- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Zuschauende,
Die dramatischen Bilder aus Afghanistan, die sich am und um den Flughafen Kabul abspielen, rauben mir den Schlaf. Sie lassen mich einfach nicht mehr los. Und so geht es angesichts dieser unfassbaren Tragödie nicht nur mir, wie ich den bisherigen Reden entnehme.
Nun kommt auch noch die Nachricht, dass es nur noch eine Frage von Stunden ist, bis die Bundeswehr ihre Luftbrücke einstellt. Die Zeit hat einfach hinten und vorne nicht gereicht, um die vielen bedrohten Menschen aus dem Land zu holen! Viel zu spät – viel zu spät! - wurde mit der Evakuierung begonnen. Was jetzt geschieht, ist das Ende einer langen Kette politischer Versäumnisse. Und immer klarer wird: Das war vorhersehbar!
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatte bereits im Juni den Antrag gestellt, alle Ortskräfte zügig in Sicherheit zu bringen. Doch das wurde abgelehnt. Eine folgenschwere Fehleinschätzung!
Ich muss es an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Hier liegt ein eklatantes Versagen der gesamten Bundesregierung vor! Nun schieben sich Außenminister, Verteidigungsministerin, Innenminister und Entwicklungsminister gegenseitig die Schuld hin und her.
Klar ist: Die deutsche Botschaft in Kabul hatte rechtzeitig und unmissverständlich gewarnt! Auch das Patenschaftsnetzwerk Afghanistan hat immer wieder auf die Situation aufmerksam gemacht. Für diese humanitäre Katastrophe trägt die gesamte Bundesregierung die Verantwortung!
Wir haben eine Verpflichtung gegenüber denjenigen, die die Bundeswehr als Ortskräfte, zum Beispiel in der Sprachmittlung im Fahrdienst, im Handwerk oder in der Küche, unterstützt haben. Sie gelten in den Augen der Taliban als Verräter*innen und befinden sich in akuter Lebensgefahr!
Das gilt auch für Menschen, die bei Subunternehmen beschäftigt waren oder deren Tätigkeit für die Bundeswehr schon länger zurückliegt.
An Leib und Leben bedroht sind auch alle Kritiker*innen der Taliban, die Menschen, die sich für ein freies und demokratisches Afghanistan eingesetzt haben sowie ihre Unterstützer*innen. Mitarbeitende von Hilfsorganisationen, Menschenrechtsaktivist*innen, Frauenrechtler*innen, Wissenschaftler*innen oder Medien- und Kunstschaffende.
Besonders für Frauen und Mädchen ist die Lage dramatisch. Wenn sich wiederholt, wie die Taliban von 1996 bis 2001 herrschten, dann heißt das für sie: Keine Bildung, keine Freiheit, keine Rechte, stattdessen körperliche Strafen, Misshandlungen, Gewalt!
Brandenburg bekennt sich zu seiner Verantwortung! Dazu legen wir als Koalitionsfraktionen heute einen Entschließungsantrag vor: „Brandenburg lässt die afghanischen Helferinnen und Helfer nicht im Stich!“. Das Land hat gegenüber dem Bund bereits die Aufnahme von 350 Menschen zusagt und stellt in Doberlug-Kirchhain die entsprechenden Kapazitäten bereit. Auch die Städte „Sicherer Häfen“ haben ihre Aufnahmebereitschaft erklärt.
Viele Menschen, darunter auch Familien, sind hier bereits eingetroffen. Die Geflüchteten müssen sofort einen sicheren Aufenthaltsstatus bekommen, ohne erst ein langes Asylverfahren durchlaufen zu müssen.
Und das soll auch für die Afghaninnen und Afghanen gelten, die bereits länger hier leben. Sie sollen endlich Sicherheit erhalten, eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis sowie eine Beschäftigungserlaubnis. Denn Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil für gelingende Integration und Teilhabe!
Es ist schade, dass wir im Antrag den Familiennachzug noch nicht verankern konnten. Es muss unerträglich sein, nicht zu wissen, wie es Familienangehörigen, Frauen, Müttern, Schwestern, Töchtern geht. Wir setzen uns weiter auf allen Ebenen für den Familiennachzug ein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Die Notlage in Afghanistan erfordert jetzt unser schnelles Handeln:
- So lange es noch geht, so viele Menschen wir möglich ausfliegen. Und Lösungen finden, um auch nach Ende der Luftbrücke auf zivilem Weg Menschen aus Afghanistan rauszuholen.
- Die Geretteten hier aufnehmen, ihnen Schutz und eine sichere Perspektive geben, sie willkommen heißen und in die Gesellschaft integrieren!
- Die humanitäre Not der Flüchtenden in der Region durch finanzielle Unterstützung der Nachbarländer und des UNHCR abfedern.
Das ist das Gebot der Stunde, das ist das Gebot der Menschlichkeit! Vielen Dank.