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Rede im Landtag: Geschlechtergerechte Sprache

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Gäste,

¬zunächst ein Geständnis: Ich habe abgeschrieben für diese Rede hier. Und zwar bei meiner Rede von 2021 zu einem ganz ähnlichen AfD-Antrag.

Und zu den Freien Wählern: Es ist an Ironie schon nicht mehr zu überbieten, hier ständig das Motto „Verbote verbieten“ vor sich herzutragen und dann - siehe da - ein Verbot zu fordern.

Aber nun mal konkret: Darf man Sprache eigentlich verbieten?

Das Bundesverfassungsgericht hat 2004 klargestellt, dass Sprache unter das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit fällt. Sehr richtig, oder möchten Sie tatsächlich jemandem den Mund verbieten, nur weil Sie es nicht schön finden? Umgekehrt kann man Menschen auch nicht zwingen auf eine bestimmte Weise zu sprechen. Verbieten können sie: strafrechtlich Relevantes, sonst nichts. Ob sie aber Studenten, Student*innen oder Studierende sagen, ihr Ding. Stattdessen gibt es eine gesellschaftliche Debatte darüber, was sinnvoll ist, um Menschen nicht auszugrenzen und sich präzise und unmissverständlich auszudrücken. Mit anderen Worten: Wer gendern möchte, darf das. Wer nicht, darf das auch. Aber niemand bekommt eine bestimmte Sprechweise vorgeschrieben. Eigentlich ganz einfach.

Ihrem Antrag liegt aber der Trugschluss zu Grunde, dass wir nur ein für allemal klären müssten, was richtig und was falsch ist. Man kann es aber nicht oft genug sagen: Sprache entwickelt sich weiter. Nicht der Duden legt fest, was richtig ist, sondern die Sprachgemeinschaft, also wir alle. Der Duden beobachtet den Sprachwandel, sortiert Überholtes aus und nimmt neue Wörter oder Regeln auf – je nachdem, was sich durchsetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat auch klargestellt, dass lediglich im Bereich der Leistungsbewertung in der Schule eine Regulierung von Sprache zulässig ist. Außerdem in engen Bereichen der Verwaltung. Daher legt der Duden als Teil des Rechtschreibrats – also im Einklang mit allen deutschsprachigen Ländern – das amtliche Regelwerk fest.

Und hier ist mir eine Korrektur besonders wichtig, die eigentlich schon bei unserer letzten Debatte nötig gewesen wäre: Die damalige Bildungsministerin sagte da, dass man "nichts verbieten müsse, was gar nicht erlaubt ist." Mit Verlaub, das stimmt so nicht. Und das kann ich ihnen so genau sagen, weil ich gestern mit der Duden-Chefredaktion telefoniert habe: Sonderzeichen zum Gendern sind nicht verboten. Sie sind schlicht noch nicht geregelt. Aber „nicht geregelt“ ist etwas ganz anderes als „falsch“. Wenn sie also die Duden-Sprachberatung anrufen, bekommen Sie genau diese Info: nicht geregelt, aber auch kein Fehler.

Der Rechtschreibrat sagt dazu, dass das Thema sich in unserer Sprachgemeinschaft noch entwickele und daher noch keine Empfehlung möglich sei. Er beobachtet das weiter. Neu ist aber, dass der Rechtschreibrat im Dezember 2023 Sonderzeichen ins amtliche Regelwerk aufgenommen hat, denn vorher tauchten sie da gar nicht auf. Kein Stern, kein Unterstrich, aber auch kein Prozentzeichen, kein Paragraph, kein Hashtag. Dabei würde wohl niemand auf die Idee kommen, ein Prozentzeichen als Fehler anzustreichen. Ich hoffe der Rechtschreibrat geht bald den nächsten Schritt und spricht eine einheitliche Empfehlung fürs Gendern aus, einfach um dem Zeichensalat ein Ende zu bereiten. Und wenn Sie die Duden-Sprachberatung um eine Empfehlung für eine Form bitten, die nicht nur Männer und Frauen anspricht, weist sie darauf hin, dass der Stern am weitesten verbreitet ist und am geeignetsten scheint. Als Platzhalterzeichen für verschiedene Inhalte passt er gut zur Vielfalt der Geschlechter. Der Doppelpunkt ist missverständlich, weil er bereits eine feste Bedeutung im Sprachsystem hat und außerdem auch ein binäres Symbol ist. Entstanden als barrierearme Alternative für Vorleseprogramme, hat er seinen Vorteil inzwischen verloren, weil die Programme nachjustiert wurden.

Und was heißt das nun für Schulen und Verwaltung, die sich ja am amtlichen Regelwerk orientieren? Der Duden empfiehlt eine Toleranz im Umgang mit diesen Schreibweisen. Lehrkräfte können Schüler*innen, darauf hinweisen, dass Genderzeichen momentan noch nicht im amtlichen Regelwerk geregelt sind, sie aber nicht als Fehler anstreichen. Verwaltungen und Hochschulen geben häufig Empfehlungen oder Leitfäden für ihre Mitarbeitenden heraus. Um das noch mal klar zu sagen, niemand wird zum Stern gezwungen. Wer einen vermeintlichen Genderzwang herbeifabuliert, gleichzeitig aber Sprachverbote will, der entlarvt sich selbst. Und nein, Sie sind auch nicht die Hüter*innen der sprachlichen Korrektheit, denn Sprache ändert sich seit jeher und wir haben mit Duden und Rechtschreibrat bewährte Institutionen, die dies beobachten und dokumentieren. Da sollten wir nicht politisch eingreifen. In Berlin scheitere ein Vater, der der Schule seiner Kinder das Gendern verbieten wollte vor Gericht. Das Volksbegehren in Baden-Württemberg wurde gerade als unzulässig eingestuft.

Und denken Sie das mal bitte zu Ende: Wie wollen sie ein Genderverbot durchsetzen? Mikros im Klassenzimmer? Abhör- und Geheimdienstmethoden? Geldstrafe oder Gefängnis?

Ich glaube damit ist alles gesagt. Wir lehnen den Antrag ab.

Weiterführende Informationen

Rede zu: Antrag "Gerecht statt Gender: Verwirrung beim Sprachgebrauch in Schulen, Hochschulen und öffentlichen Verwaltungen in Brandenburg ein Ende setzen - Korrekten Sprachgebrauch durchsetzen" (TOP 9 der 99. Plenarsitzung)