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Mafiöser Betrug durch Pflegedienste

Ursula Nonnemacher:

Nach Einschätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) betrügen einige Pflegedienste mit Bezug zur internationalen organisierten Kriminalität systematisch bei der Abrechnung von Leistungen. Schwerpunktmäßig sollen die Länder Berlin, Niedersachsen und Bayern betroffen sein. Die in Frage stehenden Pflegedienste sollen zum Beispiel nicht erbrachte Leistungen in Rechnung stellen. Das führe bei Krankenkassen und Kommunen zu Schäden in Milliardenhöhe. Die nicht erbrachten Leistungen gefährde-ten bei Pflegebedürftigen die Gesundheit oder sogar das Leben.

Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie die Möglichkeit, über die Aufsichtsführung systematischen Abrechnungsbetrugs im Land Brandenburg aufdecken zu können?

Antwort der Landesregierung

Sehr geehrte Frau Abgeordnete Nonnemacher, Pflegedienste erbringen eine ambulante Pflegeleistung im Privathaushalt von Patientinnen und Patienten bzw. Pflegebedürftigen. Sie sind damit eine ganz wichtige Institution und eine ganz wichtige Stütze in der Versorgung, denn sie ermöglichen den Pflegebedürftigen damit auch, solange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit zu bleiben. Was hier ein Vorteil ist, ist bei der Kontrolle dann wiederum ein Nachteil, weil die Leistungserbringung im geschützten Lebensbereich es eben auch schwieriger macht, unrechtmäßige Bereicherungen aufzudecken, insbesondere dann, wenn wie in den aktuell diskutierten Fällen die Leistungserbringer und die Leistungsempfänger scheinbar kriminell miteinander kooperieren.

Wenn also behauptet wird, man habe eine Leistung erbracht, und auf der anderen Seite, man habe eine Leistung bekommen, und man sich das gezahlte Geld dann teilt, ist es sehr schwierig, dem beizukommen. Den Kostenträgern stehen dabei auch nicht die Befugnisse zu, die zum Beispiel staatliche Ermittlungsbehörden wie die Polizei oder die Staatsanwaltschaft haben. Sie können also keine Hausdurchsuchungen oder Zeugenbefragungen vornehmen. Jeder Pflegedienst wird jedoch jährlich durch die Pflegekassen überprüft. Auf Initiative der Länder wurde im Bundesrat durchgesetzt, dass im SGB XI, also im Bereich Pflegeversicherung, seit dem 1. Januar 2016 die Regelung gilt, dass diese Regelprüfung immer auch die Abrechnung von Leistungen beinhaltet und dass sie unangemeldet stattfinden kann. Das war vorher nicht so. Eine vergleichbare Regelung fehlt leider bislang im Bereich der häuslichen Krankenpflege, also im SGB V. Daneben muss jede Krankenkasse eine Stelle zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen vorhalten. Diese hat den Fällen und Sachverhalten nachzugehen, die auf Unregelmäßigkeiten oder eine rechtswidrige Nutzung von Finanzmitteln hindeuten.

Diese Stellen arbeiten dafür auch mit den Staatsanwaltschaften und den Trägern der Sozialhilfe zusammen. Auf diese Zusammenarbeit gehen auch die aktuell diskutierten Fälle zurück.

Dennoch möchte ich an dieser Stelle vor einer Verallgemeinerung warnen - auch Sie haben von einzelnen Fällen gesprochen. Mir ist es sehr wichtig, dass hier kein Generalverdacht über die ambulante Pflege ausgebreitet wird. Es ist zu vermeiden, dass die Verfehlungen Einzelner einen ganzen Berufsstand in Misskredit bringen.

(Vereinzelt Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Landesregierung ist gern bereit, eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Prüfsystems und der gesetzlichen Grundlagen dafür zu unterstützen. Ich verweise nochmals darauf, dass wir auch in Brandenburg eine gute heimrechtliche Aufsichtsführung nach den uns gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten haben.

(Beifall der Abgeordneten Lehmann [SPD])

Der Aufsicht unterliegen beispielsweise auch Wohngemeinschaften, die von ambulanten Pflegediensten betreut werden und die sehr wohl auch im häuslichen Bereich agieren, wo Wohnen und Hilfeleistung miteinander verknüpft sind. Allerdings erstreckt
sich dieser Prüfauftrag auf die Wahrung der Rechte der Bewohnerinnen und Bewohner,
insbesondere den Schutz ihrer Gesundheit. Auf die Leistungsabrechnung können
wir dort leider keinen Einfluss nehmen.

Vizepräsident Dombrowski: Es gibt Nachfragen.

Frau Ministerin, ich teile selbstverständlich Ihre Auffassung völlig, dass auch der von mir sehr geschätzte Berufsstand der Pflegenden nicht generell in Misskredit gebracht werden soll, aber bei einem solchen Milliardenbetrug und dem damit einhergehenden Ausmaß ist das dennoch ein wichtiges Thema.

Ich würde gern fragen: Liegen Ihnen irgendwelche Erkenntnisse über das Ausmaß der Betroffenheit Brandenburgs bezüglich dieser Betrügereien vor? Halten Sie eine Ausweitung einer staatlichen Aufsicht im ambulanten Pflegedienst für geboten oder für möglich?

Ministerin Golze:

Zu Ihrer ersten Nachfrage: Mir ist bekannt, dass derzeit auch einzelne Fälle in Brandenburg näher beleuchtet werden, ob sich auch dort der Verdacht erhärtet, dass es zu regel- bzw. gesetzwidrigem Verhalten gekommen ist. Nähere Angaben liegen mir jedoch nicht vor. Ich weiß aber, dass Pflegedienste in Einzelfällen unter die Lupe genommen werden.

Ich bin aber sehr offen für eine Diskussion, welche Möglichkeiten zur Eindämmung dieser Betrügereien bestehen. Ich habe bereits ein Beispiel aus der häuslichen Krankenpflege genannt, wo es sehr wohl möglich wäre, von Bundesseite aus gesetzlich tätig zu werden, um auch hier unangemeldete Prüfungen zu ermöglichen und auch die Leistungsabrechnung unter diese Prüfung fallen zu lassen. Das könnte helfen, solche Einzelfälle auszumerzen.