Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Kinderehen in Deutschland verbieten - Kindeswohl sichern“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Um es gleich vorweg zu nehmen: Unsere Fraktion spricht sich deutlich gegen die Verheiratung Minderjähriger aus, ebenso wie gegen eine Verheiratung von Menschen unter Zwang. Zwangsehen sind eine grobe Verletzung der Menschenrechte, das ist ganz klar. Kinderehen, und das ist genauso klar, stellen eine besondere Form der Gewalt gegen Kinder dar, genauer genommen eine besondere Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Sie sind mit schätzungsweise über 90% der Betroffenen die deutliche Mehrheit. Jedes Jahr werden 15 Millionen Mädchen unter 18 Jahren verheiratet. Den Ausdruck, Kinder gehörten in die Schule und nicht in die Ehe, haben Abgeordnete unserer Bundestagsfraktion geprägt, und hier stimmen wir aus vollem Herzens zu.

Diese Aussage fokussiert auf eines der Kernprobleme von Kinderehen. Einmal verheiratet, haben die Mädchen und Frauen kaum noch Zugang zu Bildungsangeboten, in vielen Fällen müssen sie ihre Schulausbildung abbrechen, und sind damit wirtschaftlich abhängig von ihrem Ehemann oder dessen Familie. Ein Ausbruch aus der Armut und ein selbstbestimmtes Leben werden ihnen dadurch unmöglich. Auch die gesundheitlichen Risiken der Kinderehe sind für Mädchen und Frauen verheerend. Weltweit ist bei 15-19-Jährigen eine Schwangerschaft die häufigste Todesursache. Das kann uns nicht kalt lassen. Selbstverständlich muss alles dafür getan werden, jedem Mädchen auf der Welt eine sorgenfreie Kindheit und Jugend frei von Ehe und Schwangerschaft und mit einem gleichberechtigten Zugang zu Bildung zu ermöglichen.

Die Frage danach, was wir im Land Brandenburg tun können, um diese Mädchen und Frauen besser zu schützen, beantwortet der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion leider nicht ausreichend. Auch, weil er die Komplexität der Konstellationen nicht abbildet. Ehen von Kindern unter 14 Jahren sind auf jeden Fall aufzuheben und es muss wegen des Verdachtes auf sexuellen Missbrauch ermittelt werden. Bei älteren Jugendlichen ist nicht immer davon auszugehen, dass ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht vorliegt. Ein vernachlässigter Aspekt ist, dass vor der Flucht geheiratet wird, um durch den Status der Ehefrau vor sexuellem Missbrauch geschützt zu sein. Gerade in von Bürgerkrieg erschütterten zerfallenden Staaten scheinen Minderjährigen-Ehen stark zuzunehmen. Sie sind eher Ausdruck der Krise, nicht unbedingt von kultureller oder religiöser Tradition.

Hier müssen wir genau hinschauen! Es geht nicht um in Deutschland zu schließende Ehen, sondern um die, die schon verheiratet hier ankommen. Wenn wir alle diese Ehen für unwirksam erklären, gingen alle Rechte und Unterhaltsansprüche verloren, vorhandene Kinder würden ohne anerkannten Vater als illegitim angesehen und ihre Erbansprüche verlieren. Die ehemals verheirateten Minderjährigen würden im sozialen Abseits landen, eine Rückkehr ins Heimatland könnte verunmöglicht werden.

Der Antrag sollte deutlicher im Sinne eines umfassenden Schutzes von Kindern und Jugendlichen formuliert werden. Das Kindeswohl, das ja in der Überschrift des Antrags explizit genannt wird, wird in der Begründung gar nicht mehr erwähnt. Ebenso wenig lässt sie aus unserer Sicht ein primär am Interesse des Kindes ausgerichtetes Denken erkennen, sondern bezieht sich auf „unser“ Werteverständnis. Aber auf diese emotionale Art dürfen wir die Debatte nicht führen. Wir müssen ernst nehmen, dass in Deutschland vor allem Opferberatungs- und Unterstützungsstrukturen für Betroffene von Kinder- und Zwangsehen fehlen. Also müssen wir über Migrationssozialarbeit und gut ausgestattete Jugendämter, nicht über Sanktionen reden, die der Antrag fordert. Gerade für die Gruppe der 16-17-Jährigen kann es nicht um pauschale Regelungen, sondern um am Wohl der Betroffenen orientierte Einzelfallentscheidungen gehen.

Zum vorliegenden Antrag werden wir uns enthalten. Wir begrüßen die Aktivitäten des Bundesjustizministers, das geltende Bundesrecht hinsichtlich eines verbesserten Schutzes von Mädchen und Frauen abgewogen anzupassen.