- Es gilt das gesprochene Wort! -
Anrede!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich freue mich über den vorliegenden Antrag, weil er Konsequenzen aus dem kürzlich im Bildungsausschuss diskutierten Thema Analphabetismus zieht. Auch wir hatten einen Antrag für dieses Plenum eingebracht, der die Arbeit der Weiterbildungsorganisationen auf stabilere Füße stellen und besser finanzieren sollte. Wir haben ihn erstmal zurück gezogen, wegen der übervollen Tagesordnung und vor allem deshalb, weil wir vielleicht auch den Antrag noch auf breitere Füße stellen können.
Beim Thema 'Analphabetismus' wird deutlich, dass 'Lebenslanges Lernen' keine Floskel bleiben darf. In Indien sind nur noch ca. 30 % der Bevölkerung Analphabeten. Das ist eine enorme Leistung, wenn man bedenkt, dass beim Abzug der Briten 1947 die Analphabetenquote noch bei 88 % lag. Wenn aber selbst in unserem hochtechnisierten Industrieland 14 % der erwerbsfähigen Bevölkerung funktionale Analphabeten sind, dann läuft richtig etwas falsch.
Wenn Menschen nicht im Stande sind, zusammenhängende Texte zu erfassen, dann hat erstmal das Bildungssystem versagt. Auch deshalb – ja natürlich! – ist es wichtig, schon im Kita-Alter mit der Sprachförderung zu beginnen. Wie ein Bumerang beziehen sich der erste und der letzte Punkt im vorliegenden Forderungskatalog auf Maßnahmen in der Kita, also Maßnahmen auf Landesebene. Maßnahmen, wo wir tatsächlich nachlegen können: Selbst wenn der Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf von knapp 20 % im Jahr 2010 auf 17 % in 2012 zurück gegangen ist, dann hat die Wissenschaft doch im selben Zeitraum festgestellt, dass die bis dahin durchgeführte kompensatorische Sprachförderung nicht das Mittel der Wahl ist. Der leichte Rückgang ist also kaum Verdienst der effektiven Methode. Jetzt versuchen wir es mit der sogenannten alltagsintegrierten Sprachförderung. Die Landesregierung schickt 'Sprachberater', die den Fachkräften in den Kitas Sprachförderung beibringen sollen. Der Paritätische LV Brandenburg verwehrt sich: Nicht die Fachkräfte bräuchten Beratung, sondern die Ausstattung müsste verbessert werden! Sie erinnern sich: Stichwort 'Rote Laterne beim Betreuungsschlüssel'. Das klingt plausibel: Wenn ich Sprache fördern will, brauche ich Zeit und Freiraum, mit jedem einzelnen Kind reden zu können.
Alltagsintegrierte Sprachförderung bedeutet, wenn ein Kind in der Kita der Erzieherin von dem Hund der Nachbarin erzählt, dass sie nicht nur zuhört, sondern das Kind in ein Gespräch verwickeln kann, wie denn der Hund aussah, woran man einen Hund erkennt und wie sich das Fell des Hundes angefühlt hat: borstig, rau, seidig oder fettig.
Weiter schlägt der Bumerang einen großen Bogen über Aufklärung, Sensibilisierung und Entstigmatisierung – auf Bundesebene als Forderung an die KMK, auf Landesebene im Rahmen lokaler Bildungsbündnisse, gegenüber Arbeitgebern, der Gesellschaft und ganz allgemein. Diese Forderungen verbleiben leider ziemlich unkonkret, sicher gestartet in bester Absicht, überfordern sie aber wahrscheinlich die Landesregierung in der Umsetzung.
Auch wenn ich die hier in diesem Hause üblichen wechselseitigen Schuldzuweisungen von Landes- zu Bundesebene in der Regel ziemlich unerträglich finde, muss ich an dieser Stelle doch sagen: Wenn das Kooperationsverbot nicht nur für Hochschule, sondern auch für Bildung endlich aufgehoben wäre, könnte auch bei frühkindlicher Sprachförderung Einiges anders aussehen!
Was mir hier fehlt, aber wir Ihnen in der nächsten Plenarsitzung vorlegen, ist eine konkrete Forderung nach Unterstützung der Erwachsenenbildung!
Gegen den Punkt 9 will ich mich ausdrücklich verwehren: Wir beteiligen uns nicht an einer Aufforderung an die Landesregierung, die Öffentlichkeit durch die Medien kontinuierlich über Alphabetisierung zu informieren. Da sollte die Partei der Freiheit doch den Medien die Freiheit lassen, selbst zu entscheiden, worüber sie informieren!
Mit Punkt 10 kommt der Bumerang wieder zurück auf die Landesebene, zu den Kindertagesstätten. Da treffen wir uns wieder, nach dem Nebelflug dazwischen.