- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Gäste,
eine positive Nachricht dieses Landesgleichstellungsberichts: Erstmals sind die Hälfte der Beschäftigten in den höchsten Entgeltgruppen weiblich. Insgesamt sind es in der Landesverwaltung sogar 54%.
Da könnte man also meinen, super, dann ist die Gleichstellung ja erreicht. Aber, wie so oft, zeigt sich das Entscheidende erst, wenn man genauer hinschaut. Nehmen wir die Hochschulen als Beispiel: Ein Frauenanteil von 100% bei den Sekretärinnen ist dort nicht ungewöhnlich. Ist das ein Grund zum Jubeln? Bei den Professuren sind es nur 20-30%. Bilde ich dann den Durchschnitt über die gesamte Hochschule, lande ich vielleicht insgesamt bei 50%.
Und dennoch würden Sie mir wohl alle zustimmen, dass Gleichstellung nicht erreicht ist. Nur bei Frauen gibt es die „leaky pipeline“, das heißt: je höher Einkommen und Verantwortung, desto geringer der Frauenanteil. Sie können nun natürlich einwenden, dass Männer in Sekretariaten unterrepräsentiert sind. Ja, sind sie. Das finde ich auch schade, ich freue mich immer darüber, wenn Menschen die Tätigkeit ergreifen, die ihnen Spaß machen, ohne sich von Geschlechterstereotypen abschrecken zu lassen. Also herzlich willkommen an jeden „Sekretär“ – das Wort benutzen wir so ja nicht mal – oder an jeden Erzieher und Krankenpfleger, also an jeden Mann in einem weiblich konnotierten Beruf. Das ist jedoch keine strukturelle Unterrepräsentanz, denn in den Führungspositionen nimmt der Männeranteil zu. Und weiblich dominierte Berufe gehen häufig mit geringen Aufstiegschancen oder geringem Einkommen einher.
Auch in der Landesverwaltung sinkt der Frauenanteil innerhalb der Führungspositionen. Bei allen Dienststellen werden nur in 3 von 13 Führungsebenen 50% erreicht. Eine große Diskrepanz gibt es zudem bei Teilzeitbeschäftigten: 5 von 6 sind Frauen. Teilzeit ist noch immer ein Grund für Altersarmut und ein Hemmschuh für den Aufstieg. Obwohl das LGG Gleichstellungspläne vorschreibt, haben nur 4 von 5 Dienststellen einen. Und wiederum nur 6 von 10 Plänen formulieren Zielzahlen. Hier gibt es also ein Umsetzungsproblem.
In dieser Wahlperiode gab es keine umfangreiche Novelle des Landesgleichstellungsgesetzes. Aber die Änderung der Kommunalfassung enthielt ein Artikelgesetz zum LGG, das einen entscheidenden Fortschritt bedeutet: Wir haben endlich einheitliche Rechte für die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten geschaffen und ihre Weisungsfreiheit verankert. Gleichwohl, das Landesgleichstellungsgesetz sollte vom nächsten Landtag dringend angepackt werden. Die letzte größere Änderung ist über 10 Jahre her. Und da ich diesem hohen Haus in der nächsten Wahlperiode nicht mehr angehören werden, möchte ich Ihnen meine Punkte dafür gleich mit auf den Weg geben:
Wir müssen die Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie aufgreifen, die teils einen Rückfall in traditionelle Rollenmuster beförderte. Wir sollten auf eine geschlechtergerechte Verteilung von Homeoffice und Teilzeitarbeit hinwirken und Teilzeit, Mutterschutz und Elternzeit in Führungspositionen stärker fördern, bei allen Geschlechtern.
Die Gleichstellungsbeauftragten müssen verbindlicher und früher beteiligt werden. Das gilt übrigens auch für die Justiz und den Richterwahlausschuss. Die Prävention von sexualisierter Belästigung und Gewalt muss einen größeren Stellenwert erhalten.
Und zu guter Letzt müssen wir das Bundesverfassungsgerichtsurteil von 2017 umsetzen und konsequent alle Geschlechter einbeziehen und vor Diskriminierung schützen. Dabei gilt es auch die Überschneidungen mit anderen Dimensionen wie Alter, Herkunft, Behinderung in den Blick zu nehmen. Der Bericht liefert viele Anregungen für eine hoffentlich baldige Novelle in der nächsten Wahlperiode.