürfen, mutet an wie eine Geschichte von einem fremden Stern.

Gleichzeitig, B, auch das ist richtig, füllen viele Schulen den theoretisch möglichen Spielraum nicht aus. Sich aus diesem Grund einer Erweiterung zu verweigern, halten wir für grundfalsch: Wenn ein jahrelang eingesperrtes wildes Tier nicht weiß, was es mit einer offenen Käfigtür anfangen soll, dann ist es abstrus, zu schlussfolgern, man könne wilde Tiere ruhig einsperren. Nein, mit den Freiheiten umzugehen, muss nach Entzug erst neu gelernt werden. Hier kann Bildungspolitik sehr wohl eine aktivere Rolle spielen, z.B. mit mehr Fortbildungen, denn Engagement, persönliche Zufriedenheit und damit auch Schulerfolge von Kindern und von Lehrkräften wachsen proportional dazu, dass echte Verantwortung in ihre Hände gelegt wird.

Die Volksinitiative wollte drittens und vor allem, dass Bildung in diesem Bundesland wieder einen anderen Stellenwert bekommt: Den Stellenwert, für den zu sorgen Rot-Rot bei Regierungsantritt eigentlich versprochen hatte.

Was die Volksinitiative in den letzten Monaten auf die Beine gestellt hat – im wahrsten Sinne des Wortes – ist großartig und verdient unser aller Applaus. Uns Bündnisgrünen ist dabei immer wichtig, dass es um bessere Bildung für alle Kinder geht, auch für diejenigen, deren Eltern nicht für die Schulen ihrer Kinder auf die Straße gehen! Deshalb haben wir die Volksinitiative immer unterstützt, deshalb tun wir das auch heute!

Der alttestamentarische Moses, der Pate unseres Schulprojektes für mehr Selbständigkeit von Schulen, starb ja bekanntlich 120-jährig im Angesicht des gelobten Landes, das der Herr ihm zeigte mit den Worten: „Ich will es deinen Nachkommen geben. - Du hast es mit deinen Augen gesehen, aber du sollst nicht hinübergehen." Das ist mehr als 3.000 Jahre her, der Status der Israeliten im gelobten Land ist heute noch strittig. Wenn das der Zeitrahmen war, der der Landesregierung bei ihrem Projekt 'Moses' vorschwebte, wollen wir das gerne ändern!