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Marie Schäffer spricht zu: Gesetz über die Einrichtung einer*eines Polizeibeauftragten

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Polizei spielt als Trägerin des Gewaltmonopols eine essenzielle und sehr sensible Rolle in unserer Gesellschaft. Sie ist damit nicht nur Hüterin der Sicherheit für uns alle im Alltag, sondern gleichzeitig Hüterin des Grundgesetzes und der Menschenwürde in einem ganz praktischen Sinne. Dieser enormen Aufgabe stellen sich die Polizistinnen und Polizisten dieses Landes jeden Tag und ganz überwiegend mit großem Verantwortungsbewusstsein. Dafür gebühren ihnen aller Dank und alle Achtung der Gesellschaft.

(Beifall)

Aufgrund dieser sensiblen Stellung sind hier Verantwortlichkeit, Transparenz und Offenheit für stetige Verbesserung besonders wichtig - mehr noch als in allen anderen Behörden.

Die ständige Konfrontation mit Gefahrensituationen, mit den verschiedensten Problemen unserer Gesellschaft und leider immer wieder auch mit Gewalt gegen Einsatzkräfte befördert ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und stärkere hierarchische Strukturen als anderswo. Das kann leider auch dazu führen, dass Transparenz und Offenheit für Veränderungen mit größeren Widerständen zu kämpfen haben, als es anderswo der Fall ist.

Wir alle kennen die Meldungen über rechtsextreme Chatgruppen in unseren Sicherheitsbehörden, die in den letzten Monaten und Jahren aufgeflogen sind; wir kennen auch die immer wieder zirkulierenden Bilder von Einsätzen bei Demonstrationen, die oft aus dem Zusammenhang gerissen sind, manchmal einen falschen Eindruck vermitteln, aber auch immer wieder ernsthafte Fragen nach der Verhältnismäßigkeit von Einsätzen aufwerfen. Ich weiß von erfahrenen Anwälten, die von Anzeigen bei Verdachtsfällen auf unrechtmäßige Polizeigewalt abraten, weil die Aussichten auf Erfolg sehr gering sind und die Wahrscheinlichkeit einer Anzeige in die Gegenrichtung hoch ist. Zwischen einzelnen Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei als Vertreterin der Staatsmacht bei Konflikten kann per definitionem keine Waffengleichheit herrschen.

Deshalb ist es wichtig, eine neutrale Stelle zu haben, die für Bürgerinnen und Bürger, für Polizistinnen und Polizisten, die eine neutrale externe Ansprechstelle haben möchten, und auch für uns im Landtag ansprechbar ist; eine Stelle, die versucht, Verständnis, Transparenz und stetige Verbesserung zu befördern. Deshalb hat sich die Koalition darauf geeinigt und im Koalitionsvertrag festgehalten , eine unabhängige Polizeibeauftragtenstelle einzurichten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, sehr geehrter Herr Büttner, wie Sie wissen, arbeiten die Koalitionsfraktionen mit Hochdruck daran, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Nun ist es das Privileg der Opposition, ein paar Prüfschleifen und interne Abstimmungsprozesse weniger durchlaufen zu müssen. Daher kann ich Ihnen an dieser Stelle erst einmal nur gratulieren: Sie waren schneller als wir.

Da der gemeinsame Arbeitsprozess der Koalition noch nicht abgeschlossen ist - nein, Herr Stefke, nicht aufgrund irgendwelcher klemmender Sägen, sondern aufgrund der Komplexität der Materie und weil wir sehr ernsthaft und konstruktiv miteinander diskutieren-, müssen wir Ihren Gesetzentwurf heute erst einmal ablehnen. Wir tun dies nicht, weil das Thema für uns unwichtig wäre oder wir Ihre Vorschläge nicht für diskussionswürdig hielten, sondern weil wir einfach leider noch nicht so weit sind. Ich hoffe aber, dass wir sehr bald unseren eigenen Vorschlag vorlegen können, und lade Sie ganz herzlich ein, Ihre Vorstellungen dann noch einmal einzubringen, damit wir das Thema hier im Landtag gemeinsam umfänglich diskutieren und die beste Lösung für eine unabhängige Polizeibeauftragtenstelle finden können.

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Johlige? Frau Schäffer (890/GRÜNE): V Natürlich. Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Frau Johlige, bitte schön.

Frau Johlige (DIE LINKE): Herzlichen Dank, Frau Schäffer, dass Sie die Frage zulassen. Ich habe den Rednerinnen und Rednern der Koalition jetzt intensiv zugehört und nicht ein einziges fachliches Argument gegen den Gesetzentwurf gehört. Es entsteht daher der Eindruck, dass der einzige Grund für die Ablehnung und die Nichtüberweisung ist, dass der Antrag nicht von der Koalition kommt.

Ich bitte Sie, uns einfach einmal zu sagen, was diesen Gesetzentwurf fachlich ablehnenswert macht oder warum er es nicht einmal wert ist, an die Ausschüsse überwiesen und dort diskutiert zu werden.

Frau Schäffer (890/GRÜNE): Vielen Dank für die Frage. Ich kann mich nur wiederholen: Wir befinden uns da in einem sehr guten Abstimmungsprozess innerhalb der Koalition und werden einen eigenen Vorschlag vorlegen. Ich glaube, es ist gut, dass wir dann gemeinsam hier im Landtag darüber diskutieren, in einem ausführlichen, offenen Prozess, wenn alle Vorschläge von allen Seiten vorliegen, und wir dann schauen können, was die beste Lösung ist und wie genau die Regelung aussehen soll.

Dann werden wir natürlich über die Details, die genauen Rechte diskutieren, die mit dieser Stelle verbunden sein sollen, über die genauen Modalitäten, wer sich mit welchen Anliegen an diese Stelle wenden kann. Aber ich glaube, das sollte dann passieren, wenn alle Vorschläge auf dem Tisch liegen.

Eigentlich war ich gerade schon fast am Ende meiner Rede. Ich schließe damit. Ich glaube, wir werden am Ende einen ziemlich breiten Konsens zu diesem Thema erzielen können, weil wir eine gemeinsame Zielrichtung haben. Ich freue mich deshalb auf die kommenden Debatten dazu. - Vielen Dank.