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Rede im Landtag: Forderung der Studierenden umsetzen - 365-Euro-Jahresticket in Brandenburg ermöglichen

Sehr geehrte Vizepräsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

Ich freue mich, wenn die Opposition ihre Arbeit macht, und muss deswegen erst einmal sagen: Guten Morgen, liebe BVB / FREIE WÄHLER, schön, dass Sie sich jetzt auch des Themas angenommen haben.

Die Verhandlungen laufen übrigens schon seit über einem Jahr, und ich persönlich rede seit über einem Jahr mit Studierenden - mit dem StuPa, mit ASten, mit der IG SemTix ‑, aber auch - sie sind ganz wichtig, werden hier aber selten genannt - mit dem VDV, den Oberbürgermeistern und den Verkehrsunternehmen, denn die sitzen auch am Tisch. Das mache nicht nur ich, sondern das machen viele, also viele Verkehrs‑, Wissenschafts- und Finanzpolitikerinnen und ‑politiker, und das nicht nur in Brandenburg, sondern in Berlin und Brandenburg, wo die Diskussion parallel läuft. Und ja, es passiert auch etwas, und deswegen ist der vorliegende Antrag auch nicht mehr aktuell. Denn das dort zitierte 245‑Euro-Angebot liegt gar nicht mehr vor.

Aber noch einmal von vorn. Das Semesterticket ist, wie gesagt, ein Erfolgsmodell. Das Solidarmodell ist ein Erfolgsmodell. Dadurch, dass alle einzahlen, kann ein niedriger Preis für alle gewährleistet werden. Wir Bündnisgrüne sind ganz klar Anhängerinnen und Anhänger dieses Modells und träumen sogar von einer Ausweitung auf andere Gruppen.

Nun ist das Modell aber ins Schwanken geraten. Warum eigentlich? Ich habe schon auf die Rolle der Verkehrsunternehmen hingewiesen.

Das liegt meiner Meinung nach vor allem daran, dass die Verkehrsbetriebe vor Ort einen zu geringen Anteil der Einnahmen erhalten - und auch am Nutzerverhalten - und dadurch sozusagen die Leistung vor Ort nicht so richtig finanziert bekommen. Deshalb - damit mehr bei den Verkehrsunternehmen vor Ort ankommt - wird jetzt die Forderung erhoben, den Gesamtpreis zu erhöhen.

Dann fiel das auch noch mit Corona zusammen. Studierende verloren ihre Nebenjobs, Studierende mit Kindern mussten sich neben dem Studium um die Betreuung ihrer Kinder kümmern, was bei einigen sicher zu einer Verlängerung der Studienzeit geführt hat; Präsenzveranstaltungen fielen aus, vieles wurde auf digital umgestellt. Die Studierenden konnten also das Ticket bzw. die Leistung kaum in Anspruch nehmen. Und während bei vielen Abo-Kunden die Diskussion um Sonderkündigungsrechte, Kulanzregeln usw. aufkam, haben die Studierenden das weiterhin gezahlt; eine solche Diskussion kam dort nicht auf.

Um die bestehende Situation etwas zu entschärfen und die Preissteigerungen abzufedern, haben wir als Koalition letztes Jahr, wie die Berliner auch, dem Coronafonds einmal 5 Euro und einmal 10 Euro je Semesterticketinhaber entnommen. Dadurch hat man für die Diskussion im Grunde ein Jahr gewonnen. Das verdeutlicht auch die Rolle der Politik in den Verhandlungen, die ja nun einmal primär zwischen den Studierenden und den Verkehrsunternehmen stattfanden. Man ist ein bisschen weitergekommen, aber noch nicht bei einer Lösung angelangt, und wir stehen vor einer ähnlichen Situation wie vor einem Jahr. Hinzu kommt, dass der VBB beschlossen hat, coronabedingt die Preise nicht anzuheben. Das erschwert natürlich noch einmal die Vermittlung der aktuell geplanten Preissteigerung.

Aber es gab zuletzt deutlich Bewegung - das wurde hier erwähnt -, es gibt ein neues Angebot: 200 Euro im Sommersemester 2022, später 3 % Preissteigerung und, ganz wichtig, ein Gutachten, um eine Datenbasis - sie wurde gerade gefordert - zu schaffen. Denn in der Tat scheint man sich nicht einig zu sein, auf welcher Datenbasis man eigentlich verhandelt. Das halte ich in der Analyse auch für ein großes Problem. Deshalb halte ich das Gutachten für einen sehr wichtigen Bestandteil des Angebots.

Aber ich muss auch feststellen: Die Einigung ist noch nicht ganz da - man ist einander sehr nah, aber noch nicht nah genug ‑, und nun wurde diskutiert, ob man nicht wieder die Lösung aus dem letzten Jahr nimmt, um mit Mitteln aus dem Coronafonds - und übrigens nicht, wie im Antrag gefordert, aus dem laufenden Haushalt - preisdämpfend einzuwirken und eine Einigung zu vereinfachen. Wir haben unsere Bereitschaft dazu signalisiert, denn uns ist es ganz wichtig, ein Scheitern zu verhindern. Im Grunde läuft die Diskussion weiter, und das Semesterticket darf aus unserer Sicht auf keinen Fall scheitern. Für die Verkehrsunternehmen fielen planbare Einnahmen weg, die Hochschulen verlören an Attraktivität für Studierende aus Berlin, und wenn die Studierenden aufs Auto umsteigen, verliert auch das Klima.

Vielleicht noch ein kleiner Blick in die Zukunft. Ist so etwas wie ein 365‑Euro-Ticket möglich? Sie haben den Koalitionsvertrag angesprochen. Die Prüfung läuft, es ist nicht so, dass sie nicht stattfindet. Wir haben die Mobilitätsstrategiediskussion, bei der wir über viele Maßnahmen reden. Bei der aktuellen Coronalage bin ich sehr skeptisch, ob wir das konkret morgen oder übermorgen einführen. Im Moment kümmern wir uns eher um die Rettung der Verkehrsunternehmen. Aber ich setze auf das Gutachten, es wird die Diskussion noch einmal stärken. Meine Vision ist im Grunde: niedriger Preis.

Und schön wäre es doch, wenn wir es schafften, die Preisentwicklung des Semerstertickets in die Tarifentwicklungssteigerungen beim VBB einzuordnen. Das würde für beide Seiten die Legitimität, das noch einmal anzugreifen, verringern. Und vielleicht noch einmal ein Blick nach Österreich: Da gibt es gerade auch viele Entwicklungen.

In dem Sinne: Der Antrag hilft hier überhaupt nicht weiter, deswegen lehnen wir ihn ab.

- Vielen Dank.

Weiterführende Informationen

Rede zu: Antrag "Forderung der Studierenden umsetzen - 365-Euro-Jahresticket in Brandenburg ermöglichen" (TOP 17 der 59. Plenarsitzung)