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Petra Budke spricht zu: Achtes Gesetz zur Änderung der Verfassung

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Zuschauende,

Eine Verfassung ändert man nicht alle Tage.

Erst recht nicht, wenn sie so gut ist wie unsere! Brandenburg war das erste der neuen Bundesländer, das sich nach der friedlichen Revolution und der deutschen Einheit 1992 eine Verfassung gab. Vor dem Landtagsbeschluss hatte es eine Volksabstimmung gegeben: 94 % der Bürger*innen stimmten für den Entwurf.

Die Verfassung beschritt damals ganz neue Wege, zeugt von Aufbruch und Neubeginn. So heißt es in der Präambel ausdrücklich: „Wir Bürgerinnen und Bürger“. Auch die soziale Gerechtigkeit und der Schutz für Umwelt und Natur werden hier bereits festgeschrieben. Artikel 12 enthält eine starkes Antidiskriminierungsgebot. Da heißt es nämlich in Abs. 2 (ich zitiere): „Niemand darf wegen der Abstammung, Nationalität, Sprache, des Geschlechts, der sexuellen Identität, sozialen Herkunft oder Stellung, einer Behinderung, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder aus rassistischen Gründen bevorzugt oder benachteiligt werden.“

Eine Verfassung ändert man nicht alle Tage – und gleichzeitig entwickelt sie sich mit der Gesellschaft weiter, hält fest, was uns wichtig ist oder wo wir als Gemeinschaft hinwollen.
Petra Budke

Eine Verfassung ändert man nicht alle Tage – und gleichzeitig entwickelt sie sich mit der Gesellschaft weiter, hält fest, was uns wichtig ist oder wo wir als Gemeinschaft hinwollen.

Seit1992 wurde die Verfassung mehrfach. Zuletzt wurde 2013 der Begriff „Rasse“ gestrichen. Das war ein wichtiger Schritt und muss endlich auch im Grundgesetz vollzogen werden! Denn Rassen gibt es nicht! Menschen sind Menschen!

Der heutige Anlass, unsere Verfassung zu ändern, ist ein trauriger: die erschreckende Zunahme antisemitischer Angriffe und Gewalttaten. Der Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019, der Nah-Ost-Konflikt, Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden. Dem stellen wir uns hier heute gemeinsam entgegen: Es ist an der Zeit, Artikel 7a zu ergänzen und die Bekämpfung von Antisemitismus und die Stärkung jüdischen Lebens als Staatsziel in unsere Verfassung aufzunehmen!

Es gibt aber auch einen schönen Grund, unsere Verfassung zu aktualisieren: Am 17. Juni jährt sich der Nachbarschaftsvertrag mit Polen dreißig Jahre. Morgen wird es dazu auch eine Feierstunde hier im Plenarsaal geben. Es ist von deutscher Seite viel Leid gegen Polen ausgegangen. Umso wichtiger sind die guten Beziehungen, die wir seither aufgebaut haben. Corona und die geschlossenen Grenzen haben uns deutlich vor Augen geführt, wie eng wir verbunden sind. In Artikel 2 wollen wir daher die Freundschaft mit Polen weiter stärken. Auch oder gerade weil wir einige Entwicklungen in Polen kritisch sehen: den Oderausbau, das Kohlekraftwerk Turow oder das Abtreibungsverbot beispielsweise, so ist doch klar: Freundschaften muss man pflegen!

Unsere Gesellschaft, unser Brandenburg soll geschlechtergerechter und inklusiver werden.
Petra Budke

Und noch ein großes Ziel verbinden wir mit der heutigen Änderung: Unsere Gesellschaft, unser Brandenburg soll geschlechtergerechter und inklusiver werden. Und sinnbildlich dafür auch unsere Verfassung. Denn was in der Präambel so leidenschaftlich beginnt, „Wir Bürgerinnen und Bürger“, setzt sich bisher leider nicht fort. Das werden wir nun ändern. Ich sage es klar: Wir Bündnisgrüne hätten wir uns durchaus noch mehr vorstellen können. Aber vor allem sind wir glücklich, dass Brandenburg das erste Bundesland wird, das eine Verfassung in geschlechtergerechter Sprache hat!

Zu guter Letzt stärken wir mit unserem Vorschlag heute auch noch die Rechte der Opposition. In Zukunft muss das Präsidium des Landtags nicht mehr in der Konstituierenden Sitzung gewählt werden und das Vorschlagsrecht soll in Zukunft nicht mehr an die Reihenfolge der Stärke der Fraktionen gebunden sein. Ein*e Vizepräsident*in muss künftig einer Oppositionsfraktion angehören.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Sicherlich hätten wir als Bündnisgrüne uns darüber hinaus noch weitere Änderungen vorstellen können. Wir hätten uns zum Beispiel eine Stärkung der Minderheitenrechte, der Kinderrechte oder der direkten Demokratie gewünscht. Aber dies sind die fünf Punkte, auf die wir uns mit den Fraktionen von SPD, CDU und Linken in einem intensiven und konstruktiven Austausch verständigt haben. Dafür bedanke ich mich!

Eine Verfassung ändert man nicht alle Tage. Heute aber ist ein solcher Tag. Ich freue mich auf den weiteren Diskussionsprozess zu unserer Verfassung!