(Nr. 2417 – Benjamin Raschke) Anlagen der industriellen Tierhaltung werden in Deutschland in aller Regel in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren und bis zu einer gewissen Größe in einem einfachen baurechtlichen Genehmigungsverfahren genehmigt. In diesen Genehmigungsverfahren wird zum einen geprüft, ob die Anlage nach geltendem Gesetz genehmigt werden kann. Außerdem wird geprüft, ob Rechte von Dritten, z. B. von Anwohnern oder Gemeinden, verletzt werden. Schließlich spielen auch Na-turschutzbelange, die von Umweltverbänden geltend gemacht werden können, sowie Tierschutzbelange eine Rolle. Grundsätzlich, besteht bei der Genehmigung derartiger Anlagen in aller Regel weder ein Ermessensspielraum der Behörde noch die Möglichkeit direkter politischer Einflussnahme. Zwar hängt die Ansiedlung einer solchen Anlage auch davon ab, ob sich beispielsweise die Gemeinde oder die Landesverwaltung dafür oder dagegen aussprechen. Allerdings hat der jeweilige Investor bzw. der potentielle Betreiber grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn die geplante Anlage die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt. Bürgerinitiativen, Umweltverbände u.a. berichten immer wieder, dass entgegen von Stellungnahmen der Fachbehörden oder Gemeinden Anträge zur Errichtung oder Erweiterung von Tierhaltungsanlagen durch die zuständigen Ministerien in Brandenburg genehmigt werden.* Zudem stellte die Naturschutzorganisation BUND fest, dass eine umfassende Überprüfung der Vorhaben zunehmend nur erfolgt, wenn dies von außen – von Bürgerinitiativen oder Verbänden – in das Genehmigungsverfahren eingebracht wird oder die Genehmigungsbehörden mit einer nachfolgenden gerichtlichen Kontrolle rechnen müssen.
Ich frage die Landesregierung:
1. In welchen Verwaltungsverfahren, die den Neubau oder die Erweiterung von Betrieben der Intensivtierhaltung betreffen (Zulassungsverfahren, Fristverlängerungsverfahren, Verfahren der Betriebsüberwachung), haben das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung oder das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft seit Beginn der Legislaturperiode einzelfallbezogene Auslegungshinweise, fachaufsichtliche „Hinweise“, „Stellungnahmen“ oder Weisungen erteilt (bitte auflisten und Art der Tätigkeit konkret angeben)?
2. Bei wie vielen dieser Fälle änderte die nachgeordnete Behörde daraufhin ihre Auffassung?
3. In wie vielen dieser Fälle führte die Aktivität der Ministerien zu einem für den Vorhabenträger/Betreiber der Anlage günstigeren Ergebnis, beispielsweise der Genehmigung einer Anlage?
4. Ist es richtig, dass es seitens der oben genannten Ministerien seit Beginn der Legislaturperiode zu informellen Gesprächen mit Vorhabenträgern/Anlagenbetreibern der Intensivtierhaltung bzw. deren verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten kam?
5. In wie vielen Fällen wurden bei diesen Gesprächen konkrete Vorhaben/anhängige Verfahren thematisiert? Gibt es Protokolle zu diesen Gesprächen? Wenn ja, zu wie vielen der Gespräche und wo sind diese Protokolle einsehbar? Wenn nein, warum gibt es keine Gesprächsprotokolle zu den stattgefundenen Gesprächen?
6. Führten solche Gespräche in Einzelfällen zu fachaufsichtlichen oder anderen Maßnahmen/Aktivitäten des Ministeriums? Wenn ja, in welchen Fällen war dies der Fall und welche Maßnahmen wurden ergriffen?
7. Wie erklärt das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung, dass es in den Fällen
a) Genehmigungsverfahren Reg.-Nr. 037.00.00/12 des LUGV, Regionalabteilung West, zum Antrag der Firma Gumtow Geflügel GmbH, Dannenwalder Straße 14, 16866 Gumtow OT Heinzhof vom 05.04.2012 auf Errichtung und den Betrieb einer Hähnchenmastanlage in Gumtow OT Heinzhof
b) Genehmigungsverfahren Reg. Nr. 059.00.00/12 und 060.00.00/12 des Landesamts für Umwelt, Abteilung Technischer Umweltschutz 1, zum Antrag der Firmen Wilkon GmbH und Jankon GmbH auf Errichtung und Betrieb von Hähnchenmastanlagen in 16928 Pritzwalk OT Könkendorf
im Hinblick auf die Einordnung der Vorhaben als „landwirtschaftlicher Betrieb“ im Sinne des § 201 BauGB trotz vergleichbarer Sachverhalte zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen gekommen ist?
8. Warum wurde im Fall a) der Frage 7 die Stellungnahme des Landkreises als verfahrensbeteiligter Bauplanungsbehörde respektiert, während sie im Fall b) „ersetzt“ wurde?
9. Gab es im Vorfeld zur Stellungnahme des Ministeriums im Fall b) der Frage 7 Kontakte zum Vorhabenträger oder seinen Verfahrensbevollmächtigten? Wenn ja, wann und wie oft fanden Treffen zwischen Mitarbeitern des Ministeriums und dem Vorhabenträgern bzw. seinen Verfahrensbevollmächtigten statt?
Schweinezuchtanlage Wadelsdorf
10. Für die Schweinezuchtanlage Wadelsdorf hatte die Betreiberin eine Verlängerung der Wiederinbetriebnahmefrist nach § 18 Abs. 3 BImSchG beantragt. Ist es richtig, dass es sich um eine reine Ermessensentscheidung der Behörden handelt und die Betreiberin keinen Anspruch auf eine Fristverlängerung hat?
11. Wie erklärt die Landesregierung, dass im Fall der Schweinezuchtanlage Wadelsdorf eine für die Anlagenbetreiberin positive Ermessensentscheidung
zugunsten der Fristverlängerung ergehen konnte trotz Rechtsverstößen der Betreiberin im Vorfeld (z.B. Bauen ohne Baugenehmigung, Verstoß gegen Arbeitsschutzvorschriften, fehlende Absicherung gelagerter Abfälle), der rechtswidrigen Wiederinbetriebnahme der Anlage nach Fristablauf sowie dem Versuch des Vortäuschens einer rechtzeitigen Wiederinbetriebnahme im Wege eines „Scheinbetriebs“?
12. Ist es richtig, dass das Landesamt für Umwelt als zuständige Fachbehörde im o.g. Fall eine Entscheidung zwischen Ablehnung und Zustimmung zu der genannten Fristverlängerung erst nach einer Konsultation mit der Landesregierung fällte?
13. Ist es richtig, dass einzelne Fachabteilungen des Landesamts für Umwelt im Vorfeld dieser Konsultation eine Ablehnung des Fristverlängerungsantrags befürworteten?
14. Erfolgte im Rahmen des o.g. Fristverlängerungsverfahrens eine formelle oder informelle Weisung, Steuerung, Beratung oder anderweitige Einflussnahme der Landesregierung auf das beim Landesamt für Umwelt als zuständiger Immissionsschutzbehörde geführte Fristverlängerungsverfahren? Wenn ja, bitte die Gespräche bzw. Schriftstücke der Einflussnahme auflisten?
15. Gab es im Zusammenhang mit dem benannten Fristverlängerungsverfahren unmittelbare Kontakte der genannten Ministerien oder anderer Regierungsstellen mit der Anlagenbetreiberin, ihren Gesellschaftern oder ihren Verfahrensbevollmächtigten? Wenn ja, wann fanden solche Kontakte statt, um was für Kontakte handelte es sich konkret und was war ihr jeweiliger Inhalt? Gibt es zu diesen Kontakten Protokolle? Wenn ja, wo sind diese Protokolle für Abgeordnete des Landtags einsehbar? Wenn nein, besteht eine Pflicht zu Protokollierung solches Treffen und wenn ja, warum ist dieser Pflicht in den benannten Fällen nicht nachgekommen worden?
* Bürgerinitiative Jänickendorf http://www.maz-online.de/Lokales/Teltow-Flaeming/Buergerinitiative-kritisiert-Stallgenehmigung, Industriemast Könkendorf „Prignitzer kämpfen gegen Hähnchenmastanlage“ http://www.maz-online.de/Lokales/Prignitz/Prignitzer-kaempfen-gegen-Haehnchenmastanlage, Bürgerinitiative Wadelsdorf „Gericht: Naturschutz scheitert gegen Schweinemast“ http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1406716