- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauerinnen und Zuschauer,
Lassen Sie uns über die Verkehrswende reden, und warum wir sie brauchen!
Wir brauchen sie aus ökologischen und klimapolitischen Gründen: Während die CO2-Emissionen in anderen Sektoren sinken, sind sie im Verkehrssektor in Deutschland seit 1990 weitgehend stabil, in Brandenburg sogar deutlich gestiegen. Wenn wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz ernst nehmen, müssen wir die Verkehrswende entschlossen angehen. Der motorisierte Individualverkehr verursacht hohe soziale Kosten. Verkehrsunfälle sind immer noch Todesursache Nummer 1 junger Menschen. Die Verkehrswende soll also auch dazu führen, dass weniger Unfälle, Verletzte und Tote zu beklagen sind.
Es gibt weitere soziale Gründe für die Verkehrswende: Ist man zu jung zu alt, gesundheitlich, gesundheitlich eingeschränkt ist die Nutzung eines Autos oder Motorrads oft ausgeschlossen. Und es gibt auch einen Zusammenhang zwischen dem Einkommen und dem motorisierten Individualverkehr. Man muss sich Fahrschule und den Führerscheinerwerb finanziell erstmal leisten können, das gilt umso mehr für ein Fahrzeug. Deshalb brauchen wir die Verkehrswende für einen guten öffentlichen Verkehr als Daseinsvorsorge! Die Verkehrswende ist schließlich notwendig aus ökonomischen Gründen: Viele Kosten des Verkehrs werden nicht durch die Verursachenden, sondern durch die Allgemeinheit getragen. Auch der Blick auf Kosten und Nutzen der verschiedenen Verkehrsträger ist erhellend: Der Autoverkehr verursacht bei den Kommunen dreimal so hohe Kosten wie der ÖPNV. Auch zeigen Berechnungen, dass jeder mit dem Fahrrad zurückgelegte Kilometereinen volkswirtschaftlichen Nutzen von 30Cent erzeugt, jeder mit dem Auto zurückgelegte km dagegen volkswirtschaftliche Kosten von 20 Cent verursacht. Nicht zuletzt blockiert der sogenannte stehende Verkehr die wertvollsten Flächen in den Gemeinden. Die Verkehrswende, liebe Kolleginnen und Kollegen, verschafft uns also eine saubere Umwelt und weniger Klimaerhitzung, mehr soziale Teilhabe und weniger Unfälle, und macht uns schließlich alle ein bisschen reicher. Das vorliegende Gesetz gießt die Verkehrswende jetzt in einen rechtlichen Rahmen: Die Klimaneutralität bis spätestens 2045 wird gesetzlich verankert. Das Ziel, dass bis 2030 60 Prozent der Wege in Brandenburg mit dem Umweltverbund, also zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn zurückgelegt werden, erhält mit der Verabschiedung dieses Gesetzes ebenfalls Gesetzescharakter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz ist die Verkehrswende kein geäußerter Wunsch mehr, sondern über diese Zahlen gesetzliches Ziel!! Aber, aber werden jetzt manche sagen, Ziele sind das eine. Enthält das Gesetz denn auch Maßnahmen? Die Antwort ist: Ja, und zwar nicht wenige! Mit dem vorliegenden Gesetz wird zum Beispiel der Landesstraßenbedarfsplan ersatzlos gestrichen. Mit anderen Worten, alle Neubauplanungen von Landesstraßen sind damit Geschichte. Das ist nicht nur verkehrspolitisch, sondern auch finanzpolitisch richtig, denn wir wissen, dass das Geld bereits knapp ist, um die vorhandenen Landesstraßen in einem guten Zustand zu halten. Diese Situation würde durch weiteren Neubau nur verschlimmert. Darüber hinaus herrscht nun für betroffene Kommunen endlich Klarheit. Ich will das Beispiel Falkensee nennen. Die Planungen Falkensees wurden durch die im Landesstraßenbedarfsplan verankerte Ortsumfahrung blockiert. Falkensee muss bisher immer noch davon ausgehen, dass die Ortsumfahrung kommt. Nach Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes, ist das nicht mehr der Fall. Die Planungen der Ortsumfahrung sind dann Geschichte und Falkensee kann die Flächen wieder anders beplanen. Und das ist gut so! Die zweite wichtige Maßnahme im Gesetz ist ein landesweites Netz von Bus und Bahn. Es ist ja so, dass das Land für den Regionalverkehr auf der Schiene und die Landkreise und kreisfreien Städte für den Busverkehr zuständig sind. Und ich sage immer: Wenn man die Brandenburgkarte nimmt und alle Buslinien einzeichnet, erkennt man die Kreisgrenzen. Und auch die Verknüpfung zwischen Bus und Bahn ist, nun ja, sagen wir mal: nicht immer optimal. Deshalb sollen die Planungen besser miteinander verzahnt werden, damit im Ergebnis ein landesweites Netz mit guten Umsteigemöglichkeiten entsteht.
Mit diesem Gesetz sollen also Grenzen zwischen den Zuständigkeiten verschwimmen, nicht bei den Zuständigen – die sollen nur besser die zusammenarbeiten –, aber für die Nutzer*innen sollen die Grenzen fallen. Ähnliches soll auch für den Radverkehr gelten. Auch dort soll ein landesweites Netz entstehen. Stellen Sie sich vor, dass alle Radwege, ob gemeindliche, kreisliche oder an Landes- oder Bundesstraßen an einem Ort erfasst sind, mit oder Bundesstraßen an einem Ort erfasst sind, mit Alter und Zustand. So lassen sich Lücken schneller erkennen und auch die Stellen, wo ein zusätzlicher Radweg den größten zusätzlichen Nutzen schaffen kann. So können die Mittel für den Radwegebau möglichst effizient eingesetzt werden. Das ist auch wichtig, denn bereits eine kleine Radwegelücke auf einer gewünschten Distanz, kann davon abhalten, das Rad zu nutzen. Der ADFC hat Anfang dieser Woche ein landesweites Radnetz vorgestellt, welches als Schablone dienen kann. Dafür danke! Außerdem stellen wir im Straßengesetz klar, dass Radwege Straßen gleichgestellt sind, womit sie auch unabhängig von Autostraßen geführt werden können. Außerdem wird klargestellt, dass das Land für Radschnellverbindungen zuständig ist. Also auch für den Radverkehr enthält das Mobilitätsgesetz ein umfassendes Maßnahmenpaket, dass uns viele Schritte, oder vielleicht besser: viele Umdrehungen voran voranbringen wird! Das sind alles Punkte, die standen bereits im Gesetzentwurf, der aus dem Kabinett kam –aber wir verbessern den Gesetzentwurf mit dem in der Beschlussempfehlung enthaltenen Änderungsantrag noch weiter. Mit diesem Änderungsantrag verankern wir die Angebotsorientierung und den Integrierten Taktfahrplan in der ÖPNV-Planung. Damit wird in Zukunft nicht mehr pfadabhängig vorgegangen und gefragt: In welchem Bus sitzen wann wie viele Fahrgäste und brauchen wir deshalb mehr oder weniger Busse? In Zukunft wird stattdessen die Frage beantwortet: wie muss das Angebot aussehen, damit es so attraktiv ist, dass die Menschen es annehmen und zu ÖPNV-Fahrgästen werden! Wir kennen das im Grunde vom Schienenverkehr und auch von den PlusBussen –da gibt es feste Takte und Kriterien. Das wird jetzt auf den gesamten ÖPNV übertragen. Angebotsorientierte Planung, einer der Kernforderungen in der Diskussion, wird jetzt endlich Planungsgrundlage.
Wir haben außerdem die vielen Finanzvorbehalte aus dem Gesetzentwurf gestrichen und dafür eine Generalklausel eingeführt, wie man sie aus anderen Fachgesetzen kennt. Außerdem haben wir das Bekenntnis zum Ausbau des ÖPNV, das Ziel der einheitlichen Qualitätsniveaus bei den Radwegen und die geeigneten Strukturen zur Unterstützung der Kommunen wieder in das Gesetz übernommen. Der ohnehin gute Gesetzentwurf wird durch den Änderungsantrag so richtig rund. Und weil uns der gute Gesetzentwurf mit dem ihn verbessernden Änderungsantrag noch nicht gereicht hat, haben wir Ihnen auch noch einen begleitenden Entschließungsantrag mit 4 Punkten vorgelegt. Wir wollen erstens gutachterlich prüfen lassen, wie und mit welchen Folgen wir das ÖPNVG in das Mobilitätsgesetz integrieren können. Das Ergebnis soll noch innerhalb dieser Legislaturperiode vorliegen, so dass bei der nächsten Regierungsbildung entschieden werden kann, wie mit dem Ergebnis umgegangen werden soll. Zweitens soll in einem nächsten Schritt geschaut werden, ob und wie auch ein Abschnitt zum Güterverkehr in das Mobilitätsgesetz aufgenommen werden könnte. Drittens soll das landesweite ÖPNV Netz hinsichtlich Netzhierarchie und Taktknoten bereits Ende 2024 vorliegen. Und schließlich soll ein Bündnis für soll ein Bündnis für Mobilität etabliert werden, um die guten Erfahrungen mit dem Dialogverfahren zu verstetigen. Das kennen wir ja auch aus anderen Bereichen, wie dem Bündnis für Wohnen oder dem Bündnis für Arbeit. Damit liegt mit einem Gesetzentwurf, einem Änderungsantrag und einem begleitenden Entschließungsantrag ein Gesamtpaket vor, mit dem wir uns an die Spitze der Flächenländer setzen.
Mit diesem Gesamtpaket geht ein Prozess zu Ende, der Ende 2017 begann und den ich in verschiedensten Rollen begleitet habe, zunächst als Ideengeber für die Volksinitiative, dann als Landesvorsitzender BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sammelprozess, und schließlich als verkehrspolitischer Sprecher hier im Landtag beim Aushandeln des Dialogprozesses und der nun vorliegenden Anträge. Deswegen, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe richtig gute Laune und werde heute noch ein Glas Sekt trinken. Für mich persönlich ist das ein kleiner Höhepunkt dieser Legislatur.
Aber auch viele andere haben heute gute Laune, und viel wichtiger: vielen anderen gebührt am Ende dieses Prozesses ausführlicher Dank. Da sind vor allem die Ehrenamtlichen aus den beteiligten Verbänden: VCD, ADFC, BUND, Argus Potsdam e.V., Brandstuve, BUNDjugend, Grüne Liga, GdL und EVG, Greenpeace, VDV, potsdam autofrei, Deutsche Bahnkundenverband, changing cities, Fridays for future und inzwischen auch das Umweltbüro der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz. Das war nicht immer einfach, manchmal ernüchternd und frustrierend und nicht vergnügungssteuerpflichtig, aber Sie haben durchgehalten und für dieses tolle Gesamtpaket argumentiert, argumentiert und argumentiert. Und besonderer Dank gilt Anja Hänel, der Landesgeschäftsführerin des VCD, die diesen ganzen Laden zusammengehalten hat! Danke! Dank gilt aber auch allen, allen, die die im Ministerium für Infrastruktur und im Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung mitgewirkt haben, die erstmalig einen solchen Prozess mitgemacht haben. Auch für Sie war das kein einfacher Prozess. Dafür möchte ich neben Guido Beermann auch insbesondere Frau Klebe danken, die auf der Ministeriumsseite die Fäden zusammengehalten hat und immer ansprechbar war! Darüber hinaus möchte ich mich bei Frau Lenz bedanken, die das Dialogverfahren moderiert hat, meinen verkehrspolitischen Kolleginnen Britta Kornmesser und Nicole Walter-Mund, die mit mir die Diskussionen koalitionsintern geführt haben, und allen hier im Hause, die damals in der Coronazeit die Fristen für Volksinitiativen verlängert haben. Alle haben dazu beigetragen, dass wir hier ein Gesamtpaket vorliegen haben, dem nicht nur die Koalitionsfraktionen und das Verkehrsministerium zustimmen, sondern auch das Bündnis hinter der Volksinitiative einstimmig (!) zugestimmt hat. Ich freue mich, dass auch die Linksfraktion zustimmen will. Vielleicht geben sich BVB/Freie Wähler ja auch noch einen Ruck. Ich bitte um Zustimmung zum Gesetzentwurf, der Beschlussempfehlung und dem EA.
Und zu einer fortwährenden positiven Begleitung der Verkehrswende. Wir brauchen Sie. Vielen Dank!