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Marie Schäffer spricht zum Antrag "Benachrichtigungsmöglichkeit von Funkzellenabfragen betroffen"

Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen
und Zuschauer!

Der Bund hat mit der Funkzellenabfrage ein Instrument zur Strafverfolgung geschaffen, das unbemerkt in eine Reihe von Grundrechten vieler Menschen eingreifen kann. Dass es ein Eingriff in die Privatsphäre ist, wenn unbemerkt Standortdaten gesammelt werden, kann gerade, wenn man an Demonstrationen denkt, nicht bestritten werden.
Die Risiken, die damit verbunden sind, wurden auch bei der Gesetzgebung schon beachtet. Unter anderem gibt es die Sicherungsmaßnahme des Richtervorbehalts. Abgesehen davon gehört es zum Grundprinzip einer freiheitlichen Gesellschaft, dass sich staatliches Handeln gerichtlich überprüfen lässt.
Im Bereich der Funkzellenabfrage greift die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung durch die Betroffenen jedoch regelmäßig ins Leere, weil diese nicht darüber informiert werden, wenn sie ins Raster einer Funkzellenabfrage geraten sind. Zwar gibt es in der StPO die Verpflichtung zur nachträglichen Benachrichtigung, jedoch wird hier regelmäßig unterstellt, dass Betroffene, gegen die sich die Maßnahme nicht gezielt gerichtet hat, kein Interesse an einer Benachrichtigung haben. Ich halte die Deutung, dass
sich ja sowieso niemand dafür interessiere, wo seine Daten erhoben werden, für problematisch. Spätestens wenn sich eine Bürgerin oder ein Bürger an die Behörden wendet und explizit zu verstehen gibt, dass sie oder er informiert werden möchte, dürfte dies zu Problemen führen.
Berlins Funkzellenabfragen-Transparenz-System schließt hier eine Benachrichtigungslücke in einer sehr behutsamen und datensparenden Form. Es werden keine über die Rufnummer hinausgehenden Daten erhoben. Eine Benachrichtigung über SMS bedeutet, dass auch nur die Betroffenen informiert werden, die
über dieses Handy verfügen können. Und die 90-Tage-Frist zur Neuautorisierung bedeutet, dass auch bei einem Wechsel der Rufnummer oder einem Verlust des Telefons die Gefahr falscher Benachrichtigungen in sehr engen Grenzen gehalten wird. Diese pragmatische Variante hat einige Nachteile; denn nicht alle Berlinerinnen und Berliner oder nach Berlin hineinpendelnden Menschen kennen die URL fts.Berlin.de, unter der man sich anmelden kann. Auch die Pflicht zur wiederholten Anmeldung, viermal
im Jahr, ist nicht unbedingt das, was man unter modernem E- Government versteht. Man kann sich vorstellen, wie viele Abonnenten Zeitungen noch hätten, wenn man alle 90 Tage den Vertrag erneuern müsste. Es geht auch immer nur um zukünftige Abfragen, für die man sich registrieren kann. Das heißt, wenn man die 90-Tage-Frist einmal verpasst, sind alle früheren Abfragen, über die man informiert worden wäre, in der Zukunft, wenn das Verfahren abgeschlossen ist, nicht mehr relevant. Das heißt, man wird dann wieder gar nicht informiert.
Mit dem vorliegenden Entschließungsantrag beauftragen wir die Landesregierung, eine zuverlässige Datenbasis für unsere weitere Debatte zu schaffen; denn - wie wir gesehen haben - das Berliner Modell ist nicht perfekt, auch wenn es wenigstens ein Versuch ist, hier etwas mehr Transparenz zu schaffen, und - wie wir gehört haben - auch der einzige Versuch, der wenigstens einen Fortschritt für die Bürgerinnen und Bürger schafft.
Allerdings wollen wir in diesem Prozess auch einige Dinge klären. Zum Beispiel kann man darüber reden, wie sich 5G durch kleinere Funkzellen auf die Funkzellenabfragen auswirkt. Man kann darüber reden, ob man nicht verschiedene Systeme in den Bundesländern zusammenschließen sollte; denn wenn man einmal
einer Behörde gegenüber sein Interesse bekundet hat, gilt das vielleicht auch für andere in anderen Bundesländern. Ich glaube, es ist gut, dass wir jetzt dafür Daten sammeln.
Auch wenn ich persönlich große Sympathie für den Antrag der Linken hege, das Berliner System direkt zu übernehmen, glaube ich, eine fundierte Debatte kann auch nicht schaden. Deswegen bitte ich um Zustimmung zum Antrag der Koalitionsfraktionen. -
Vielen Dank.