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Stipendienprogramm für Landlehrerinnen und Landlehrer

Antrag „Stipendienprogramm für Landlehrerinnen und Landlehrer“ herunterladen (PDF, 111 KB)

Der Landtag stellt fest:

Im vergangenen Jahr wurden in Brandenburg mehr Lehrerinnen und Lehrer neu eingestellt oder entfristet als jemals zuvor seit der Wiedervereinigung. 1.474 neue Lehrkräfte in 2019 sind ein starkes Zeichen für die Attraktivität des Lehrerberufes in Brandenburg und das er-folgreiche Engagement der Landesregierung zur Fachkräftesicherung. Gleichwohl bleibt die Lehrkräfteabsicherung auch in den kommenden Jahren eine große Herausforderung für das Land Brandenburg. Die Lehrermodellrechnung (LMR) 2018 prognostiziert im Vergleich zur LMR 2016 noch einmal gestiegene Einstellungsbedarfe, wobei es seit Jahren vor allem Probleme bei der Besetzung freier Lehrer-Stellen im ländlichen bzw. berlinfernen Raum gibt. Dabei ist die ungleiche regionale Verteilung mit Fachlehrerinnen und Fachlehrern nicht nur ein Ärgernis, sondern ein ernstes Problem, auch und vor allem unter dem Gesichtspunkt der Bildungsgerechtigkeit. Mit dem Ziel, die Lehrkräfteabsicherung künftig sicherzustellen und damit gleichwertige Bildungschancen im ganzen Land zu gewährleisten, müssen neben bewährten Wegen zugleich neue Wege beschritten werden, um angehende Lehrkräfte bereits vor oder während ihres Studiums für einen zukünftigen Einsatz in ländlichen Regionen zu begeistern.

Der Landtag möge beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, ein Pilotprogramm „Stipendienprogramm für Land-lehrerinnen und Landlehrer“ zu entwickeln. Dieses Stipendienprogramm soll folgende Punkte berücksichtigen:

1. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport legt Schulen fest, in denen eine Absicherung des Unterrichtsbetriebes mit Lehrkräften prognostisch als besonders herausfordernd gilt. Diese Festlegung ist in regelmäßigen zeitlichen Abständen zu überprüfen und gegebenenfalls auf veränderte Bedarfe hin anzupassen.

2. Lehramtsstudierende aus dem gesamten Bundesgebiet können sich mit Beginn des 5. Fachsemesters für die Dauer der verbleibenden Regelstudienzeit auf den Erhalt eines monatlichen Stipendiums bewerben. Voraussetzung hierfür ist die Verpflichtung, nach Abschluss ihres Studiums in den vorgegebenen Bedarfsschulen des Landes Branden-burg zunächst ihren Vorbereitungsdienst zu absolvieren und anschließend dort mindestens so viele Schulhalbjahre als Lehrerin oder Lehrer zu arbeiten, wie ihnen zuvor das Stipendium gewährt wurde.

3. Die Höhe der monatlichen Auszahlung soll 600 Euro betragen. Diese Geldsumme soll in Form eines nicht rückzahlbaren Zuschusses als Pauschalfinanzierung während des Studiums ausgereicht werden. Lediglich bei Nichteinhaltung der Vereinbarung durch den Stipendiaten oder die Stipendiatin ist die materielle Förderung vollständig zu erstatten. Dieser zu erstattende Betrag ist entsprechend zu verzinsen.

4. Bei Bedarf kann die Landesregierung Kontingente für bestimmte Lehrämter und Fächer/Fächerkombinationen festlegen.

5. Neben der materiellen Förderung soll auch eine ideelle Förderung Teil des Stipendiums sein, die spezielle Fortbildungen und Netzwerkveranstaltungen sowie ein Mento-ren-Programm in den Bedarfsschulen umfasst.

6. Die Kommunen sollen einbezogen werden, um für die Stipendiatinnen und Stipendia-ten attraktive Rahmenbedingungen zu schaffen.

7. Das Stipendienprogramm soll bei Schülerinnen und Schülern und Lehramtsstudierenden in geeigneter Weise bekannt gemacht werden.

Während der Pilotphase soll das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport dem zuständigen Fachausschuss berichten.

Bei der Entwicklung des Stipendienprogramms sollen auch die Erfahrungen aus ähnlichen Stipendienprogrammen aus anderen Bundesländern berücksichtigt werden.

Während der Pilotphase sollen Studierende des Stipendienprogramms in geeigneter Weise einbezogen werden.

Des Weiteren wird die Landesregierung aufgefordert, zu prüfen, ob über das Stipendienpro-gramm hinaus für Lehramtsstudierende, die in den vorgegebenen Bedarfsschulen des Landes Brandenburg ihr Praxissemester im Masterstudium absolvieren, eine finanzielle Unterstützung geschaffen werden kann.

Begründung:

Damit alle Schülerinnen und Schüler in Brandenburg gleichwertige Bildungschancen erhalten, muss überall im Land eine ausreichende Versorgung mit qualifizierten Fachlehrerinnen und Fachlehrern gegeben sein. Voraussetzung dafür ist die Gewinnung gut ausgebildeter, leistungsfähiger und motivierter Nachwuchslehrekräfte. Auch in den kommenden Jahren steht Brandenburg vor der großen Herausforderung die Lehrkräftesicherung in allen Regio-nen des Landes, insbesondere aber im berlinfernen Raum, sicherzustellen. Laut Bericht des zuständigen Ministeriums in der 3. Sitzung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport am 13. Februar 2020 rechnet die Landesregierung in den nächsten Jahren mit einem jährlichen Einstellungsbedarf von über 1.000 Lehrkräften. Besonders herausfordernd wird es dabei sein, eine angemessene Versorgung mit entsprechenden Lehrkräften in den berlin-fernen Regionen des Landes sicherzustellen. Um dies zu gewährleisten, müssen besondere Anreize für eine Beschäftigung in den vom Land definierten Bedarfsschulen geschaffen werden.

Um sicher zu stellen, dass vor allem die zu den Bedarfen passenden Fachlehrerinnen und Fachlehrer ausgebildet werden, muss der Landesregierung im Rahmen des Stipendien-Programms vorbehalten sein, entsprechende Bedarfe zu definieren und Kontingente für die Förderung festzulegen.

Damit die angehenden Landlehrerinnen und Landlehrer sich in den Bedarfsschulen gut in das schulische und örtliche soziale Leben einfügen und nicht nach Ablauf ihrer Verpflichtung die Bedarfsschulen wieder verlassen, ist eine frühzeitige und umfassende Vorbereitung und Begleitung sinnvoll. Dies empfehlen auch die Experten des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung in Erkner, die in ihrer Studie darauf hinweisen, dass monetäre Anreize allein nicht wirksam sind, sondern mit attraktiven Lebens- und Arbeitsbedingungen verknüpft werden müssen. Dem sollen eine passgenaue ideelle Förderung und Mentoren-Programme Rechnung tragen, die die Stipendiaten bereits während des Studiums an die Regionen binden.

Eine missbräuchliche Nutzung des Stipendienprogramms soll insbesondere dadurch verhindert werden, dass Stipendiatinnen und Stipendiaten eine vollständig verzinste Rückzahlung der materiellen Unterstützung zu leisten haben, sofern die Vereinbarungen nicht eingehalten werden.

Der Erfolg des Stipendien-Programms hängt in wesentlichem Maße auch von seiner öffent-lichen Bekanntheit unter Lehramtsstudierenden und idealerweise unter interessierten und geeigneten Schülerinnen und Schülern ab. Die Konzeption einer angemessenen Bewerbung sollte deswegen frühzeitig mitgedacht und umgesetzt werden.

Mit dem Brandenburgischen Lehrerbildungsgesetz wurden 2012 schulpraktische Studien eingeführt. Nach derzeitiger Studienordnung absolvieren Lehramtsstudierende im Master-studium ein 16-wöchiges Schulpraktikum, davon 14 Wochen an einer Schule in Branden-burg. In diesen 14 Wochen verbringen die Studierenden die überwiegende Zeit am Schulort. Nur einen Tag die Woche besuchen sie Begleitseminare in Potsdam. Die meisten Studie-renden suchen sich deswegen eine Schule in Potsdam oder Umgebung bzw. im berlinnahen Raum für das Schulpraktikum aus, weil sie dort wohnhaft sind. Studierende, die gern ein Praktikum in entfernteren Regionen absolvieren würden, beklagen sich, dass sie sich zwei Wohnsitze nicht leisten können. Auf diese Weise werden potsdam- bzw. berlinferne Regio-nen dauerhaft bei der Suche nach Lehrkräftenachwuchs benachteiligt.

Um den Anreiz zu schaffen, dass Lehramtsstudierende sich Praktikumsplätze in den Be-darfsschulen aussuchen, soll geprüft werden, ob eine monatliche Unterstützung für die Dauer des Praxissemesters an diejenigen Studierenden, die ihr Schulpraktikum in einer Be-darfsschule absolvieren, gezahlt werden kann.

Grundsätzlich hat die in den Blick genommene Zielgruppe das wohl beste Empfinden für die Gestaltung von möglichen Anreizen. Daher sollen Studierende während der Pilotphase des Stipendienprogramms in geeigneter Weise einbezogen werden, um möglicherweise wich-tige Impulse auf dem Weg zu einem geeigneten Instrument zur Lehrkräftegewinnung im ländlichen Raum zu geben.