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Axel Vogel spricht zum bündnisgrünen Gesetzentwurf zum Bodenreformwiedergutmachungsgesetz

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden heute über eine schier unendliche Geschichte, die bis zum heutigen Tag ihren langen Schatten wirft. Die Menschen, die heute wieder einmal vor dem Landtag demonstriert haben, rufen es uns erneut in Erinnerung: Die Bodenreform von 1945 und folgende Jahre war ein gigantisches Umverteilungsprogramm. Jeglicher Besitz über 100 ha in der damaligen SBZ wurde entschädigungslos enteignet. Ob jemand die Nazis unterstützte oder nicht, spielte keine Rolle.

In Brandenburg ging es um mehrere Hunderttausend Hektar. Daraus entstanden 82 000 Bodenreformflächen für landlose Bauern und Flüchtlinge. Diese Flächen bekamen die Neusiedler nicht geschenkt, sondern sie mussten dafür zahlen - mit Geld oder Naturalien, teilweise auch mit Krediten, die oft jahrzehntelang abgezahlt werden mussten.

Was dann kam, wurde damals als sozialistischer Frühling und wird heute meist als Zwangskollektivierung bezeichnet: Die Menschen mussten - ob sie wollten oder nicht - ihr Land in die neu gegründeten LPGn einbringen. Sie blieben Eigentümer, aber die Verfügungsgewalt über ihr Eigentum wurde massiv eingeschränkt. Die friedliche Revolution von 1989 war für viele Menschen auf dem Land daher vor allem mit der Hoffnung verbunden, endlich wieder über ihr Land verfügen zu können.

So kam es dann auch: Am 6. März 1990 verabschiedete die Volkskammer unter Hans Modrow das Gesetz über die Rechte der Eigentümer aus der Bodenreform. Sämtliche in der DDR eingeführten Eigentumsbeschränkungen wurden aufgehoben. Der Eigentumstransformationsprozess galt als abgeschlossen. Was dann passierte, bezeichnen viele Juristen als einen der größten Rechtsirrtümer des Einigungsprozesses. Mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz wurde ab 1992 versucht, die Bodenreform rechtlich abzuschließen. In einem viel beachteten Aufsatz wurde zuvor die Vererbbarkeit von Bodenreformland infrage gestellt. Dass dies ein Auftragswerk der enteigneten Alteigentümer von vor 1945 war, wurde erst später thematisiert. Doch der Leitgedanke war geboren.

1992 wurde dann im Bundesjustizministerium durch einen einzigen Referenten ein damals kaum beachteter Abschnitt in das Einführungsgesetz zum BGB lanciert, der diesen Gedanken aufgriff und die Enteignungswelle legitimierte, über die wir heute reden. Auch das Gesetz unterstellte nun die Unvererbbarkeit von Bodenreformeigentum in der DDR. Das hatte zwar nichts mit der DDR-Rechtslage zu tun, passierte aber kaum beachtet den Bundestag. Die Mär von der Unvererbbarkeit hat sich dann bis 1998 gehalten. Erst dann korrigierte der Bundesgerichtshof die herrschende und bis dahin von ihm vertretene Meinung - eine Meinung übrigens, der unser Finanzminister bis zum heutigen Tage anhängt und die er zuletzt bei der ersten Debatte über den Staatsvertrag zu den Bodenreformflächen zum Besten gegeben hat.

Heute ist juristisch klar: Bodenreformeigentum war in der DDR stets vererblich. So steht es in den historischen Bodenreformurkunden, farblich unterlegt: „Übergabe des Landes zum vererbbaren persönlichen Eigentum“. Keine einzige Bestimmung des Rechts in der SBZ oder der DDR hat die Vererbbarkeit jemals ausgeschlossen oder ein Vererbungsverbot postuliert. Doch es half nichts!

Mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz war den Ländern die Möglichkeit gegeben worden, sich in vielen Fällen als vermeintlich besser Berechtigter Bodenreformflächen anzueignen. Von diesen Fällen reden wir heute. Brandenburg hat besonders viele davon. Denn nirgendwo sonst in den neuen Ländern hat ein Bundesland mehr Flächen eingefordert als hier - gegen den verzweifelten Widerstand der Betroffenen, die teilweise ihr gesamtes Vermögen einsetzten, um ihr Erbe behalten zu können.

Es geht um 16 000 Liegenschaften mit ca. 34 000 Hektar, es geht aber um sehr viel mehr Menschen, da sehr häufig auch ganze Erbengemeinschaften betroffen waren. 40 % aller Rechtsstreitigkeiten über den Entzug von Bodenreformland fanden in Brandenburg statt, stellte die Bundesregierung vor einigen Jahren fest.

Von besonders intensiver Enteignungspraxis ist im Abschlussbericht zum Fall Feld 5 der Enquetekommission die Rede. Da herrschte fraktionsübergreifend Einigkeit. Da geht es nicht nur um die anonymen Erben, wo das Land in letzter Konsequenz vom BGH gestoppt wurde. In 7 550 Fällen hatte sich das Land sittenwidrig - so hieß es - in die Grundbücher eingetragen, und wer heute ausfindig gemacht wird oder sich meldet, bekommt sein Eigentum zurück - egal, wie der Fall gelagert ist. Wer sich aber vor der Ausschlussfrist des Vermögensrechtsänderungsgesetzes vor Oktober 2000 selbst gemeldet hatte, schaut in die Röhre. In 6 500 Fällen hat das Land Ansprüche gegen bekannte Neusiedlererben durchgesetzt. Über diese Fälle reden wir heute. Diese Fälle können wir heute heilen, denn der Staatsvertrag über die Bodenreformflächen gibt uns diese Möglichkeit. Das Land verlöre dabei nicht viel, aber es gewönne vor allem eines: Rechtsfrieden.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)

Schauen wir uns die Zahlen an: Von 1992 bis heute sind dem Land im Zusammenhang mit diesen Flächen 65 Millionen Euro Kosten entstanden. Dem stehen von 1998 bis heute 46 Millionen Euro Einnahmen gegenüber. Die Bilanz der BBG, die diese Flächen heute verwaltet, ist ernüchternd, ja sie ist fast bizarr. Den 1,1 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr - das entspricht etwa 60 Euro pro Hektar - stehen Ausgaben für die Verwaltung in ähnlicher Höhe gegenüber. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir diskutieren heute über einen Gesetzentwurf, mit dem dieser Missstand endlich aus der Welt geschaffen werden kann.

(Beifall B90/GRÜNE)

Ein Missstand, der gerade auch von der Linken - zu Recht - immer wieder beklagt wurde.

Unser Verfahrensvorschlag ist so einfach wie möglich gestaltet. Wir greifen auf bewährte Instrumente der Sachenrechtsbereinigung zurück, wir lassen die bisher gezogenen Nutzungen beim Land und helfen denjenigen, die sich in ungezählten Rechtsstreitigkeiten bis über die Halskrause hinaus verschuldet haben. Ich weiß, dass viele hier im Raum konkrete Beispiele dafür aus ihren eigenen Erfahrungen in Wahlkreisen kennen.

In der Enquetekommission brachte es die Juristin Frau Dr. Grün, die das von mir vorhin erwähnte BGH-Urteil von 1998 erstritten hat, auf den Punkt: „Mit der Bodenreformabwicklung und seiner Durchführung ist das Eigentum einer Vielzahl von Menschen mit Füßen getreten worden. Es war nicht beabsichtigt. Es war von niemandem gewollt. Es ist Zeit, das nicht Gewollte endlich auszugleichen.“

Ich bitte um Überweisung an die Ausschüsse. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE sowie vereinzelt CDU)

Vizepräsidentin Große: Das Wort erhält noch einmal die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Abgeordneter Vogel, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manche Argumente sind schon sehr erstaunlich. Der Europäische Gerichtshof hat die Enteignung für zulässig erklärt, er hat aber nicht die Bundesrepublik dazu verpflichtet, die Neusiedlererben zu enteignen, sondern es war eine Abwägungsentscheidung.

Der Flächenentzug in dem Gesetz war eine Kann- und keine Mussbestimmung. Daher gab es tatsächlich einen Sonderweg Brandenburgs, nämlich in intensivem Ausmaß zu enteignen, ganz anders als es in Sachsen oder in Thüringen der Fall war.

(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Ähnliche Zahlen!)

- Nein, es waren überhaupt nicht ähnliche Zahlen. In Thüringen ging es ungefähr um 1 500 Flächen. Bei uns ging es um 17 000 Flächen. Das macht schon einen Unterschied. All das ändert auch nichts daran, dass es eine Ungleichbehandlung aller Betroffenen gibt, die vor dem 02.10.2000 enteignet wurden und die nach dem 02.10.2000 auffällig wurden und zu dem das angesprochene Urteil des Bundesgerichtshofs gefallen ist.

Herr Kuhnert, ich muss schon sagen: Es ist verdammt zynisch, hier zu betonen, das sei leider in fünf Minuten nicht abhandelbar, sich aber dann hinzustellen und zu sagen: Wir überweisen das Gesetz nicht.

(Starker Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)

Wenn Frau Mächtig sagt, es komme nicht nur darauf an, Rückgrat zu zeigen, sondern man müsse das Rückgrat dann zeigen, wenn der Zeitpunkt da ist, frage ich: Ja, wann ist denn der Zeitpunkt da? Der Zeitpunkt ist doch jetzt da! Jetzt sind doch die ganzen Flächen durch den Staatsvertrag an das Land gefallen. Jetzt können wir allein darüber entscheiden, was mit diesen Flächen geschehen soll.

(Frau Mächtig [DIE LINKE]: Sie wissen, dass das nicht wahr ist! - Görke [DIE LINKE]: Sie wünschen sich etwas! - Zurufe von der Fraktion DIE LINKE)

- Nein, das ist nicht „Wünsch dir was“, sondern wir haben diese Entscheidungsmacht. Jetzt wird es wieder darauf geschoben: Ja, vielleicht könnte der Bund noch irgendetwas dagegen haben. Herr Kuhnert, das war nun das Allerletzte! Die SPD ist doch in Koalitionsverhandlung mit den Schwarzen. Wenn Sie sagen, Sie begrüßen, dass eine bundeseinheitliche Regelung getroffen wird, na, dann sorgen Sie doch dafür! Ihr Verhandlungspartner - jetzt ist er gerade nicht da - könnte das, obwohl er in einer anderen Arbeitsgruppe ist, mit Sicherheit in die Verhandlungskommission der SPD hineintragen, um - wenn Sie meinen, das sei so zwingend erforderlich - Entsprechendes zu verhandeln. Nein, ich sage: Wenn Sie hier nicht überweisen wollen, dann wollen Sie dieses Thema abräumen. Sie wollen sich gegen diese Diskussion immunisieren. Sie wollen keine guten Argumente hören.

Es tut mir verdammt leid. Ich denke: Da sind Sie ganz schön tief gefallen. - Recht herzlichen Dank.

(Starker Beifall B90/GRÜNE, CDU und FDP)