Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Heide Schinowsky spricht zur Aktuellen Stunde der SPD-Fraktion „Strukturentwicklung in der Lausitz gemeinsam mit den Menschen der Region gestalten“

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die AfD schafft es wieder einmal, alle Fakten auszublenden, die inzwischen international weitestgehend unumstritten sind, nämlich dass es den menschgemachten Klimawandel gibt, dass wir etwas dagegen tun müssen und dass es dafür jetzt höchste Zeit ist – weil: Die Zeit läuft uns davon.

Der Klimawandel nimmt zu – und wir schlendern hinterher. Und es ist leider auch ein Armutszeugnis für die Bundesregierung, dass das für heute angesetzte Startsignal für die Kohlekommission erneut vertagt wurde.

Ich denke oder hoffe, dass der Klimawandel, die ständig neuen dramatischen Meldungen dazu die meisten von uns Abgeordneten hier nicht unberührt lassen: Mich haben zuletzt die Meldungen geschockt, dass nun nachgewiesen ist, dass der Golfstrom ins Stocken gerät – das wird dramatische Auswirkungen auf das Klima in Europa haben. Und auch viele andere Nachrichten machen deutlich, dass und warum gehandelt werden muss: Inseln gehen unter; die Zahl der Klimaflüchtlinge nimmt weltweit drastisch zu. Bilder von verhungernden Eisbären, deren Lebensraum – die Arktis – verschwindet, sind kaum auszuhalten.

Aufgeatmet hatte ich zuletzt, als 2015 das Pariser Klimaabkommen verabschiedet wurde. Endlich klare, völkerrechtlich verbindliche Klimaschutzziele. Aber was ist seitdem passiert? Viel zu wenig. Deutschland und auch Brandenburg schlendern den völkerrechtlich verbindlichen Klimazielen hinterher – als hätten wir unbegrenzt Zeit, unsere klimaschädlichen Treibhausgas-Emissionen zu senken. Haben wir aber nicht!

Selbstverständlich müssen wir alles uns Mögliche dafür tun, den Ausstieg aus der Braunkohle so verträglich wie möglich zu gestalten und damit auch schnellstmöglich. Aber wir können eben nicht warten mit dem Kohleausstieg, bis 100 Prozent klar ist, wie es für die heute noch direkt und indirekt in der Braunkohle Beschäftigten weitergehen wird. Wir können nicht warten, bis auch die letzte technische Frage für den Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien beantwortet ist. Denn der Klimawandel wartet auch nicht – höchste Zeit, unseren Schritt endlich zu beschleunigen!

Noch mal zurück zur Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, kurz Kohlekommission genannt. Klar ist: Ohne das Pariser Abkommen gäbe es auch diese Kommission nicht. Mit dem Entschließungsantrag von SPD und Linken wird jedoch der Eindruck erweckt, als gäbe es diesen Zusammenhang überhaupt nicht!! Die Klimaziele werden nicht einmal erwähnt. Stattdessen wird nur schmallippig darauf hingewiesen, dass die Kohleverstromung endlich sei.

Da frage ich Sie: Warum erklären Sie den Menschen nicht, dass und und warum der Kohleausstieg notwendig ist? Akzeptanz für die Energiewende, für den Strukturwandel in der Lausitz wird nur dann wachsen, wenn es auch von Seiten der Landesregierung klare Aussagen zum Ziel und zur Notwendigkeit dieser großen Herausforderung gibt! Zu möglichen Maßnahmen zur Strukturwandel-Gestaltung, zur Koordinierung hat insbesondere Herr Homeyer heute schon viel Richtiges gesagt. Das will ich jetzt nicht noch mal im Einzelnen aufrufen. Auch wir Grüne haben hierzu umfassende Vorschläge vorgelegt.

Einen kleinen Hinweis möchte ich noch mal geben zur vor uns liegenden Herausforderung: Die Braunkohlewirtschaft ist eine wichtige Branche bei uns in der Lausitz. Aber wir sollten deren Bedeutung auch nicht überhöhen. Herr Loehr hatte auch schon darauf hingewiesen: Die Region hat deutlich mehr Industrie als der Rest Brandenburgs, was bei weitem nicht nur an der Kohle liegt. Gerade investiert Trevira in Guben und sucht die Papierfabrik Schwarze Pumpe per Anzeige nach Arbeitskräften für ihre Expansion. Auch BASF und Vestas hängen wohl kaum an der Kohle, genausowenig die Ernährungswirtschaft als starke Lausitzer Branche. Oder um es mit den Worten von Dr. Hubert Lerche zu sagen – er ist uns als BASF-Mann bekannt: Wir haben keinen Grund, auf den Kohleausstieg zu schauen, wie das Kaninchen auf die Schlange. Wir haben durchaus Kräfte, die da zum Einsatz kommen können.

Was ist jetzt zu tun? Die Landesregierung darf nicht länger nur als Bedenkenträger und Vorkämpfer für die Braunkohle agieren, denn damit verschärft sie die Verunsicherung in der Lausitz. In der Region ist längst bekannt, dass Veränderungen begonnen haben. Was wir jetzt dort wissen wollen ist, wohin die Reise geht. Anstatt ständig auf den Bund zu zeigen – wir brauchen dies, wir brauchen das – muss die Landesregierung jetzt endlich konzentriert handeln. Ein Sofortprogramm vom Bund zu fordern, ist wohlfeil – aber wo ist denn das Sofortprogramm der Landesregierung? Es braucht – Herr Homeyer hats angesprochen – eine ganzheitliche, regionale Strategie. Und davon sind wir weit entfernt.

Neben all den zum Teil schon angesprochenen Maßnahmen zur Strukturwandelgestaltung sind aus unserer Sicht jetzt vor allem zwei Punkte ganz besonders wichtig: Die Menschen müssen mitgenommen werden bei der Entwicklung einer Zukunftsperspektive. Der Leitbildprozess wurde angesprochen – ich hoffe, da tut sich bald noch mehr. Es müssen neue Ideen entwickelt werden.

Aber zuallererst braucht es eine klare Infooffensive der Landesregierung. Herr Holzschuher hat darauf hingewiesen: Die Probleme bei der Energiewende sind bekannt. Da gibt es noch so viele Fragezeichen; da gibt es auch viel, was schief läuft. Aber es liegen auch nicht wenige Antworten vor. Und dazu müssen wir ins Gespräch kommen. Seit einem Jahr gibt’s zum Beispiel die vom Wirtschaftsminister beauftragte Studie vom renommierten prognos-Institut vor. Und zwar inklusive Szenarien zum Kohleausstieg. Was ist damit bisher passiert? Nichts!!

Wir brauchen endlich einen Energiedialog! Wir müssen mit dem Brandenburgerinnen und Brandenburgern ins Gespräch kommen: Warum ist die Energiewende notwendig? Wie kann das funktionieren? Warum brauchen wir wie viel mehr Energie aus Wind und Sonne? Wie wollen wir den Strukturwandel gestalten? Es reicht eben nicht, auf die Kohlekommission zu warten! Die Landesregierung muss endlich handeln.

Vielen Dank!

>> Unser Entschließungsantrag dazu: "Landesregierung muss für Notwendigkeit des klimawandelbedingten Kohleaus-stiegs werben und ihre Aktivitäten zur Strukturwandelgestaltung in der Lausitz systematisch verstärken" (pdf-Datei)