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Benjamin Raschke spricht zum Antrag der Gruppe FREIE WÄHLER „Nein zum Stellenabbau bei der Justiz“

Sehr geehrte Gäste! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch wir haben durchaus Sympathie für den Antrag der Freien Wähler; allerdings halten wir ihn nicht für entscheidungsreif. Dieser Antrag hat nämlich kein Konzept dafür, warum da nicht gespart werden soll. Das ist allerdings nicht den Freien Wählern zuzurechnen, sondern das ist ein Problem, das sie von der Landesregierung geerbt haben, und dieses Schicksal teilt der Antrag mit den Haushaltsvorschlägen der Regierung. Auch da gibt es kein überzeugendes Konzept, warum eigentlich wo wieviel gespart werden
soll.


Es gibt eine ganze Menge Herausforderungen, die auf das Justizsystem zukommen. Ein paar von ihnen - das gestehe ich ja zu - werden berücksichtigt, wie wir gerade schon gehört haben, zum Beispiel die Pensionierungswelle. Wir wissen, dass 60 % der Staatsanwälte, also über Hälfte, in den nächsten Jahren in Rente gehen. Dafür wurde jetzt schon etwas Vorsorge getroffen. Wir wissen auch, dass wir unglaublich
viele Hartz-IV-Fälle haben; da wird Gott sei Dank kaum gespart. Dann hört es aber auch schon mit dem auf, was man erkennen kann.

Ich möchte auf einige Dinge hinweisen, die sozusagen bevorstehen und bei denen überhaupt nicht klar ist, wie man da in den genannten Größenordnungen sparen kann.


Punkt 1: Wir haben gerade ein modernes Justizvollzugsgesetz bekommen; der letzte Landtag hat es beschlossen. Es ist ein sehr gutes Justizvollzugsgesetz, es gab viel Lob dafür, es ist modern, es ist liberal, es ist sehr pädagogisch, und es war klar - dies hat die Linkspartei auch zugesagt -, dass es dafür mehr Personal geben wird. Da frage ich mich doch: Wie kann man angesichts dessen bis 2018 90 Stellen im
Justizvollzug sparen?


Der zweite Punkt: Wir sind ein offenes Land, wir wollen möglichst viele Flüchtlinge aufnehmen, und wir wollen dafür auch möglichst viel Akzeptanz im Land schaffen. Dafür ist es besonders wichtig, dass die Verfahrensdauern möglichst kurz sind. Da frage ich mich doch: Wie kann man dann über zehn Richter an Verwaltungsgerichten sparen, wenn man die Verfahrensdauern verkürzen möchte?


Dritter Punkt: Die elektronische Akte soll eingeführt werden. Bis 2020 oder spätestens bis 2022 soll bundesweit der gesamte Schriftverkehr elektronisch ablaufen. Das ist also fast komplett in dieser Legislaturperiode zu bewerkstelligen und muss unter diesem Ministerium passieren. Da frage ich mich: Wie kann man unter anderem bei den Rechtspflegern, die das hauptsächlich ausbaden müssen, über 30 Stellen wegfallen lassen? Bei den Rechtspflegern ist das besonders deswegen verwunderlich, weil sie das Land ungefähr eine Viertelmillion pro Stelle kosten. Sie können hinterher nichts anderes machen als Rechtspfleger. Wenn wir sie nicht einstellen, dann freuen sich andere Bundesländer, dass wir sie ausgebildet haben.


Der vierte Punkt betrifft die Frauenquote. Eigentlich teilen wir auch dieses Ziel, den Frauenanteil im Justizsystem deutlich zu steigern. Wie, so frage ich mich, soll das gehen, wenn sämtliche Beförderungsstellen weggestrichen werden? Das Problem, Herr Minister, ist nicht nur, dass Sie hier in solchen Größenordnungen sparen, dass man von einem Kahlschlag sprechen kann; das Problem ist, dass dabei der Eindruck entsteht, das sei konzeptlos, rein vom Sparwillen getrieben, und erfolge nach der Rasenmähermethode. Ich glaube, Sie sind uns als Parlamentariern bei dieser Größenordnung schuldig, dass Sie die Datengrundlage dafür offenlegen.


Wir haben bisher nur ein einziges Argument gehört, warum es denn so sein sollte, dass die Stellen gespart werden, nämlich dass der Zahl der Eingangsanträge sinke, dass also immer weniger Fälle vor Gericht getragen würden. Das ist jetzt so und wird wahrscheinlich auch zukünftig so sein, weil die Bevölkerungszahl zurückgeht. Das ist gut und schön, aber ich frage mich: Was ist mit all den anderen Punkten, die wir gerade gehört haben, und wie sieht es mit den Altbeständen aus? Das sind jede Menge Fälle, die noch abzuarbeiten sind. Natürlich steht auch die Frage: Wie ist die Verfahrensdauer? Deswegen, Herr Minister - Sie sind ja gleich an der Reihe -, bitten wir Sie, diese Zahlen jetzt in Ihrer Rede oder im Ausschuss vorzutragen und einmal gegenüberzustellen: Wie ist denn der tatsächliche Arbeitsaufwand, und wie sind die Kürzungen? Passt das denn tatsächlich zusammen? Es kann ja sein, dass es im Einzelfall richtig ist, an einigen Stellen zu sparen. Wir stimmen wir dem Antrag der Freien Wähler auch deswegen nicht vollständig zu, weil er uns zu kategorisch ist und die anderen Bereiche ausblendet. Im Großen und Ganzen sieht es aber sehr konzeptlos aus.


Deswegen äußere ich folgende Bitte: Räumen Sie diesen Eindruck aus der Welt, legen Sie uns jetzt hier oder gerne in der nächsten Sitzung des Justizausschusses die Zahlen vor, wie Sie jede einzelne Stelle begründen, wie Sie angesichts dieser Herausforderungen in der genannten Größenordnung sparen können. Ich denke, das sind Sie uns schuldig, und wir würden uns freuen, wenn Sie das tun.


Den Antrag bitten wir zu überweisen. Er kann in den Haushaltsberatungen mit in den Justizausschuss überwiesen werden. Ich glaube, da können wir die Debatte weiter führen. - Herzlichen Dank.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)