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Rede im Landtag: Nutzen und Risiken beim Verfassungstreuecheck sind sorgfältig abzuwägen

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Liebe Kolleg*innen, liebe Gäste,

Eine Beamtin oder ein Beamter stellt das menschliche Gesicht dar, das Bürgerinnen und Bürgern begegnet, wenn sie mit dem Staat interagieren. Der „Staat“ unterschreibt keine Bescheide, das machen Menschen. Der Staat persönlich erteilt keine Platzverweise, spricht keine Urteile und unterrichtet nicht unsere Kinder.

Beamt*innen sind die Repräsentant*innen des Staates. Sie handeln im Auftrag des Staates. Daher stehen sie in einem besonderen Treueverhältnis zu ihrem Dienstherrn, welches in Bezug auf das Mäßigungsgebot bis ins Private reichen kann. Sie haben Gewähr dafür zu bieten, dass sie wie es in § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Beamtenstatusgesetzes und in § 3 Abs. 1 LBG heißt, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und für die Verfassung des Landes Brandenburg eintreten.

Leider gibt es bundesweit immer wieder Fälle, in denen diese Gewähr nicht jederzeit geboten werden konnte.

Als besonders extremes Beispiel seien nur genannt Fälle wie Franco A. oder der Gruppe Nordkreuz, einer rechtsextremen Gruppe, in der sich Polizisten aus MV befanden, die sich auf den Tag X, den Zusammenbruch des Staates vorbereitet und die Tötung von politischen Gegnern geplant haben sollen. Es gibt somit beunruhigende Anzeichen, dass aus dem rechtsextremen Spektrum gezielt versucht wird, den öffentlichen Dienst und insbesondere die Sicherheitsbehörden zu unterwandern.

In diesen und vielen anderen Fällen waren Rechtsextremisten bereits als Beamte, als Staatsdiener tätig. In solchen Fällen kann das Dienstrecht helfen, um im äußersten Falle eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zu erreichen. Jedoch sind einer Entfernung aus dem Dienst zurecht hohe Hürden gesetzt.

Es stellt sich die Frage, wäre es nicht besser, dass erklärte Verfassungsfeinde gar nicht erst verbeamtet würden? Die Antwort ist ja. In diesem Ziel sind sich denke ich fast alle hier im Landtag einig.

Das Ziel, die Sicherstellung der Verfassungstreue der Beamt*innen und Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Verwaltung, ist richtig und wichtig. Denn das Funktionieren unserer Institutionen hängt einzig und allein davon ab, dass die Menschen ihnen vertrauen können und daran glauben, dass alle fair und gleich behandelt werden. Dieses wichtige Gut muss mit aller Kraft geschützt werden.

Diese Überzeugung lag dem Beschluss 7/1817-B zum Antrag mit dem Titel „Den gesamtgesellschaftlichen Kampf gegen den Rechtsextremismus konsequent fortsetzen!“ zugrunde, den wir hier im Plenum am 27. August 2020 auf Antrag aller demokratischen Fraktionen gefasst haben, und der sich neben vielen anderen Punkten dafür ausspricht, nach Wegen zu suchen, um den öffentlichen Dienst vor Verfassungsfeinden zu schützen.

In Ziffer 10 des Beschlusses wird der Rahmen wie folgt beschrieben: „Der Beschluss der Innenministerkonferenz vom Dezember 2019, wonach die Länder eigene Maßnahmen und Bekämpfungsansätze entwickeln können, um etwaigen extremistischen Tendenzen im Öffentlichen Dienst zu begegnen und deren Entstehung vorzubeugen, wird grundsätzlich begrüßt. Im Rahmen dessen ist zu prüfen, wie eine Zuverlässigkeitsüberprüfung von Bewerberinnen und Bewerbern sowohl vor einer Einstellung im Öffentlichen Dienstes des Landes Brandenburg als auch anlassbezogen während des dienstlichen Werdegangs erfolgen könnte und wie die Rechtsgrundlagen dafür anzupassen wären. Werden extremistische Tendenzen festgestellt, müssen grundsätzlich alle möglichen dienstrechtlichen Maßnahmen ausgeschöpft werden, um Schaden am Vertrauen in den Öffentlichen Dienst abzuwenden.“

Ich bin dem Innenminister daher sehr dankbar, dass er nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt hat, mit einem konkreten Vorschlag, wie man sich diesem Ziel nähern kann.

Nun ist es an uns im Landtag, diesen Ball aufzunehmen, und ich freue mich auf eine intensive und offene Debatte, insbesondere mit allen damals antragstellenden Fraktionen. Denn jeder Eingriff in die Voraussetzungen für eine Verbeamtung ist quasi eine Operation am offenen Herzen des Staates. Die bisherige öffentliche Debatte hat dies sehr deutlich gemacht. Hier ist es nun an uns, uns damit sehr ernsthaft auseinanderzusetzen und zwischen Nutzen und Risiken abzuwägen.

Für uns Bündnisgrüne ist neben der Frage der Wirksamkeit dieses Instruments zur frühzeitigen Erkennung von Verfassungsfeinden die wichtigste Frage in dieser Debatte, wie ein abschreckender Effekt auf legitimes politisches Engagement durch solch eine Regelung verhindert werden kann.

Menschen müssen sich ausprobieren können, sich politisch engagieren können – auch abseits einer „politischen Mitte“ - ohne Angst zu haben, dabei eine womöglich angestrebte Karriere im öffentlichen Dienst zu gefährden.

Nun könnte man es sich einfach machen und sagen „bei allem, was sich innerhalb der freiheitlich demokratischen Grundordnung bewegt, braucht man sich keine Sorgen machen“. Das Problem dabei ist, dass von außen nicht immer nachvollzogen oder vorhergesagt werden kann, wie ein Verein oder eine politische Strömung vom Verfassungsschutz eingestuft wird, da dieser nun einmal zum großen Teil im Verborgenen arbeitet. Es ist für „Normalbürgerinnen und -bürger“ nicht unbedingt klar, welche insbesondere sich neuformierenden Gruppierungen in der Behörde bearbeitet und welche Sachverhalte aufgrund welcher Rechtsgrundlage unter welchen Voraussetzungen beim Verfassungsschutz gespeichert werden.

Die Unsicherheit, die daraus entsteht, dass eben nur begrenzt bekannt ist, wie die Behörde zu einer Bewertung kommt, kann Gesellschaftlich dazu führen, lieber zu vorsichtig zu sein, als spätere negative Konsequenzen zu befürchten. Soweit dies Menschen davon abhält, sich Verfassungsfeindlich zu engagieren ist dies sicherlich gewollt. Aber soweit es dazu führt, dass auch legitime Meinungsäußerungen und Engagement aus Angst unterbleiben, wäre dies fatal.

Wichtig ist mir an dieser Stelle zu betonen, dass dieser Effekt eintreten kann selbst dann, wenn alle beteiligten Behörden ihre Arbeit korrekt machen. Ich habe den Verfassungsschutz Brandenburg an anderer Stelle schon öffentlich gelobt und tue das gerne hier wieder. Er erfüllt seine Funktion als Frühwarnsystem für die Demokratie und hält sich dabei selbstverständlich an die geltenden Gesetze.

Es ist wichtig, sich in dieser Debatte klar zu machen, dass die Verfassungsschutzbehörden im Vergleich zur Zeit der Radikalenerlasse einem ganz anderen Maß an Kontrolle durch Parlamente und Gerichte unterliegen und an einem sehr viel höheren Standard für die Begründung von Einstufungen und Maßnahmen gemessen werden.

Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass aus einem Mangel an Information über die Arbeitsweise der beschriebene Gesellschaftliche Abschreckungseffekt entsteht. Auch zur damaligen Zeit waren die tatsächlich verhängten Berufsverbote nur ein kleinerer Teil des Problems im Vergleich zur weit verbreiteten Verunsicherung bei sehr vielen Menschen, die dadurch indirekt betroffen waren.

Diese und weitere Fragen, wie z. B. zur Transparenz gegenüber Betroffenen und dem Parlament, zu den in die Regelanfrage einzubeziehenden Gruppen und zur Effektivität werden wir im Ausschuss diskutieren. Gerade der enge Austausch mit den Gewerkschaften wird hier, denke ich, wichtig werden.

Ich glaube, dass es in dieser Debatte auf beiden Seiten sehr gute Argumente gibt und es ist gut, dass wir die Gelegenheit nutzen, uns ausführlich mit dem Thema Extremismus im Öffentlichen Dienst zu beschäftigen. Denn das Vertrauen in unseren Staat und seine Institutionen ist unbedingt vor den Angriffen derer zu schützen, die die Grundlagen unseres friedlichen Zusammenlebens in Frage stellen.

Vielen Dank

Weiterführende Informationen

Rede zu: Gesetzentwurf "Gesetz zur Verbesserung des Schutzes des Berufsbeamtentums in Brandenburg vor Verfassungsgegnern" (TOP 7 der 72. Plenarsitzung)