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Sahra Damus spricht zu: Ein Mehrsprachigkeitskonzept für Brandenburg auf den Weg bringen und die Stärkung der angestammten Regional- und Minderheitensprachen Brandenburgs fortsetzen

- Es gilt das gesprochene Wort!

Szanowna pani prezydentko /

Szanowny panie wiceprezydencie /

Szanowna pani wiceprezydentko

Drogie koleżanki i drodzy koledzy,

Drodzy goście

Cieszę się bardzo, że rozmawiamy dzisiaj o języku polskim w naszym parlamencie i również o innych językach, w jakich rozmawiamy w Brandenburgii. Ich habe gesagt: Ich freue mich, dass wir heute über Polnisch und all die anderen in Brandenburg gesprochen Sprachen hier im Landtag reden. Ich könnte Ihnen das jetzt leider nicht auch auf Sorbisch, Niederdeutsch oder Romanes sagen, aber es gibt bestimmt andere Kolleg*innen hier im Raum, die das können.

Wir diskutieren heute unseren Antrag für ein Brandenburgisches Mehrsprachigkeitskonzept.

Das Leitbild „Muttersprache plus zwei“ hat die Europäische Kommission bereits 2002, also vor fast 20 Jahren, beschlossen. Es meint das Ziel, dass alle EU-Bürger*innen neben ihrer eigenen Sprache zwei weitere sprechen sollten. Unstrittig ist wohl, dass eine davon meist Englisch sein wird. Aber was ist die zweite? Mein Wunsch wäre, dass es möglichst oft eine Nachbarsprache oder eine Minderheitensprache ist. Natürlich haben wir eine ganze Reihe von Fremdsprachen an unseren Schulen, da scheinen Französisch, Spanisch, Latein oft wichtiger. Aber: es muss auch nicht bei „plus zwei“ bleiben, drei oder mehr Sprachen sind natürlich noch besser.

Es klingt kurios, aber: Je mehr Sprachen wir lernen, desto einfacher wird es bei der nächsten. Denn beim Lernen vergleichen wir die Sprachen miteinander und verstehen, wie Sprachen an sich funktionieren, das nennt sich sprachübergreifende Kompetenzen. Lassen Sie uns Sprachen als Werkzeuge sehen, von denen wir in unserem Werkzeugkoffer nie genug haben können.

Ich will versuchen am Beispiel des Polnischen zu zeigen, wie wir Sprachkenntnisse nachhaltig ausbauen können. Und das, was ich sage, ist in vielen Fällen genauso übertragbar auf Sorbisch oder Niederdeutsch.

Bei Polnisch denken viele erstmal, ohje, was für eine schwere Sprache. Man könnte also meinen, das sei eher was für die höheren Klassenstufen, vielleicht fürs Gymnasium, fürs Studium. Nunja, auch. Aber eigentlich wird genau umgekehrt ein Schuh draus. Gerade in der Grenzregion kann man die Nähe zur Sprache nutzen, um sie nicht nur im Schulbuch, sondern direkt im Alltag anzuwenden. Natürlich ist es wichtig, eine Sprache auch durchgängig bis in weiterführende Schulen lernen zu können. Aber am besten funktioniert der frühe und spielerische Spracherwerb. Dann fällt es am leichtesten und die Chance ist am größten, dass die Motivation später auch anhält. Dafür gibt es die Methode der Immersion, das „Eintauchen“ in die Nachbarsprache. In der Praxis heißt das, dass es deutsche und polnische Kitaerzieher*innen gibt, und die polnischen Kolleg*innen nur Polnisch mit den Kindern sprechen. Es gibt gar keinen Sprachunterricht, sondern die Kinder lernen ganz intuitiv, was Ball, Sandkasten oder Apfel heißt. Ein Kind versteht ziemlich schnell, was man mit einer Sprache so anfangen kann, wenn man damit des Balls oder des Apfels habhaft werden kann. Die Kinder nehmen Sprache als ein natürliches Werkzeug im Alltag wahr und daraus entsteht eine ganz intrinsische Sprachlernmotivation, die gar keine großen Schlagwörter wie Völkerfreundschaft oder Zusatzqualifikation braucht. Es ist leichter an so eine Motivation in der Grundschule, in der weiterführenden Schule anzuknüpfen.

Zu Polnisch habe ich damit schon einiges gesagt. Lassen Sie mich aber noch ergänzen: Brandenburg hat die längste Grenze eines deutschen Bundeslands zu Polen. Inzwischen lernen über 3000 Schüler*innen Polnisch, ihre Zahl wächst stetig. Aber wir haben eben auch eine Grenze, die erst seit 2007 offen ist, also keine gewachsene Mehrsprachigkeit. Und es ist noch immer noch so, dass mehr Polen Deutsch als Deutsche Polnisch lernen. Diese Schieflage wollen wir ausgleichen.

Das Prinzip der Immersion finden wir auch in Kitas mit sorbischen und niederdeutschen Erzieher*innen. Wir wissen zwar, dass wir insbesondere beim Sorbischen zu wenig weiterführende Schulen haben, und das sollten wir auch angehen. Das frühe Sprachlernen sollten wir aber keineswegs gering schätzen, es ist, wie ich gerade versucht habe darzulegen, sogar am wichtigsten, wenn wir eine echte und anhaltende Sprachlernmotivation fördern wollen. Ich wünsche mir, dass wir dieses Prinzip in Brandenburg ausweiten und damit den Erhalt von Sprachgemeinschaften stärken.

Auf rechtlicher Ebene ist das Sorbische sehr gut verankert: Das Recht auf Bewahrung und Förderung von Sprache und Kultur im öffentlichen Leben findet sich in unserer Landesverfassung, genauso wie die Vermittlung in Schulen und Kitas. Bereits seit 1994 gibt es das Sorben/Wenden-Gesetz. Daraus ergibt sich der Auftrag, allen Kindern und Jugendlichen, die es wünschen, ein Angebot zu unterbreiten. Dazu soll der „Landesplan zur Stärkung der niedersorbischen Sprache“ fortgeschrieben werden. Ebenso wie die Sorben/Wenden-Schulverordnung, für die schon lange Gespräche laufen. Sowohl für das Lehrmaterial als auch für den Alltag ist es uns wichtig, Niedersorbisch in der Digitalisierungsstrategie zu berücksichtigen.

Niedersorbischangebote für mehrere hundert Kinder gibt es in Kitas und Horten, an Grundschulen, an zwei Oberschulen und einem Gymnasium. Erzieher*innen und Lehrer*innen sind inzwischen Goldstaub. Daher wird dies eine wichtige Frage im Rahmen des Mehrsprachigkeitskonzeptes sein. Das gilt übrigens genauso für Polnisch. Auch die Lehramtsausbildung wollen wir im Konzept daher in den Blick nehmen.

Auch gibt es in großen Teilen des sorbischen Siedlungsgebietes bisher noch keinen bilingualen oder fremdsprachlichen Unterricht. Ich wünsche mir – und auch das gilt wieder genauso für Polnisch – dass wir verstärkt vom Nachfrageprinzip zum Angebotsprinzip kommen. Nicht überall organisieren sich Interessierte selbst und sorgen dann durch hartnäckiges Engagement für ein Angebot. Wenn ein Angebot aber besteht, nutzen es erfahrungsgemäß auch mehr Familien.

Beim Niedersorbischen haben wir also eine sehr lange Tradition der Sprachförderung und gesetzliche Regelungen. Wie sieht es beim Niederdeutschen aus – brauchen wir auch ein Niederdeutschgesetz? Diese Frage wollen wir im Rahmen des Mehrsprachigkeitskonzeptes prüfen. Das Nieder- oder auch Plattdeutsche wird in den nördlichen Landkreisen Brandenburgs gesprochen. Beharrlich engagiert sich die niederdeutsche Sprachgemeinschaft seit Jahren für den Spracherhalt. Seit 2018 existiert eine Vereinbarung der Zusammenarbeit zwischen dem Land Brandenburg und dem Verein für Niederdeutsch. Inzwischen gibt es die Plattfibel, niederdeutsche Ortsschilder und eine finanzielle Unterstützung des Vereins für Niederdeutsch. Es gibt spannende Projekte zu Niederdeutsch in der Pflege und in der Kita. Das trifft genau die Kernpunkte: Spracherhalt bei den ursprünglichen Sprecher*innen und Sprachlernmotivation bei den jüngeren Generationen wecken. Das Forschungsprojekt Sprachvariation in Norddeutschland an der Viadrina hat Platt in Brandenburg untersucht und dafür 2016 den Norddeutschen Wissenschaftspreis erhalten. Diese wissenschaftliche Expertise können wir für unser Konzept gut gebrauchen.

Auch für Romanes gibt es seit 2018 eine Vereinbarung mit dem Land Brandenburg. Der Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg wünscht sich aktuell jedoch kein staatliches Angebot für Romanes. Das respektieren wir selbstverständlich. Gleichwohl gibt es immer wieder von Sinti und Roma selbstorganisierte Veranstaltungen und Lesungen, die ich nur sehr empfehlen kann.

Neben den in Brandenburg angestammten Sprachen, wollen wir im Mehrsprachigkeitskonzept auch die Herkunftssprachen von Geflüchteten und Migrant*innen in den Blick nehmen. An 29 Orten in Brandenburg lernen Kinder mit Migrationsgeschichte im muttersprachlichen Unterricht zehn verschiedene Sprachen, aktuell sind das Polnisch, Russisch, Spanisch, Französisch, Rumänisch, Türkisch, Arabisch, Persisch, Kurdisch und Vietnamesisch. Auch hier gilt, dass Mehrsprachigkeit sich positiv auf den Spracherwerb auswirkt. Herkunftssprachlicher Unterricht kann auch beim Erlernen des Deutschen helfen, wenn beide Sprachen aufeinander bezogen werden. Dann entwickeln Kinder sprachübergreifende Kompetenzen. Klar ist natürlich, es braucht beides: gut Deutsch lernen und gleichzeitig die eigene Herkunftssprache. Und zwar nicht das eine zu Lasten des anderen. Für Kinder, die mit zwei Sprachen aufwachsen ist es wichtig, sich mit ihrer Identität in diesen beiden Welten immer wieder auseinanderzusetzen und sie gut miteinander zu verbinden.

Worauf kommt es uns nun beim Mehrsprachigkeitskonzept besonders an? Es soll kein Konzept sein, dass nur am Schreibtisch entsteht, sondern in einem breiten Beteiligungsprozess. Wir wollen die Interessensvertretungen der hier lebenden Minderheiten einbeziehen. Ebenso die Akteur*innen, die sich schon seit vielen Jahren für ihre Sprachen engagieren, die Sprachgesellschaften, Vereine und Ehrenamtlichen. Die Lehrkräfte und Bildungseinrichtungen. Die Landesintegrationsbeauftragte und die Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie. Und nicht zuletzt die Lehramtsausbildung und Mehrsprachigkeitsforschung an den Hochschulen. Wir brauchen eine gute Verbindung von Wissenschaft und Alltag. Daher wollen wir externe Expert*innen einbeziehen und haben die entsprechenden Mittel bereits bei den letzten Haushaltsberatungen eingestellt. Je nachdem wie die Pandemie sich entwickelt, soll der Beteiligungsprozess möglichst auf direktem Wege, notfalls aber auch digital stattfinden. Die Ergebnisse wollen wir dann in den beiden zuständigen Ausschüssen – dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und dem Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur diskutieren.

Die Idee eines Mehrsprachigkeitskonzepts für Brandenburg ist keineswegs neu, aber wir wollen jetzt Nägel mit Köpfen machen und es gemeinsam auf den Weg bringen. Ich bitte Sie daher um Zustimmung.