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Axel Vogel spricht zum Antrag der AfD-Fraktion "Kein Beitritt zum 'Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration' durch die Bundesrepublik Deutschland - Ablehnung einer Entwicklungspolitik durch globale Massenmigration"

Herr Präsident! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Versuch der neuen rechten Internationale - ich nenne einmal Herrn Orban in Ungarn, Herrn Trump in den USA, Herrn Strache in Österreich -‚ den globalen UN-Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration zu delegitimieren und eine Zustimmung als Vaterlandsverrat zu diffamieren, wird von der AfD nun auch in den Brandenburger Landtag getragen.

(Lachen bei der AfD - Galau [AfD]: Verschwörung! Hat hier jemand einen Aluhut? - Genau!)

Wir sind hier zwar nicht zuständig - anders als der Bundestag, wo der wortgleiche Antrag der AfD - copy and paste - eingebracht worden war und schon abgelehnt ist -‚ aber von solchen Erwägungen lässt sich die neuerdings kornblumenblaue AfD bekanntlich nicht aufhalten, wenn es darum geht, ihr völkisches Weltbild zu verbreiten.

(Lachen und Zurufe der AfD)

Panik bricht bei Ihnen bereits aus - wenn ich Ihren Antrag lese -‚ wenn wir uns verpflichten wollen, die öffentliche Finanzierung oder materielle Unterstützung von Medien, die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegenüber Migranten fördern, einzustellen.

(Kalbitz [AfD]: Wir haben gar keine Panik! Sie haben Panik!)

Es geht bei diesem Compact um eine sichere, geordnete und reguläre Migration.

(Zurufe von der AfD)

Es geht darum, irreguläre Migration durch verbesserte internationale Zusammenarbeit in geordnete Bahnen zu lenken. Es geht gerade auch um Fluchtursachenbekämpfung, Bekämpfung von Menschenschmuggel und Menschenhandel, Kooperation beim Grenzmanagement - das hat Frau Hackenschmidt alles angesprochen -‚ und es geht darum, endlich weltweite Mindeststandards für Migration und den Umgang mit Migranten zu vereinbaren.

Und da geht es eben nicht nur um Deutschland - es geht nicht einmal besonders um Deutschland. Da geht es zum Beispiel um die großen Migrationsströme zwischen Indien, Bangladesch, Pakistan und dem arabischen Raum, um Saudi-Arabien, um Dubai. Es geht um die Migrationsströme innerhalb Südamerikas, aber auch von Südamerika nach Nordamerika. Es geht um Migrationsströme von China nach Afrika oder in die USA. Und es geht vor allen Dingen um innerkontinentale Migrationsströme - innerhalb Afrikas, innerhalb des asiatischen Raums oder auch innerhalb von Europa. Und einer der größten Migrationskorridore, die wir hier in den letzten Jahrzehnten hatten, war die Wanderung von Spätaussiedlern aus Polen, Russland, Kasachstan, aus den Nachfolgerepubliken der Sowjetunion - auch die zählen mit dazu.

Von den 278 Millionen Menschen, die nicht in ihrem Geburtsland leben, leben die allerwenigsten in Deutschland, und es ist überhaupt nicht davon auszugehen, dass in naher Zukunft Hunderte von Millionen Menschen - wie Sie es darstellen wollen - zu uns kommen wollen, um bei uns zu arbeiten. Aber eins ist klar: Migration wurde immer dadurch ausgelöst, dass Menschen eine bessere Zukunft wollten, ein besseres Leben führen wollten - und es geht genau darum, das zu organisieren. Und nebenbei bemerkt: Dass das deutsche Asylrecht denkbar ungeeignet ist, um Arbeitsmigration zu steuern, sollte nun auch der Letzte gemerkt haben. Auch hierzulande brauchen wir geordnete und legale Wege der Immigration - wie das von uns schon lange vor Ihnen geforderte Einwanderungsgesetz -‚ um endlich auch bei uns eine sichere, geordnete und reguläre Migration zu ermöglichen und die Menschen gar nicht erst am Mittelmeer in Schlauchboote steigen zu lassen.

(Beifall B90/GRÜNE, DIE LINKE und SPD)

Deutschland war aber nicht immer nur Zuwanderungsland, Deutschland war immer auch Auswanderungsland. 1555 wurde im Augsburger Religionsfrieden erstmals ein ius emigrandi - ein Recht, unter Mitnahme seines Eigentums auszuwandern - verbindlich garantiert, und im Westfälischen Frieden 1648 wurde es dann noch ausgeweitet. Millionen Deutsche sind emigriert. Wo ständen denn die USA, wo stände Australien, wo stände Neuseeland, wo ständen viele südamerikanische Republiken, wenn sie nicht Millionen von Deutschen aufgenommen hätten, die auch auf der Suche nach einem besseren Leben aus Deutschland weggegangen sind?

(Kalbitz [AfD]: Qualifizierte vor allem!]

Und wo ständen wir, wenn nach 1945 nicht Millionen von sogenannten Gastarbeitern zu uns gekommen wären - oder Vertragsarbeiter in die DDR -‚ um zu helfen, dass sich auch hier die Lebensbedingungen verbessern und die Wirtschaft eine bessere Entwicklung nimmt?

(Beifall SPD)

Präsidentin Stark:

Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? - Frau Bessin, Sie haben das Wort.

Baaske (SPD):

Herr Vogel hat den Absatz schon gefunden. Er kann ihn vielleicht weiter vorlesen, denn darin steht ja auch geschrieben, dass sich diese Grundleistungen für die Zuwanderer von den Grundleistungen der Bürger, die hier leben, unterscheiden können. Das hat Frau Bessin - glaube ich - wissentlich verschwiegen.

(Frau Bessin [AfD]: Das steht aber auch nicht drin! - Kalbitz [AfD]: Das war doch keine Frage!)

Präsidentin Stark:

Abgeordneter Vogel, jetzt haben Sie die Gelegenheit, auf diese Fragen und Anregungen zu antworten.

Vogel (B90/GRÜNE):

Ich lese den Satz zur Erklärung...

(Zurufe von den Fraktionen der AfD, der SPD, der Linken und der CDU)

Entschuldigung! Darf ich den Satz noch einmal vorlesen, damit es jeder auch im Gesamtzusammenhang sieht oder hört?

(Frau Lehmann [SPD]: Genau! - Frau Lieske [SPD]: Richtig!)

Wir verpflichten uns - das hatten Sie gerade vorgelesen, Frau Bessin - sicherzustellen, dass alle Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus ihre Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können.

(Beifall B90/GRÜNE, DIE LINKE, SPD und CDU)

Dass Sie bei dem Begriff „Menschenrechte" schon aufgebracht sind, lässt allerdings tief blicken.

(Beifall B90IGRÜNE, DIE LINKE, SPD und CDU)

Und dass in Ihrem Antrag davon die Rede ist, dass Sie es als Problem ansehen, dass die Menschenrechtsdeklaration der UN zu Völkerrecht geworden ist, lässt noch viel tiefer blicken und zeigt genau, wes Geistes Kind Sie sind.

(Beifall B90/GRÜNE, DIE LINKE, SPD und CDU)

Und wenn ich Ihren Antrag noch ein bisschen weiter analysiere, möchte ich noch einen Punkt ansprechen: Die AfD fantasiert die Bevölkerung Deutschlands in die Rolle einer bedrohten Minderheit, sieht das deutsche Staatsvolk gar als bedrohte autochthone Bevölkerung. In Ihrem Antrag ist davon die Rede, dass der globale Pakt für Migration das explizite menschenrechtliche Verbot - da sind Sie doch für Menschenrechte - missachte, die demografische Zusammensetzung einer Region, in der eine autochthone Bevölkerung ansässig ist, zu ändern.

„Autochthone Bevölkerung' ist eindeutig definiert. Die UN sieht maximal 350 Millionen als autochthone Bevölkerung - nämlich diejenigen, die vor der Kolonisierung oder vor der Staatsbildung schon in einem Gebiet ansässig waren und seitdem ihren Charakter nicht verändert haben. Da geht es beispielsweise um Menschen im Amazonas-Urwald, da geht es um abgelegene Inseln irgendwo im Pazifik. Aber eins ist klar: Die deutsche Bevölkerung zählt nicht als autochthone Bevölkerung.'

(Frau Geywitz [SPD]: Hört, hört! - Vereinzelt Beifall B90/GRÜNE)

Präsidentin Stark:

Herr Abgeordneter, Sie müssen jetzt einen Schlusssatz finden. Ihre Redezeit ist vorbei.

Vogel (B90/GRÜNE):

Der Schlusssatz: In der Anthropologie gibt es eine ernsthafte Diskussion, ob der Begriff „autochthone Bevölkerung" als Begriff für eine Originalbevölkerung überhaupt auf Europäer angewendet werden kann. Anthropologisch - wissenschaftlich - korrekt wäre der Begriff in Europa demnach nur auf die Neandertaler als ursprüngliche Bewohner Europas anzuwenden. Allerdings gelten diese nach dem Aufeinandertreffen mit dem Homo sapiens seit Jahrtausenden als ausgestorben. Aber vielleicht hat sich ja noch eine weitere Art in Brandenburg erhalten und im Landtag Platz genommen - die AfD weiß möglicherweise mehr darüber. - Recht herzlichen Dank.

(Heiterkeit und Beifall B90/GRÜNE, DIE LINKE, SPD sowie CDU - Zurufe der AfD - Kalbitz [AfD]: Wenn gar nichts mehr geht, kommen Beleidigungen! - Bretz [CDU]: Homo neanderthalensis!)