Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag wird von der Verfassung als zentrales Gremium des Staatsaufbaus angesehen. Der Landtag - nicht die Regierung - ist Träger der Gesetzgebung, der Landtag wählt die Mitglieder der anderen Verfassungsorgane, den Ministerpräsidenten und den Verfassungsgerichtspräsidenten.
Die Landtagspräsidentin nimmt dem Ministerpräsidenten und den Mitgliedern des Verfassungsgerichts den Eid ab - nicht umgedreht! Die Landtagspräsidentin - nicht der Ministerpräsident - ist daher die protokollarisch höchste Persönlichkeit in unserem Bundesland Brandenburg.
Bei der Bedeutung der Präsidentin und ihrer Vertretung ist es erstaunlich, wie wenig Gedanken sich die Verfassungsmütter und -väter über deren Auswahl gemacht haben. Das in diesem Hause eingeübte Verfahren - Präsidentin oder Präsident kommen von der stärksten, Vizepräsident oder Vizepräsidentin von der zweitstärksten Fraktion - versteht sich nämlich nicht von selbst. Dies erfolgt im Übrigen bislang auch unabhängig von der Frage, ob Präsident und Vizepräsident, stärkste und zweitstärkste Fraktion Vertreter der Regierungsfraktionen oder von Regierung und Opposition sind.
Das versteht sich seltsamerweise überhaupt nicht von selbst, weil die Verfassung in Artikel 55 Absatz 2 vorschreibt: „Die Opposition ist ein wesentlicher Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. Sie hat das Recht auf Chancengleichheit.“ Nur: In der letzten Legislaturperiode wurde ein hieraus abgeleitetes Recht der Opposition, einen Präsidenten oder eine Vizepräsidentin zu stellen, von der Regierungsmehrheit nicht gesehen. Wir können davon ausgehen, dass auch keine andere zukünftige Regierungsmehrheit - egal welcher Farbkombination - das so sehen wird, es sei denn, es wäre verfassungsrechtlich vorgegeben.
Denkbar ist für uns natürlich vieles, zum Beispiel dass die stärkste Oppositionsfraktion immer die Präsidentin, zumindest aber einen Vizepräsidenten stellt, dass - wie in anderen Landtagen - alle Fraktionen zumindest einen Vizepräsidenten stellen oder dass die kleinste Fraktion den Präsidenten stellt. Auch das wäre denkbar.
(Gelächter bei SPD und DIE LINKE)
Übrigens sind das alles Fälle, die im Bundestag oder in anderen Landtagen oder auch in Brandenburg bei der Bestellung von Kreistags- und Stadtverordnetenvorsitzenden gang und gäbe sind.
Nun sind wir keine Traumtänzer und ahnen, wie unwahrscheinlich es ist, dass eine Regierungsfraktion freiwillig auf einen ihr rechtlich oder auch nur vermeintlich zustehenden Posten verzichten würde, nur um der Opposition zu ihrem Recht zu verhelfen.
Das hat schon in der letzten Legislaturperiode nicht geklappt und es hat auch nicht geklappt, wie damals von CDU, FDP und Grünen gemeinsam beantragt und als Alternative vorgeschlagen, einen zweiten Vizepräsidenten einzuführen. Das ist ein Vorschlag, den wir ganz ohne eigene Ambitionen mit eingebracht haben. Wir können nämlich davon ausgehen, dass auf diesem Weg - das hat Herr Bischoff auch dargestellt - immer ein Vertreter der Opposition zumindest in einer Vizepräsidentschaft in diesem Hause zu finden sein wird. Damals wurde dies von den Rednern der Opposition, insbesondere auch von Herrn Baaske, zurückgewiesen.
Heute wird ein ähnlicher Antrag von SPD und DIE LINKE eingebracht, nicht etwa um unsere Ansprüche auf angemessene Repräsentation der Opposition zu erfüllen - dieser Begriff kommt bedauerlicherweise im ganzen Antrag nicht vor -, sondern weil die Wählerinnen und Wähler die Arithmetik im Landtag verschoben haben. Das Sein bestimmt das Bewusstsein, kann man hier mit Recht vermuten. Aber ganz ehrlich: Ein guter Antrag wird nicht dadurch schlecht, weil die Intention der Antragsteller primär machtpolitisch begründet ist und nicht inhaltlich motiviert ist.
Bemerkenswert ist übrigens auch - das sage ich an die Adresse der Koalition -, dass Sie selber sich keine Mühe gegeben haben, Ihren Antrag inhaltlich zu begründen. Das wurde jetzt von Herrn Bischoff, und ich akzeptiere das, nachgeschoben. Der Antrag lautet in seiner Begründung: „Die antragstellenden Fraktionen sehen die Notwendigkeit.“
Und das soll uns als Begründung genügen? Als Oppositionsfraktion würden wir uns eine solche lapidare Nichtbegründung niemals erlauben dürfen, ohne dass hier ein gehöriger Kübel Häme ausgegossen würde. Daher erhebe ich den Anspruch, dass sich auch die Regierungsfraktionen bei Antragsbegründung Gedanken machen, warum sie inhaltlich einen Antrag wollen oder nicht.
Zur Frage der Opposition, wir hatten darüber kurz im Hauptausschuss gesprochen: Meiner Ansicht nach wird es ausgesprochen schwierig sein, die Vizepräsidentschaft oder Präsidentschaft allein an die Oppositionseigenschaft zu knüpfen. Wir müssen nur davon ausgehen, dass beispielsweise während einer Legislaturperiode ein Regierungswechsel stattfindet. So etwas soll es ja geben. Dann müsste von Amts wegen der Präsident oder der Vizepräsident sein Amt verlieren. Meiner Ansicht nach ist das nicht ohne weiteres so zu machen und auch nicht ganz unproblematisch. Daher sage ich: Ja, wir nehmen uns die Zeit. Ja, wir diskutieren die verschiedenen Varianten.
Ich freue mich auf sachkundige Beratungen im Hauptausschuss. Wir werden deswegen der Überweisung an den Hauptausschuss zustimmen. - Herzlichen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE und der fraktionslosen Abgeordneten Frau Schülzke, Schulze und Vida])