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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der CDU-Fraktion und der Abgeordneten Iris Schülzke, Christoph Schulze und Péter Vida „Staatliches Gewaltmonopol wahren – Polizei stärken – Grenzkriminalität bekämpfen“

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Der vorliegende Antrag trägt das Paradoxon doch schon in der Überschrift: Strukturreform ehrlich evaluieren - Stellenzielzahl nach oben korrigieren. - Ja, was denn nun? Sie fordern eine ergebnisoffene Evaluation, sind sich aber des Ergebnisses schon absolut sicher.

(Beifall B90/GRÜNE und SPD)

Auch die eingeforderte fachbasierte Aufgaben- und Sicherheitsanalyse liegt Ihnen offensichtlich schon vor. Auch wenn ich gemeinsam mit den Antragstellern der Meinung bin, dass die Erhebung der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik über einen gewissen Zeitraum in Teilen von Brandenburg Mängel aufweist und diese Probleme der Datengrundlage bei der Evaluation berücksichtigt werden müssen, so fände ich es trotzdem peinlich, wenn der Landtag die Landesregierung qua Antrag zur Ehrlichkeit aufforderte.

Dass das Ergebnis der viel geforderten und hoch aufgehängten Evaluierung der Polizeistrukturreform auch den Innenminister nicht sonderlich schert, zeigt seine Ankündigung aus der letzten Woche im Ausschuss, wegen des hohen Krankenstandes 300 zusätzliche Stellen vorzuhalten.

Richtig ist, dass es angesichts der Entwicklung der Krankenstände von durchschnittlich ca. 800 Bediensteten pro Tag - davon etwa 340 dauerkranken - so nicht weitergehen kann. Es kann aber auch nicht sein, sich schicksalshaft damit abzufinden. Zudem ist die Signalwirkung, die Personalbemessung Krankenständen anzupassen, doch höchst fatal und zu berücksichtigen.

Ich höre schon die Forderung von unserem größten Personalkörper im Land, der Lehrerschaft, analog zu verfahren, da ein nicht mehr zu tolerierender Unterrichtsausfall anders nicht zu kompensieren sei. Auch wenn es sich erst einmal erfreulich anhört, über 300 zusätzliche Beamtinnen und Beamte zu verfügen, so müssen wir uns doch klar sein, dass hiermit nur an den Symptomen herumgedoktert wird; die Ursachen werden nicht kuriert.

Ich gebe zu bedenken: Erstens, die Brandenburger Polizei braucht weiterhin dringend ein effektives Gesundheitsmanagement. Neben den besonderen Belastungsfaktoren wie Wechseldienst und hohe physische und psychische Beanspruchung ist ein hoher Krankenstand zudem ein Indikator für ein schlechtes Betriebsklima. In diesem Zusammenhang frage ich mich, wie sich die Landesregierung bei 800 kranken Polizeibediensteten täglich lediglich drei anerkannte Mobbingfälle erklärt. Hier muss offen mit dem Thema Mobbing und Demotivation umgegangen und für eine Verbesserung des Arbeitsklimas gesorgt werden. Sonst ist der Krankenstand bei den neuen Kräften nämlich bald ähnlich hoch wie bei den bisherigen.

Zweitens: Es gilt, den Aufgabenkatalog der Polizei kritisch zu durchforsten. Auch der Innenminister beschwert sich, dass die Polizei immer noch Aufgaben wie Begleitung von Schwertransporten zu erledigen hat. In manchen Nächten müssen mehr als 70 Streifenwagen eingesetzt werden, um den Transport von Windrädern, Schiffsschrauben und Turbinen zu sichern - diese Beamten fehlen dann an anderer Stelle.

Drittens: Im Vergleich zu anderen Ländern ist der Anteil der Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit in Brandenburg überdurchschnittlich hoch. Außerdem dauern die Verfahren deutlich zu lange. Sind sie wegen dauernder Dienstunfähigkeit unvermeidlich, müssen sie effizient und effektiv durchgeführt werden.

Auch Ziffer 3 des Antrags, den gegenwärtigen Einstellungskorridor für Polizeianwärterinnen und -anwärter deutlich zu erhöhen, nimmt das Ergebnis einer ehrlichen Evaluation vorweg. Laut Koalitionsvertrag ist vorgesehen, an der Fachhochschule der Polizei 275 neue Kräfte auszubilden und bei gutem Erfolg in den Landesdienst zu übernehmen. Wenn in den kommenden 36 Monaten 692 Beamte in den Ruhestand treten, ergibt das jährlich 230 Bedienstete. Bei 275 neu Ausgebildeten ist auch da noch deutlich Luft.

Nach all dem können wir diesem widersprüchlichen Antrag nicht zustimmen. Warten wir doch einmal die „ehrliche“ Evaluation ab. - Danke schön.

(Beifall B90/GRÜNE, SPD und DIE LINKE)