Axel Vogel spricht zum Staatsvertrag über die abschließende Aufteilung des Finanzvermögens der ehemaligen DDR, insbesondere über das dem Land damit zufallende Bodenreformland.
- es gilt das gesprochene Wort! -
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler! Ich möchte auf den Kern zurückkommen: Es geht um Bodenreformflächen, konkret: um 5 700 Liegenschaften mit einer Fläche von insgesamt 16 000 ha, deren Verfügungsgewalt nun endgültig an das Land Brandenburg übergehen soll. Diese Flächen von Großgrundbesitzern sind zwischen 1945 und 1949 enteignet und anschließend an sogenannte „Neusiedler" übergeben worden, die aber damals für diese Flächen bezahlen mussten. Sie waren meist 8 bis 12 ha groß und dienten der Begründung einer neuen Wirtschaft. Ich wiederhole: Die Neusiedler mussten dafür bezahlen. Sie haben natürlich immer die Ansicht vertreten - so stand es in den Urkunden und sinngemäß auch in der Verfassung der DDR -, dass diese Flächen vererbbar seien.
Dann setzte aber die Zwangskollektivierung ein, und die Flächen mussten in Genossenschaften eingebracht werden. Menschen, die mitunter jahrelang für ihr Eigentum hatten bezahlen müssen, verloren die Verfügungsgewalt darüber.
Im Jahr 1989 brach die friedliche Revolution aus, die Wende fand statt, und wir steuerten auf die Wiedervereinigung zu. Damals hegten viele dieser Menschen - nicht nur die 1949 unmittelbar Begünstigten, sondern auch deren Erben - die Hoffnung, endlich wieder über ihr Land - ihr Eigentum! - verfügen zu können.
In der Tat hat die Modrow-Regierung, die im März 1990 alle Eigentümer und deren Erben zu Volleigentümern erklärte, die Vorleistung dafür geschaffen, dass diese Menschen wieder über die Flächen verfügen konnten.
Was dann passierte, war allerdings ein schlechter Witz, ein Treppenwitz der Geschichte. Mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz, verabschiedet im neuen Deutschland, stellte der Bundesgesetzgeber die Rechtslage, die davor gegolten hatte, auf dem Kopf. Das Gesetz formulierte plötzlich kleinteilige Kriterien, die erfüllt sein mussten, um Volleigentümer der Flächen oder deren Erbe werden zu können. Diese Kriterien, insbesondere die Mitgliedschaft in einer LPG, konnten von vielen nicht erfüllt werden. Die Erben hätten also in einer LPG gewesen sein müssen, um das Erbrecht ausüben zu können.
Menschen, die davon ausgegangen waren, dass ihnen diese Flächen zustehen, die sie teilweise veräußert oder schon wieder in Bewirtschaftung hatten, waren plötzlich vor die Situation gestellt, dass Länder, auch das Land Brandenburg, auf sie zukamen und gesagt haben: Pustekuchen, Ihr ward nicht in der LPG, jedenfalls nicht 1989; Ihr ward auch nicht zehn Jahre lang - das wäre die Alternative gewesen - vorher in der Land- und Forstwirtschaft tätig und in einer LPG. Deswegen fallen diese Flächen jetzt an das Land.
Diese sogenannten schwarzen Enteignungen waren für viele ein Sündenfall, ein Prozess, der für sie viel schlimmer war als die roten Enteignungen der DDR, denn nun setzte sich der Landesfiskus reihenweise als Besserberechtigter ein. Das führte zu einem Flurschaden für das Rechtsempfingen. Man muss sich das vorstellen: Jemand, zum Beispiel eine alte Frau, eine Witwe, hat fünf oder sieben Hektar geerbt und vielleicht verkauft, wollte sich mit den 24 000 Mark - oder was immer sie dafür bekam - im Alter noch etwas gönnen - aber dann kommt das Land und sagt: Wir nehmen Euch das wieder weg! - Oder das Land kam und hat ganze Flächen weggenommen.
Ja, das war ein Bundesgesetz, aber es wurde in den Ländern unterschiedlich stark ausgeübt. Das Land Brandenburg hat es ganz besonders stark betrieben, an diese Flächen zu kommen. Die Konsequenz ist, dass viele dieser Menschen am Rechtsstaat verzweifelten - das ist nun das Problem. Das führte zu Unfrieden im Land, in ländlichen Regionen auch zu einer Abwendung von der Demokratie, zu einem Zweifel daran, ob mit dem Rechtsstaat wirklich alles besser geworden ist.
Das hat jetzt nichts mit den sittenwidrigen Enteignungen zu tun, die das Land Brandenburg vorgenommen hat, sondern es handelt sich um die sogenannten rechtmäßigen Enteignungen, die vorgenommen wurden. Wir sind heute in der glücklichen Situation - und wir begrüßen ausdrücklich diesen Staatsvertrag -, dass diese Flächen nun zur alleinigen Verfügung an das Land Brandenburg fallen. Wir haben jetzt verschiedene Möglichkeiten: Wir haben die Möglichkeit, die BBG weiterwurschteln zu lassen; wir haben die Möglichkeit, diese Flächen zu versilbern; wir haben aber auch die Möglichkeit, einen großen Wurf zu machen, nämlich auf diese Neusiedler-Erben zuzugehen und ihnen diese Flächen rückzuübertragen.
Diese Diskussion werden wir führen. Wir sind heute nicht an einem Schlusspunkt; wir haben einen Zwischenstopp. Ich denke, die Oppositionsfraktionen - und ich hoffe, zumindest auch DIE LINKE - werden sich in diese Diskussion einbringen und versuchen, diesen Menschen wieder das Eigentum an ihrem ererbten Vermögen zu verschaffen. Ich bin gespannt auf die weiteren Beratungen. - Recht herzlichen Dank.