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Axel Vogel spricht zur Aktuellen Stunde „Fünf Jahre Gemeinsinn und Erneuerung in Brandenburg“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wenn in der Aktuellen Stunde die vorgeblichen Erfolge von Rot-Rot in dieser Legislaturperiode gefeiert werden sollen, gibt es tatsächlich keinen aktuellen Bezug; einen solchen stellte nur Herr Ness‘ AfD-Namedropping her. Aber wer sitzt mit Herrn Gauland im literarischen Quartett der Friedrich-Ebert-Stiftung, und wie äußern Sie sich dazu?

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

Aber sei‘s drum. Wenn im Antrag mangels handfester politischer Erfolge eine Forsa-Studie herhalten muss, nach der die überwiegende Mehrheit der Brandenburger gern in diesem Land lebt, könnte man auch den ermittelten Grund ergänzen: Für 97 % sind es Landschaft und Natur, nur für 15 % die hier lebenden Menschen. Das sollte einem zu denken geben, genauso die Erkenntnis, dass die Polizei als einzige Institution in diesem Land bei mehr als der Hälfte der Bevölkerung Vertrauen genießt. Aber was schert uns das?, fragen sich SPD und die Linke: Hauptsache, eine Mehrheit ist in anderen Umfragen mit der Regierung zufrieden! - Bleibt der kleine Schönheitsfehler, dass nach mehrfachen Emnid-Erfragungen - im Auftrag der Linken übrigens - nur rund 40 % der Bevölkerung wissen, dass die Linke in Brandenburg mitregiert; der großen Mehrheit ist das noch gar nicht aufgefallen.

(Heiterkeit und Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

Das ist verständlich - fast alle Wirtschaftserfolge sind der allgemein guten konjunkturellen Lage zu danken. Brandenburg bewegt sich im Gleichklang mit den anderen ostdeutschen Bundesländern. Sie alle haben einen Zuwachs im produzierenden Gewerbe, Überschüsse im Landeshaushalt und - nicht zuletzt durch Abwanderung und demografischen Wandel - sinkende Arbeitslosenzahlen. Ganz Deutschland geht es heute besser als 2009.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

Aber vom Abschied vom vermeintlichen Hoffnungsträger CCS als Heilbringer für die Braunkohle ist in der Erfolgsbilanz keine Rede.

(Zurufe aus der Fraktion DIE LINKE)

So wurde die Linke dank des engagierten Widerstands der Bevölkerung daran gehindert, ihr Wahlversprechen - eine CO2-Verpressung in Ostbrandenburg zu verhindern - zu brechen. Es ist auch keine Rede davon, dass jetzt mit Zustimmung der Linken

(Glocke des Präsidenten)

auch ohne Maßnahmen zur CO2-Minderung ein neuer Tagebau bei Welzow aufgeschlossen und damit die Energiestrategie 2030 zu Makulatur gemacht werden soll.

(Beifall B90/GRÜNE)

Sozial-ökologischer Umbau ist das nicht, Frau Mächtig!

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Doch, ist es!)

Auch einige andere Begriffe sucht man in der Erfolgsbilanz vergeblich. Einen Flughafen habe ich im Antrag der Linken nicht gefunden, auch nicht die Synonyme BBI, BER Willy Brandt, FBB - nicht erstaunlich, ist das doch die größte schwärende Wunde, die Sie der nächsten Legislaturperiode überlassen: angefangen bei den halbherzig betriebenen Verhandlungen zum Nachtflugverbot, dem hinhaltenden Widerstand gegen einen effektiven Lärmschutz bis zum Versagen der Regierungsmitglieder im Aufsichtsrat der FBB im Planungsverfahren.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

Den Bären, dass sich im Bildungsbereich Grundlegendes ve rbessert hätte, wollen wir uns nicht aufbinden lassen. Natürlich wurden neue Lehrer auf altersbedingt freiwerdende Stellen eingestellt; hinzugekommen ist aber keine einzige Stelle, und so haben wir heute weniger Stellen als zu Beginn der Legislaturperiode.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Die rot-rote Laterne in den Kategorien Finanzierung der Hochschulen und Kitabetreuungsschlüssel sind wir bis heute nicht losgeworden, und die Halbierung der Schulabbrecherquote hat nun einmal auch nicht geklappt.

(Frau Große [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gemeinsinn und Erneuerung sollen hier abgefeiert werden, aber Gemeinsinn wird zunächst einmal von den Opfern der rot-roten Politik erwartet,

(Beifall CDU und FDP - Lachen bei der CDU)

von den Lärmbetroffenen am Flughafen BER, bei denen es nicht um Belästigung, sondern um Gesundheitsgefährdung geht, von den Dorfbewohnern, in deren unmittelbarer Nachbarschaft Megatierställe für die industrielle Massentierhaltung entstehen sollen, von den Bauernfamilien, denen die von der Landesregierung gepäppelten finanzstarken Großagrarier die Flächen unterm Hintern wegkaufen,

(Unmut bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE - Domres [DIE LINKE]: Jetzt wird er aber sehr deutlich!)

von den 800 Einwohnern von Proschim, die für die Ausweitung der Braunkohleverstromung ihre Heimat aufgeben sollen, für die Haushalte und Handwerksbetriebe, die mit ihrem Strompreis die Freistellung Vattenfalls von der EEG-Umlage finanzieren sollen.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE])

Gemeinsinn wird von den Eltern verlangt, die ihre Kinder auf freie Schulen schicken und die massiven Kürzungen von Rot-Rot mit erhöhtem Schulgeld bezahlen dürfen. Wir können nachvollziehen, dass viele dieser Menschen diese Anforderungen von Rot-Rot an ihren Gemeinsinn zunächst einmal als Riesengemeinheiten auf Kosten des Gemeinwohls begreifen,

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Gemeinheiten, gegen die sie mit Volksinitiativen und Volksbegehren, Demonstrationen und Verfassungsklagen mobilisieren. Die Brandenburger geben nicht mehr klein bei, und das ist gut so. Hier drückt sich eine neue Art von Gemeinsinn aus, mit der jede Regierung in Zukunft rechnen muss.

(Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

Ich will nicht ungerecht sein:

(Lachen bei der SPD und der Fraktion DIE LINKE - Frau Große [DIE LINKE]: Vergeigt!)

Brandenburg hat von Rot-Rot dort profitiert, wo es um politische Kultur ging - Stichwort: unsere Grünen-Anträge zur Öffentlichkeit der Ausschüsse und Erleichterung bei der Beibringung von Unterschriften für Volksbegehren. Ich könnte noch einige Dinge mehr nennen, aber es sind nicht sehr viele.

(Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

Wir hätten uns mehr solche Erfolge gewünscht. Dass es am Ende nicht mehr geworden sind, hat einen ganz einfachen Grund: Es gibt noch Unterschiede zwischen den Parteien und unterschiedliche Vorstellungen, wie die Zukunft hier in Brandenburg aussehen soll.

(Domres [DIE LINKE]: Das ist gut so!)

Damit haben die Wählerinnen und Wähler am 14. September dann auch echte Entscheidungsalternativen, und das ist auch gut so!

(Starker Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

>> Redemanuskript als pdf-Datei