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Axel Vogel spricht zur Aktuellen Stunde der der CDU-Fraktion „Schulterschluss mit Polen und den baltischen Republiken“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Botschafter, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir stehen am Vortag der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Eines Präsidenten, der die NATO für obsolet erklärt, der die EU als gegen die Interessen der USA gerichtetes Instrument einer angeblichen deutschen Vorherrschaft in Europa geißelt, den BREXIT begrüßt und auf weitere EU-Exits hofft und der bereits morgen beginnen will ganz im Stil eines Autokraten vom Schlage Putins oder Erdogans mit einer Vielzahl von Executive Orders am Parlament vorbei die von ihm anvisierte politische Zeitenwende einzuleiten. Trump ist ein Präsident, der im 140-Zeichen-Takt die Welt in Atem hält und damit in für uns alle gefährliche Turbulenzen stürzen kann. Und das ist das auch für die heutige Debatte bedeutsam: Ein Präsident der traditionelle Politik und Diplomatie durch den Deal, das vorteilhafteste Geschäft an dessen Stelle setzt und dabei auf Putin als kongenialen Partner vertraut.

Das tragische ist, dass die politische Agenda Trumps nicht einmal auf eine einheitliche Ablehnung in Deutschland stößt. Dabei ist die Berliner AfD, die nach der Trump-Wahl „Wir sind Präsident“ twitterte nur ein besonders krasses Beispiel.

Die Rückkehr zum Nationalstaat, die Schwächung der EU, die Ablehnung der NATO, die Verurteilung und Stigmatisierung von Angela Merkel wegen der Flüchtlingsnothilfe im Herbst 2015, die kritiklose Übernahme russischer Erklärungen wie allgemein die Anbiederung an Putin sind ja inzwischen nicht nur Positionen des Präsident-elect Trump und der AfD, sondern werden von der Linken Spitzenkandidatin Wagenknecht nur in Nuancen anders ausgedrückt.

Und wer sich mit Menschen in eine Reihe stellt, die den russischen Kriegseinsatz in Syrien loben oder das Abzeichen der stalinistischen Warlords im Donbass an ihrer Jacke tragen, der muss sich weder über die positive Berichterstattung im russischen Propagandakanal RT noch über den Beifall der neuen deutschen Rechten wundern. Wer sich über die fast wortgleichen Erklärungen und Unterstützung durch die AfD ärgert und Beifall von der falschen Seite beklagt, muss sich fragen lassen, ob er die Annäherung zwischen der europäischen Rechten, deren Ideengeber Putin und dem president elect Trump irgendwie verpasst hat. Vielleicht bekommt die Linke nicht Beifall von der falschen Seite, sondern steht auf der falschen Seite.

Anrede

Die richtige Reaktion auf den Populismus und den Rückfall in nationalstaatliches Denken in Ost und West, wäre jetzt ein starkes und unwiderrufliches Bekenntnis zur EU und deren Weiterentwicklung. Hin zu einer Europäischen Union mit einem klaren Vorzug der Demokratie gegenüber dem Markt, mit Mechanismen zur friedlichen Konfliktlösung, mit gleicher Teilhabe aller am Wohlstand und an politischen Entscheidungen. Der Abbau der Gewaltenteilung als Grundprinzip demokratischer Staaten oder die gesellschaftspolitische Orientierung an den 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts bringt uns dieser Zielsetzung einer europäischen Wertegemeinschaft allerdings nicht näher.

Jetzt brauchen wir umso mehr eine gemeinsame europäische Außenpolitik, die den Beweis antritt, dass ein gerechtes und soziales, ein friedliches Zusammenleben möglich ist und in einer Welt von Krisen und Kriegen Sicherheit schafft.

Unsere entscheidende Antwort auf die trumpsche und putinsche Herausforderung muss aber die grundsätzliche Absage an außenpolitische „Deals“ sein, und das heißt: Die wichtigste Antwort ist, dass wir völkerrechtlich gültige Verträge penibel einhalten. Dies auch und gerade deshalb, weil Trump die NATO ja erklärtermaßen nicht ersatzlos auflösen, sondern sie von einem kollektiven System gegenseitiger Sicherheitsgarantien zu einem Instrument der weltweiten Terrorbekämpfung umformen will. Und was das heißt will ich mir gar nicht ausmalen.

Verträge penibel einhalten, das heißt auch, zur NATO-Russland-Grundakte zu stehen, die seit 1997 ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis anstrebt, um einen gemeinsamen Sicherheits- und Stabilitätsraum in Europa zu schaffen. Eine dauerhafte Stationierung einer hohen Zahl von NATO-Truppen an der östlichen NATO-Grenze widerspricht dieser und kommt deshalb auch nicht in Betracht. Soweit der Ministerpräsident darauf hinweist, und ein besonnenes Vorgehen der NATO einfordert, ist dies nicht nur sein gutes Recht, sondern auch seine Pflicht. Ein Rüstungswettlauf muss unbedingt verhindert werden. Stattdessen muss Vertrauen aufgebaut und über konkrete Schritte zur Rüstungskontrolle und Abrüstung gesprochen werden. Der Gesprächsfaden darf nicht abreißen, aber nur auf die Kraft guter Worte zu vertrauen, reicht nicht aus.

Die Benennung der Ursachen der aktuellen Truppenbewegung gehört aber zu einer korrekten Gesamtbewertung dazu. Ein Verschweigen dieser Ursachen und den Vorwurf der einseitigen Eskalation durch die NATO lehnen wir Grünen ab. Russland hat zentrale Pfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur zu Fall gebracht: Die nationale Souveränität und territoriale Integrität der Staaten, die Verpflichtung zur gewaltlosen Konfliktlösung und die Ablehnung gewaltsamer Grenzverschiebungen oder das Einhalten internationaler Verträge. Mit der Verletzung seiner Pflichten aus dem Budapester Memorandum, in dem die Ukraine ihre Atomwaffen im Gegenzug für territoriale Souveränität abgegeben hat, hat Russland der weltweiten atomaren Abrüstung einen Bärendienst erwiesen. Erst aus diesen Handlungen heraus hat sich der Wunsch Polens und anderer östlicher NATO-Mitgliedstaaten nach mehr Präsenz des Bündnisses ergeben. Deshalb sind NATO-interne Rückversicherungsmaßnahmen nötig, um den östlichen Nachbarn ihre Ängste zu nehmen. Je sicherer sich die östlichen NATO-Mitglieder der Bündnistreue sind, desto weniger Truppen werden sie an ihren östlichen Grenzen verlangen.

Dabei geht es hier nicht um die Rücksichtnahme auf sogenannte „Befindlichkeiten“, sondern um handfeste, historisch begründete Ängste und leidvolle Erfahrungen in Polen und im Baltikum. Und wer immer sich in Deutschland in politischer Verantwortung befindet und den Ausgleich mit Russland sucht, ist verpflichtet Polen und die baltischen Staaten von Anfang an mit ins Boot zu holen und darf keine Alleingänge zu starten. Die Lehren aus der Geschichte sollten eindeutig sein: Nie wieder darf Deutschland eine Verständigung mit Russland über die Köpfe der Polen oder Balten hinweg suchen. Und gerade vom deutschen Polen-Beauftragten darf verlangt werden, dass er hieran nicht den geringsten Zweifel lässt.

Die heutige Aktuelle Stunde bietet die beste Gelegenheit entstandene Irritationen auszuräumen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.