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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag „Bildungsauftrag erfüllen: Brandenburgs Schüler lernen richtig schreiben“

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede!

Dieser Antrag der CDU hat, verbunden mit der medialen Berichterstattung, eine gute Diskussion hervorgerufen: Es ist richtig, dass Eltern sich Gedanken machen, wie ihre Kinder Lesen und Schreiben lernen. Es ist richtig, dass sie hingucken und es ist zu begrüßen, dass sie mit den Lehrerinnen (Lehrer sind ja rar in der Primarstufe) darüber diskutieren, welche Lehrmethoden warum angewendet werden. Den Eltern dabei aber eine Wahlfreiheit zwischen Einzelmethoden zubilligen zu wollen, wie die FDP das in ihrem Entschließungsantrag vorschlägt, das hat mit Freiheit nichts zu tun, sondern ist nur noch absurd.

Obwohl wir die Debatte begrüßen, halten wir den vorliegenden Antrag nicht für zielführend: Erstens deshalb, weil es laut KMK-Beschluss unzulässig ist, die Ergebnisse von Vera 3 als Bundesvergleich auszuwerten. Außerdem nehmen gar nicht alle Länder am Orthografietest teil. Zweitens sind sich die Fachleute einig, dass es fachlich unsinnig ist, aus den Ergebnissen eines 30-minütigen Orthografietests und der Erhebung der in der jeweiligen Klasse angewandten methodisch-didaktischen Konzepte eine Kausalbeziehung herstellen zu wollen.

Drittens, und das ist z.B. in dem Konsenspapier der Professoren Bruegelmann & Eichler auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben angesichts der aktuellen Debatte gut dargestellt, kommt es für den Lernerfolg in erster Linie auf die Persönlichkeit des Lehrers bzw. der Lehrerin an und deren individuelle Fähigkeiten, Für und Wider einzelner Methoden zu kennen und je nach den individuellen Bedürfnissen der Schüler zwischen ihnen zu variieren. Wer glaubt, ein guter Lehrer sei jemand, der nach kleinteilig ihm vorgeschriebenen Methodenrastern unterrichte, der irrt.

Und viertens ist der Antrag deshalb unsinnig, weil sich die pädagogischen Lehrmethoden, die an den einzelnen Grundschulen zum Erlernen des Schreibens verwendet werden, gar nicht erfassen lassen. Auch das hat uns die Berichterstattung gelehrt: Nicht nur sind die Lehrerinnen frei in ihrer Methodenauswahl, sondern sie verbinden Elemente verschiedener Methoden in ihrem Unterricht. Es wird nicht die eine oder die andere Methode in Reinform unterrichtet, sondern die Lehrkräfte sind frei, sich bei unterschiedlichen Methoden zu bedienen und nutzen diese Freiheit auch. Wie soll das denn erfasst werden?

Gucken wir in das Musterland Finnland: Lehrerinnen und Lehrer genießen dort hohe Wertschätzung. Für ein Studium wird nur eineR von 10 BewerberInnen zugelassen. Sie verdienen schlechter als unsere Lehrerinnen.

In der ZEIT von letzter Woche war ein Interview zu lesen mit dem Leiter des Zentrums für Mobilität und Kooperation im finnischen Bildungsministerium, Pasi Sahlberg. Er berichtet von einer Umfrage unter Lehrern, was sie veranlassen würde, ihren Beruf aufzugeben: Geld spielte keine Rolle. Aber wenn ihre Autonomie eingeschränkt würde, dann würden sie ihren Beruf in Frage stellen. Wertschätzung und Respekt gegenüber dem Beruf, so sein Fazit, kämen aus der Verantwortung und aus den Freiheiten, die Lehrkräften in Finnland gegeben würden.

Naja, kann man sagen, dort ist eben alles anders. Wenn wir aber Wertschätzung von Lehrerinnen und Lehrern wollen (ich denke, das wäre bitter nötig!), dann erreichen wir die nicht durch eine solche Gängelung, indem wir kleinteilig in ihre Methodenauswahl eingreifen. Dann müssen wir ihnen schon etwas mehr Vertrauen entgegen bringen.

Wenn ich allerdings – wie unsere Landesregierung das unlängst im Rahmen der Novelle des Lehrerbildungsgesetzes getan hat – die Ausbildung für das Lehramt Primarstufe in der Anzahl der erforderlichen Credit-Points dem Lehramt für Sek I / Sek II angleiche, die Grundschul-Lehrkräfte aber weiterhin schlechter bezahle und mehr Stunden unterrichten lasse, dann erreiche ich damit – natürlich! – das Gegenteil von Wertschätzung für diesen Beruf. Wenn ich den Lehrerinnen und Lehrern so wenig Unterstützung für Fortbildung gebe, so wenig Zeit für Austausch und Entwicklung von schulinternen Konzepten lasse und dabei die Personaldecke so eng stricke, wie es diese Landesregierung tut, dann ist auch das das Gegenteil von Wertschätzung.

So wird es nie gelingen, zehn Bewerberinnen für einen Studienplatz in der Lehrerausbildung zu gewinnen. Hier liegt der Hase im Pfeffer. Nicht bei kleinteiliger Besserwisserei in Sachen Lehrmethoden.

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