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Clemens Rostock spricht zum Antrag „Corona-Gutschrift für Fahrgäste des öffentlichen Nahverkehrs“

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

Wenn es Aufgabe der Opposition ist, den Finger in die Wunde zu legen, dann ist das, glaube ich, hier gelungen. Denn man hat gemerkt: Es gibt eine Wunde.

Es gibt seit der Pandemie viel Unzufriedenheit mit dem VBB, und insbesondere Stammkunden und Abonnenten haben sich an viele Stellen gewandt - viele von Ihnen werden das auch erlebt haben. Ich habe sehr viele Zuschriften bekommen, ich habe Gespräche mit der Verbraucherzentrale und dem VBB geführt, und es war ein großes Thema.

Die Frage ist nur: Vermag der Antrag, diese Wunde zu heilen, oder reißt er neue Wunden auf? Was sagt der Antrag aus? Sie wollen allen Abo-Kunden pauschal zwei kostenfreie Monate zur Verfügung stellen. Interessant ist die Herleitung: Sie begründen das mit der eingeschränkten Leistung. Sie sagen, es sei weniger gefahren worden. Ich frage aber zurück: War das wirklich das Hauptproblem der Kundinnen und Kunden in dieser Zeit? Ja, es gab Leistungsreduzierungen, aber sie waren in einem überschaubaren Umfang. Sie schreiben ja im Antrag selbst, dass das Nahverkehrsangebot während der Pandemie weitgehend aufrechterhalten wurde, und trotzdem begründen Sie die zur Zurverfügungstellung von zwei Freimonaten mit Leistungsreduzierungen. An der Stelle möchte ich nicht versäumen, den Aufgabenträgern, den Nahverkehrsunternehmen und den dortigen Beschäftigten dafür ausdrücklich Danke zu sagen, dass sie die Aufrechterhaltung des Angebots in diesen schwierigen Zeiten möglich gemacht haben.

Anhand der Gespräche und Zuschriften glaube ich aber, dass das Problem nicht die leicht verringerte Leistung war. Ich glaube eher, das Problem war: Viele wollten oder konnten die Wege gar nicht zurücklegen, weil sie auf einmal im Homeoffice waren oder in Kurzarbeit geschickt wurden. Manche durften vielleicht auch gar nicht erst die Verkehrsmittel nutzen, weil sie unter Quarantäne standen. Die Kontaktbeschränkungen also und die aufgrund dessen nicht angetretenen Wege waren meines Erachtens das viel größere Problem.

Was wollten die Abonnentinnen und Abonnenten? Sie wollten gern etwas an ihrem Abo ändern. Das aber ließen die AGBs nicht zu. Und da lief, glaube ich, tatsächlich nicht alles optimal: Die Kunden haben mehr Kulanz erwartet, vielleicht war auch die Kommunikation nicht perfekt, und es wurde ein bisschen zu kurzfristig gedacht.Natürlich darf man den Kunden nicht immer nur unter dem Motto „Wenn er jetzt nicht zahlt …“ sehen, sondern muss langfristig denken - und da wurden viele Stammkunden verärgert.

Was hat die Pandemie gezeigt? Dass tatsächlich ein Problem vorhanden ist, über das wir nachdenken sollten, damit es sich nicht wiederholt. Aber: Lösen wir das Problem mit diesem Antrag? Ich glaube, nicht.

Von pauschal zwei kostenfreien Monaten profitieren ja auch Fahrgäste, bei denen alles gut lief, die normal weiter zur Arbeit gefahren sind, die ihren Zug nutzten usw. Es ist also auch nicht treffsicher, kostet aber Unsummen, wie in mehreren Redebeiträgen gesagt wurde.

Lasst uns statt des Ansinnens dieses Antrags eher noch einmal gucken, welche Probleme die Kundinnen und Kunden wirklich hatten - ich habe es hier ein wenig angedeutet. Lasst uns daran arbeiten, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen, denn wir brauchen wieder mehr Fahrgäste. Und ja, die Maßnahmen zur Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung sollten da auch nicht das Ende der Fahnenstange sein, denn wir müssen daraus lernen.

Treffsicherer wären zum Beispiel Abo-Pausen - das gibt es in vielen Verkehrsverbünden -: Man kündigt nicht, sondern legt einfach eine Pause ein, legt sein Ticket ab, muss in dieser Zeit nicht weiterzahlen, bleibt aber im System und muss nicht sozusagen als Gekündigter zurückgewonnen werden.

Auch beim Thema Homeoffice - ich habe es angesprochen - müssen wir über flexiblere Lösungen nachdenken: Wenn Menschen feste Tage für die Arbeit im Homeoffice haben, warum soll es dann nicht auch Abo-Tickets geben, die nur an bestimmten Tagen gelten? Wir brauchen treffsichere Lösungen. Sie dürfen nicht Unmengen kosten und müssen die wirklichen Probleme der Kundinnen und Kunden angehen. Lasst uns in diese Richtung weiterdenken.

Der vorliegende Antrag leitet sich nicht von den wahren Problemen der Kunden ab, er ist nicht treffsicher, kostet sehr viel und wird uns beim nächsten Mal auch nicht viel weiterhelfen. Deswegen lehnen wir ihn ab.

- Danke.