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Axel Vogel spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Einschränkung wirtschaftlicher Betätigung – Kommunen sichern – Risiken vermeiden“

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

„ein starkes und demokratisches Brandenburg braucht starke und leistungsfähige Städte, Gemeinden und Landkreise. Starke, leistungsfähige und selbstbewusste Städte, Gemeinden und Landkreise sind die Grundlage unseres Gemeinwesens. Vor Ort können die Bürgerinnen und Bürger am besten selbst bestimmen, wie sie zusammen leben wollen und welche Leistungen sie im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge in welcher Form anbieten wollen. Integraler Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung ist die Freiheit der Kommunen, sich wirtschaftlich zu betätigen.“

Dies ist der Inhalt des Beschlusses des Landtags von der 8. Sitzung am 20. Januar 2010 „Starke und leistungsfähige Brandenburger Städte, Gemeinden und Landkreise-Kommunale Selbstverwaltung stärken" mit Stimmen der SPD, der Linken und unserer Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Das ist die Grundlage auf der der Referentenentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge" den Fraktionen am 09.11.2010 zugegangen ist. Daraufhin hat die CDU-Fraktion am 10.11. 2010 eine Kleine Anfrage „Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen in Brandenburg" gestellt und ohne die Antwort abzuwarten diesen Antrag eingebracht.

Liebe CDU-Fraktion, glauben Sie wirklich, dass die Mehrheit des Landtags Ihre Meinung innerhalb von 11 Monaten grundsätzlich geändert hat?

Das wäre nämlich die Voraussetzung, damit Ihr Antrag „Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigung" eine Chance hätte.

Sinnbildlich zu der Überschrift Ihres Antrags möchte ich den letzten Satz der Beschlussempfehlung zitieren: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die Rahmenbedingungen für die öffentliche Daseinsvorsorge mit dem Ziel zu verbessern, die kommunalen Handlungsspielräume zu stärken."

Die Änderung des Kommunalrechts ist infolge demografischer und wettbewerblicher Veränderungen zwingend geboten. Die Wettbewerbsfähigkeit von kommunalen Unternehmen, wie z.B. Stadtwerken hängt zentral davon ab, ob Sie über Gemeindegrenzen hinweg zusammenarbeiten und sich austauschen können.

Der Entwurf der Novellierung der brandenburgischen Kommunalverfassung greift grob die Zielrichtung des Beschlusses auf. Das ist ein Spannungsfeld.

Auf der einen Seite die kommunalen Unternehmen, die

  1. Daseinsvorsorge für alle sicherstellen,
  2. Leistungen mit Renditeerwartungen anbieten, bei dem keine privaten WettbewerberInnen in den Markt eintreten
  3. vor Ort und in der jeweiligen Region als Auftraggeber investieren,
  4. Verlässlicher Partner für Handwerksbetriebe und Dienstleistungsunternehmen der Region sind,
  5. für die privaten Monopolisten potentielle WettbewerberInnen darstellen, so lange kommunale Markteintrittsoption bestehen.

Auf der anderen Seite stehen die Befürchtungen der privaten Wirtschaft. Die zu Recht Sorge haben, dass die Novellierung der Brandenburger Kommunalverfassung in dieser sehr sensiblen Abwägung die privaten Unternehmen übervorteilen könnte. Es ist ein schmaler Grat zwischen unzulässiger Ausweitung kommunalwirtschaftlicher Tätigkeiten und der erforderlichen Daseinsvorsorge durch die kommunalen Unternehmen. Die Novellierung des Gemeindewirtschaftsrecht muss auch in der Neufassung einen Kompromiss schließen, der aber die veränderte demografische und wettbewerbliche Situation mit abdeckt.

Ihr Antrag ist der vollständig Widerpart zu einem Kompromiss. Ein Abwägungsprozess zwischen den höchst sensiblen Konflikten wird mit Füßen getreten. Sie wollen die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen zum Schutz der privaten Wirtschaft des Landes einschränken. Sie legen den theoretischen Ansatz der Schrankentrias im Gemeindewirtschaftsrecht rigide aus. Ohne zu berücksichtigen, dass die Prinzipien unbestimmt sind und Entwicklungen nachvollziehen müssen.

Die Einhaltung des öffentlichen Zwecks muss gegeben sein. Konsens! Jedoch unterliegt die Frage „was ist ein öffentlicher Zweck?" der stetigen Entwicklung.

Zwei Beispiele:

  • In Bayern und Hessen - Bayern ist schon länger unter einer Konservativen Regierung - beginnen die Gemeinden aktuell „Tante Emma Läden" zu gründen. Die Bevölkerung vor Ort bewertet die Effekte des Wettbewerbs der privaten Anbieter, große zentrale Einkaufsmöglichkeiten anzubieten, als suboptimal und verlangt für die eigenen Bedürfnisse ein kommunales Angebot. Dies fällt nicht unter „herkömmliche Aufgaben" der Kommunalwirtschaft und würde ihrer Begründung folgend nicht verwirklicht werden können, obwohl ein solches Angebot zum Nutzen der Bevölkerung ist.
  • Baden-Würtemberg kaufte vor kurzem EnBW vom französischen Monopolisten für viele Milliarden Euro. Eine CDU-Regierung nimmt eine Privatisierung zurück. Das viertgrößte deutsche Energieunternehmen ist wieder vollständig in öffentlicher Hand. Ich bin mir relativ sicher, dass EnBW Kapazitäten in einem öffentlichen Unternehmen bindet, „die am Bedarf vorbeigehen"(Begründung in Ihrem Antrag).

Ein Gesetzesentwurf muss kommunales Handeln zum Nutzen der Bevölkerung ermöglichen, dass beinhaltet flexible Reaktionen auf Entwicklungen.

  • Die Einhaltung der Subsidiaritätsklausel unterscheidet sich stark im Kommunalrecht der einzelnen Länder. Aus Ihrem Antrag geht hervor, dass die strenge Subsidiaritätsklausel in Brandenburg gelten sollte. In diesem Sinne erläutern Sie, dass kommunale Unternehmen tätig werden dürfen, wenn die gleiche Aufgabe nicht durch andere besser und wirtschaftlicher erfüllt werden können. In vielen Bundesländern ist aber die einfache Subsidiaritätsklausel geltendes Recht. Hier gilt: Bei gleichwertigen Angeboten, kann ein kommunales Unternehmen den Markteintritt vollziehen. In zwei Bereichen ist die Subsidiaritätsklausel aus meiner Sicht sowieso hinfällig.
  1. In Bereichen, wie Ver- und Entsorgung, in denen die Kommunen traditionell Anbieterinnen sind, sind diese Regelungen nicht anzuwenden.
  2. In Wettbewerbsmärkten, wie in Energie- und Wärmemärkten, bilden die kommunalen Unternehmen die mittelständische Wirtschaft und ermöglichen erst den Wettbewerb.

Der Landtag hat der Landesregierung durch den Beschluss im Januar die Richtung für eine einfache Subsidiaritätsklausel gewiesen.

  • Die Sicherstellung des Leistungsfähigkeitsbezugs ist sehr stark vom jeweiligen Einzelfall abhängig. Die Leistungsfähigkeit eines kommunalen Unternehmens wäre verletzt, wenn zum Beispiel das Stadtwerk Luckenwalde die GASAG übernehmen würde. Einen Zusammenschluss von kommunalen Unternehmens im Land zur Übernahme eines ähnlich großen Wettbewerbers, illustriert wird dies gegenwärtig in Nordrhein Westfalen mit dem Übernahmeinteresse an STEAG durch den Zusammenschluss von kommunalen Stadtwerken. Zu diesem Punkt sollten wir uns aber grundsätzlich überlegen, wer die Leistungsfähigkeit am besten abschätzen kann, die Landesvertretung oder die kommunale Vertretung vor Ort? Ich bin davon überzeugt, dass die Gemeindevertretung das bessere Korrektiv ist.

Liebe CDU-Fraktion, Ihr Vorschlag ist, die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigung von der Kommunalaufsicht überwachen zu lassen. Die Wirtschaftskompetenz in der Kommunalaufsicht in Brandenburg ist eher spärlich gesät. Bestes Beispiel ist die desaströse Wirtschaftlichkeit einzelner Abwasserzweckverbände, bei denen die Kommunalaufsicht trotz vollständiger Kontrolle die Abwärtsspiralen nicht verhindern konnten.

Ich denke, wir müssen gerade in dem heterogenen Flächenland Brandenburg anerkennen, dass unsere Kommunen die Zentren der wirtschaftlichen Entwicklung sind. Deshalb sollten wir deren Eigenverantwortung stärken und ihnen auch zutrauen, ihren Standort am effizientesten zu entwickeln und zu verwalten. Insbesondere Kommunen sind an einer funktionierenden Privatwirtschaft an ihrem Standort interessiert und wissen am besten über die Entwicklungen vor Ort Bescheid. Deshalb können sie auch am besten beurteilen und entscheiden, ob sie Aufgaben der allgemeinen Daseinsvorsorge selbst betreiben oder fremd vergeben.

Erfahrungen lehren uns, dass die Privatisierung von Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht immer die erforderlichen qualitativen Ansprüche erfüllt und dass die Zuverlässigkeit beeinträchtigt wird. Die Aufgabenerfüllung durch kommunale Unternehmen ist im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Unternehmen gerade in Krisenzeiten verlässlicher. Deren fehlende Abhängigkeit von Mindestgewinnen und die nicht vorhandene Marktaustrittsoption führen zu einer verlässlichen Absicherung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge. Gerade in schrumpfenden Regionen werden Einrichtungen der Daseins-vorsorge aufgrund niedriger Gewinnmöglichkeiten nur beschränkt privatisierbar sein. Es besteht die Gefahr, dass sich die Privatunternehmen mit Rosinenpickerei - ich erinnere an die

Diskussion über die Altpapierverwertung - die gerade noch lukrativen Geschäftsfelder heraussuchen und die Gemeinden auf den Verlustbringern sitzen bleiben. Das kann niemand wollen.

Die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen stehen immer noch hinter dem Beschluss des Landtags aus dem Januar. Wir erwarten die Debatte des Gesetzesentwurf im Landtag. Den Antrag der CDU-Fraktion lehnen wir ab.

Vielen Dank!