Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Heiner Klemp spricht zum Gesetzentwurf von BVB/FW "Siebtes Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes"

Frau Vizepräsidentin! Werte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Ich bin schon froh, dass Sie nicht, wie in der vergangenen Wahlperiode, gleich fünf Gesetzentwürfe zum Kommunalabgabengesetz an einem Tag vorgelegt haben. Aber man mussja auch anerkennen, dass das KAG irgendwie die Existenzgrundlage für BVB / FREIE WÄHLER ist. Insofern ist das schon okay.

Aber es ist schon so: Gerade im kommunalen Bereich erleben wir zum Teil Verwaltungsgerichtsverfahren in großer Zahl, die sich auf ähnliche Sachverhalte beziehen - seien es Kitagebühren oder Anschluss- und Erschließungsbeiträge. Der Antrag der Fraktion BVB / FREIE WÄHLER nimmt sich eines Teils des Problems an und versucht, mit einer neuen Regelung im Kommunalabgabengesetz der Prozessflut Herr zu werden und Musterprozesse zu ermöglichen. Das wird hier ausdrücklich anerkannt.

Allerdings hat sich der Landtag über die verschiedenen Wahlperioden hinweg immer wieder dieses Themas angenommen, sich bisher aber noch nicht zu einer Regelung durchringen können.

(Dr. Zeschmann [BVB/FW]: Dann wird es Zeit!)

Auch die Koalitionsfraktionen haben das Problem im Blick. Frau Johlige hat gerade dankenswerterweise aus dem Koalitionsvertrag zitiert; das hatte ich auch vor. Nun mussich es nicht wiederholen.

Musterverfahren sind möglicherweise ein Weg, effizient mit den Ressourcen der Gerichte und Verwaltungen umzugehen und für gleichartige Fragestellungen ein hohes Maß an Einheitlichkeit in der Rechtsprechung zu fördern. Aber lassen sich gleichartige Fragestellungen überhaupt sauber abgrenzen, oder führen wir dann in Zukunft Prozesse darüber, ob wir Musterprozesse führen dürfen oder nicht? Ob der von den FREIEN WÄHLERN vorgeschlagene Weg der besteist, ist aus meiner Sicht offen.

Ich habe eine Seite meines Einkommenssteuerbescheids mitgebracht - keine Angst, ich langweile Sie nicht mit Zahlen. In dem Bescheid löst man das Problem, indem unten der Hinweis erscheint: "Die Festsetzung der Einkommensteuer ist gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung vorläufig hinsichtlich der Höhe der kindbezogenen Freibeträge usw. ... Sollte aufgrund einer diesbezüglichen Entscheidung des Gerichtshofs diese Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen. Ein Einspruchist daher insoweit nicht erforderlich."

Meine Damen und Herren, dasist genau der Unterschied: Bei dem Modell der FREIEN WÄHLER müssen alle Gebührenpflichtigen zunächst in den Widerspruch gehen, das heißt, sie müssen Kenntnis von dem Rechtsstreit haben - das wurde schon erwähnt und sich aufraffen, Widerspruch einzulegen. Tun Sie das nicht, profitieren sie auch nicht von einer späteren Gerichtsentscheidung. Das vorgeschlagene Modell der FREIEN WÄHLER entlastet zwar im besten Fall die Gerichte, stellt aber nur bedingt Rechtseinheitlichkeit her, da es einen Widerspruch voraussetzt.

Was meine Steuererklärung angeht, habe ich gar kein Problem mit der Höhe der Kinderfreibeträge. Ich weiß auch nicht, welche Prozesse diesbezüglich anhängig sind und habe keinen Einspruch eingelegt. Und doch würde ich profitieren, sollte höchstrichterlich festgestellt werden, dass die Freibeträge zu niedrig sind. Damit wird eine weit bessere Rechtseinheitlichkeit und -gerechtigkeit hergestellt als bei dem hier zur Abstimmung stehenden Modell der FREIEN WÄHLER. Ihr Vorschlag setzt voraus, dass in jedem Einzelfall ein Widerspruch eingelegt wird. Bei Betroffenen, die das nicht tun, werden nach wie vor Bescheide mit den rechtlich umstrittenen Festsetzungen rechtskräftig. Eine Rechtseinheitist insofern nicht hergestellt.

Vizepräsidentin Richstein: Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Derzeit nicht. Herr Vida hat ja gleich das Wort.

Meine Damen und Herren, es zeigt sich also, dass trotz Anerkennung des Problems Sinnhaftigkeit und konkrete Ausgestaltung noch im Detail zu diskutieren wären. Wie eingangs erwähnt hat sich die Koalition vorgenommen, das KAG zu prüfen und weiterzuentwickeln. Die Koalition ist gerade einmal 100 Tage im Amt. Es ist offensichtlich, dass die Prüfung noch nicht abgeschlossen sein kann. Es kann aber auch nicht sinnvoll sein, dieses Gesetz in vielen einzelnen kleinen Schritten anzupassen. Wir sollten hier Schnelligkeit nicht über Gründlichkeit stellen. Daher werden wir den Antrag von BVB / FREIE WÄHLER heute ablehnen. Lassen Sie uns aber die heute begonnene Diskussion zum gegebenen Zeitpunkt wieder aufnehmen.

- Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE und CDU)