- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Präsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Bildungsinteressierte,
Schon lange ist klar, dass das alte westdeutsche Familienmodell - die Kinder sind am Vormittag in der Schule und lernen, und am Nachmittag sind sie Zuhause und spielen - überholt ist. Fast alle Eltern gehen heutzutage arbeiten, und zwar beide. Das war in Ostdeutschland ohnehin selbstverständlich. Das Hausfrauenmodell hat für die meisten Familien ausgedient und kommt für Alleinerziehende sowieso nicht in Frage. Deshalb war es eine wichtige Entscheidung, dass der Bundestag ab dem Schuljahr 2026/27 stufenweise den Rechtsanspruch auf den Ganztag eingeführt hat.
Es ist völlig absurd, dass die AfD hier beantragt, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Brandenburg auszusetzen. Man macht sich, so die Begründung im Antrag, bei der AfD Sorgen, dass eine Klagewelle von Eltern gegen das Bildungsministerium drohe. So rücksichtsvoll ging die AfD bisher noch mit keinem Ministerium um. Ich würde empfehlen, diese Sorge doch getrost dem Bildungsministerium überlassen.
Es nährt sich der Verdacht, dass hinter dem AfD Antrag in Wahrheit etwas ganz Anderes steckt. Vielleicht möchte die AfD gar nicht, dass Kinder den ganzen Tag in der Schule und im Hort sind. Hier könnten sie ja anderen Einflüssen ausgesetzt sein als Zuhause. Oder sie möchte gar nicht, dass Frauen berufstätig sind.
Vielleicht passt das gar nicht ins Weltbild. Vielleicht sollten Frauen lieber daheimbleiben, Kinder bekommen, kochen, waschen und putzen.
Wir von Bündnis 90/Die Grünen begrüßen den Ganztagsanspruch explizit. Es geht uns dabei nicht nur um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die ist wichtig. Es geht um viel mehr: nämlich um gerechte Bildungschancen für jedes einzelne Kind. Kinder profitieren, wenn sie nicht nur am Vormittag sondern auch am Nachmitttag Bildungsangebote und individuelle Förderung erfahren. Deshalb ist der Ganztagsanspruch auch ein wichtiger Schritt hin zu mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit.
Brandenburg hat erfreulicherweise bereits jetzt ein gutes Hortangebot und eine sehr hohe Nachmittagsbetreuungsquote. Damit unterscheiden wir uns von vielen westlichen Bundesländern. Aber die Modelle sind von Kreis zu Kreis und Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. Das ging aus dem Fachgespräch am 22. Mai im Schulzentrum in Ziesar hervor. Etwa die Hälfte aller Grundschulen bieten den Ganztag in der Form der Verlässlichen Halbtagsgrundschule oder als offenen Ganztag an. Einen sogenannten gebundenen Ganztag gibt es bisher in unseren staatlichen Grundschulen gar nicht. Damit verpassen wir leider die Chance, Vor- und Nachmittag wirklich zusammenzudenken, einen rhythmisierten Tagesablauf zu schaffen, in dem sich unterschiedliche Phasen abwechseln: Lernen und Entspannen, Unterricht und Spiel, soziales Miteinander und Ruhe, Kreativität und Bewegung.
Im Unterschied zum AfD Antrag wirft der Linken-Antrag viele wichtige Fragen zur Umsetzung der Ganztagsbetreuung auf. Vielen Dank dafür an die Linke!
Es ist gut, dass es bereits eine neue Förderrichtlinie in Arbeit ist mit einem Volumen von 83 Mio. € aus Bundesmitteln, um die Kommunen bei Sanierung und Aus-, Um- oder Neubau der Räume zu unterstützen. Aber das allein reicht nicht, wenn wir zu einem echten Ganztag kommen wollen.
Der Ganztag ist kein Selbstläufer. Schule und Horte sollten jetzt die Chance nutzen, sich gemeinsam qualitativ weiterzuentwickeln. Das sollten wir von der Landesebene bestmöglich unterstützen.
Allerdings hat der Bildungsausschuss gerade sehr viele Gesetzentwürfe auf dem Tisch. Das Schulgesetz, das Weiterbildungsgesetz sowie das Kinder- und Jugendgesetz bedürfen noch intensiver Beratungen. Letzteres bietet auch die Möglichkeit, einige wichtige Fragen der Betreuung beispielsweise von Kindern mit Behinderung zu klären. Deshalb halte ich die Frist bis April 2024 für nicht umsetzbar.
Das sollte uns nicht davon abhalten, uns weiter mit der Thematik zu beschäftigen. Ein echter Ganztag muss langfristig unser Ziel sein, um Schule zu einem attraktiven Lern- und Lebensort zu machen und jedes Kind bestmöglich zu fördern.