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Clemens Rostock spricht zum Antrag "Keine Fahrpreiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr im Jahr 2021"

Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer!

DIE LINKE fordert also: keine Preiserhöhungen im VBB-Tarifbereich. Ja, die Sorge falscher Signale an die Fahrgäste ist durchaus berechtigt. Wir leben in Zeiten, in denen es darum geht, Fahrgäste hinzuzugewinnen und zu halten. Aber es wurde erstens schon vielfach gesagt - insbesondere von den Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitikern -, dass die Deckungsquelle hier völlig fehlt. Zweitens möchte ich auch noch einmal darauf aufmerksam machen, dass die Diskussionen im Aufsichtsrat insgesamt noch deutlich komplexer sind, als es der Antrag erscheinen lässt.

Es geht ja nicht nur um die Frage des Erhöhens oder Nicht-Erhöhens der Fahrpreise. Daher möchte ich ein wenig darauf eingehen. Ein Beispiel hierfür ist die Frage, ob man zwischen Käufern von Einzeltickets und Abo-Kunden unterscheidet, um Stammkunden für ihre Treue zu belohnen. Ein anderes Beispiel: Es gibt im Aufsichtsrat auch Diskussionen darüber, anhand welches Index man die Kostensteigerungen der Verkehrsunternehmen überhaupt darstellt. Rechnet man die Personalkosten mit ein oder nicht? Herr Walter sprach es am Mittwoch an, und da sind wir uns auch weitgehend einig: Ich als Gewerkschafter bin natürlich dafür, dass diejenigen, die als Fahr- oder Begleitpersonal auch in Pandemiezeiten an vorderster Front stehen und für uns einen funktionierenden Nahverkehr bereitstellen, auch ordentlich bezahlt werden - auch im Vergleich mit anderen Bundesländern.

Nächste Frage, die auch im Aufsichtsrat diskutiert wird: Wie werden die Einnahmen eigentlich verteilt? Wir haben im VBB ein komplexes System. Da gibt es zum einen das Land Berlin- gleichzeitig Bundesland und Kommune, mit sehr hoher Auslastung im Nahverkehr -, zum anderen das Land Brandenburg mit unterschiedlichen Zuständigkeiten auf Landes- und kommunaler Ebene und eher geringerer Auslastung. Das waren nur einige Beispiele dafür, wie komplex das Ganze ist. Der Antrag gibt das leider nicht richtig wieder.

Der Aufsichtsrat steht jetzt vor der Aufgabe, das alles miteinander zu verbinden und die Ziele der Verkehrswende sowie die Kostendeckung der Verkehrsunternehmen unter einen Hut zu bringen. Ferner stehen sowohl in Brandenburg als auch in Berlin noch Dreierkonstellationen in der jeweiligen Regierung dahinter. In Berlin hat man gesehen, dass die Unterschiede zwischen den Fraktionen in der Presse ausgetragen werden. Auch in Brandenburg mag es unterschiedliche Nuancen in der Bewertung dieser Frage geben, aber wir wollen das nicht in der Presse austragen. Der Minister weiß allerdings Bescheid, wie in der Koalition darüber gedacht wird.

Ich möchte die Chance nutzen, das Thema noch ein wenig größer zu machen; das tue ich hier sehr gern öfters einmal. Wir haben eine Pandemie, die dazu geführt hat, dass die Fahrgastzahlen deutlich zurückgegangen sind. Sie haben sich mittlerweile zwar teilweise erholt, sind aber noch nicht auf dem Niveau von vorher. Das wird sich so schnell auch nicht ändern - nicht nur, weil Menschen die - eher unbegründete - Angst haben, sich im ÖPNV anzustecken, sondern auch weil sich andere Prozesse wie Homeoffice und Co. durchgesetzt haben. Da gilt es schon, in Zukunft auch die Angebote anzupassen und flexibler zu werden, um im ÖPNV eine gute Auslastung zu haben. Es nützt ja nichts, einen ÖPNV bereitzustellen, der dann kaum genutzt wird; das ist auch unter ökologischen Gesichtspunkten fragwürdig. Gerade im Hinblick auf die Finanzierung stellt sich aber die Frage, wie man darauf reagiert. Es wird nicht gelingen, die sinkende Anzahl der Tickets durch die Erhöhung der Ticketpreise auszugleichen - das wird man nicht schaffen, insbesondere nicht bei diesen unterschiedlichen Dimensionen. Ob die Preise jetzt gar nicht erhöht werden oder um 2 % steigen, ändert an dieser Situation auch nichts Grundsätzliches.

Deshalb möchte ich auch noch einmal daran erinnern, dass wir im Koalitionsvertrag gesagt haben, dass wir herausfinden wollen, welche Möglichkeiten einer dritten Finanzierungssäule es gibt. Wir wollen gutachterlich untersuchen lassen, wie wir hier im Flächenland Brandenburg Quellen erschließen können, um die Finanzierung des Nahverkehrs auf nachhaltige Füße stellen zu können. Das wollte ich an dieser Stelle noch einmal anmahnen; darüber werden wir uns in Zukunft noch unterhalten müssen.

- Vielen Dank.