Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Marie Luise von Halem spricht zum Antrag „Gesundheitscampus Brandenburg - neue Wege zur Gesundheit“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne!

Wir haben es besonders eilig. Wir reden über einen Antrag, der auf einem Forschungs-, Entwicklungs- und Personalkonzept für den Gesundheitscampus aufbaut, das gerade gestern erst vom Kabinett beschlossen worden ist. Über das damit verbundene Vorhaben der Koalition, am Standort der privaten Medizinischen Hochschule vier Professuren öffentlich finanzieren zu wollen, wurde in den letzten Monaten schon viel geredet. Auch nach der Vorlage des Konzeptes ist meine Skepsis noch nicht beseitigt. Es ist beruhigend, dass im Konzept im Zusammenhang mit der Position des Wissenschaftsrates ausdrücklich formuliert wird, dass die gemeinsame Fakultät der Trägerhochschulen weiterhin keine medizinische Fakultät wird, obwohl man das hinterfragen kann, wenn man den letzten Redebeiträgen zugehört hat.

Zum Thema Berlin-Brandenburg denke ich, dass wir sehr selbstbewusst sein und trotzdem immer wieder eine Kooperation mit Berlin einfordern können. Wir erreichen als Land mit 2,5 Millionen Einwohnern einfach nicht die kritische Masse, um große Studiengänge wie Medizin wissenschaftlich vernünftig organisieren zu können.

Wir brauchen die Kooperation mit Berlin, wir brauchen sie in sehr vielen Bereichen, und ich finde das auch vollkommen richtig so. Das hat nichts damit zu tun, dass wir nicht selbstbewusst auftreten könnten.

Ein anderer Punkt, der meine Skepsis jedenfalls reduziert, ist die Tatsache, dass die Wissenschaftsministerin im Ausschuss definitiv gesagt hat, dass die 1,6 Millionen Euro nicht aus dem Hochschuletat kommen, sondern zusätzliche Mittel sind. Dennoch sei die Kritik hier erlaubt, dass die Vorgehensweise, die wir hier sehen, schon sehr ungewöhnlich ist.

Präsident Dombrowski:

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau von Halem (B90/GRÜNE):

Ja.

Schulze (fraktionslos):

Frau Kollegin, wie kann es sein, wenn Sie gerade sagen, Brandenburg hat nicht die nötige kritische Masse, dass das Saarland, das noch wesentlich kleiner ist als Brandenburg, eine medizinische Fakultät an der Universität hat, und das Land Mecklenburg-Vorpommern, das bekanntermaßen auch wesentlich kleiner ist als Brandenburg, sogar zwei medizinische Fakultäten - eine in Greifswald und eine in Rostock - hat? Warum soll Brandenburg, das größer als beide Bundesländer zusammen ist, das nicht schaffen?

Frau von Halem (B90/Grüne):

Auch Sachsen-Anhalt hat eine eigene medizinische Fakultät.

(Schulze [fraktionslos]: Zwei!)

- zwei sogar. Ich habe gerade gesagt: Ich würde zu diesem Thema tatsächlich noch einmal einen neueren Stand des Wissenschaftsrates hören. Ich finde das Argument ausgesprochen einleuchtend: Wenn ich einen Studiengang habe, bei dem so viele Aspekte vernünftig berücksichtigt werden müssen, dann kann ich das nicht mit wenigen Professuren machen. Dann ist dieser Studiengang umso besser, je mehr Lehrstühle ich für einzelne Aspekte dessen, was ich da lehre, habe. Das steigert die Qualität des Studiengangs, kostet aber mehr Geld und ist nur dann zu bewerkstelligen, wenn es auch die entsprechende Studierendenzahl gibt. Deshalb kann ich jetzt diese Frage so nicht abwägen - möchte ich auch gar nicht -‚ weil ich denke, dass das genau Aufgabe des Wissenschaftsrates wäre, noch einmal zu verdeutlichen:

Wie gut kann die Qualität einer medizinischen Hochschule in einem kleinen Bundesland mit einer relativ geringen Studierendenzahl sein? Oder müssen wir dann in großem Stil investieren, auch werben, um Studierende von anderswo herzubekommen, und ist das dann angesichts der medizinischen Hochschulen um uns herum sinnvoll? Oder ist es nicht tatsächlich für alle Landeshaushalte der beteiligten Länder sinnvoller, sich zusammenzutun?

Man muss immer wieder betonen, dass Berlin und Brandenburg nicht weiter auseinanderliegen als Hochschulstandorte von anderen Universitäten in großen Städten. Also warum sollten wir da nicht kooperieren? Wir müssen nicht alles einzeln machen, das geht zulasten beider Landeshaushalte.

Zu den kritischen Punkten: Die Vorgehensweise bei der Finanzierung ist schon sehr ungewöhnlich. Angesichts des Umstandes, dass wir einen Antrag beschließen, der auf einem Konzept fußt, das erst gestern beschlossen worden ist, stellt sich schon die Frage, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, dieses Konzept erst einmal im Ausschuss zu diskutieren und dann die zusätzlichen Stellen an der MHB zu bewilligen. So groß kann der Zeitdruck doch nicht sein.

Die eigentliche Kritik gilt aber dem Umstand, dass mit der Einrichtung von vier Professuren an der MHB Beamtenstellen an einer privaten Universität etabliert werden. Damit brechen Sie den gemeinsamen Beschluss, wonach im Rahmen des Gesundheitscampus staatliche Mittel direkt und grundsätzlich nur an staatliche Einrichtungen gegeben werden dürfen. Auch wir wissen: Wo es Grundsätze gibt, da gibt es auch Ausnahmen. Aber muss es sich dabei um Beamtenstellen handeln? Hätten es nicht einfach auch Zuschüsse sein können, die wir an die MHB ausreichen, die davon dann ihr Personal bezahlt? Es müssen doch keine Lebensbeamtenstellen an einer privaten Universität sein.

Wir haben uns in anderen Bundesländern umgehört und festgestellt, dass dieses Konstrukt zumindest ungewöhnlich, wenn nicht sogar einzigartig ist. Und wir wissen auch nicht, was passiert, wenn die berufenen Professorinnen und Professoren ein-mal ausscheiden oder die Fakultät zerbrechen sollte. Fallen die Stellen dann an die staatlichen Universitäten zurück? Verbleiben sie bei der MHB? - Dazu trifft das Konzept keine Aussage und dem kann man so nicht zustimmen. Das ist ein Grund zur Ablehnung.

Was uns aber positiv stimmt, ist das schlüssige inhaltliche Konzept. Das halte ich weiterhin für großartig und hat in mir die größte Bewunderin. Der vertiefte Schwer-punkt auf Medizin und Gesundheit des Alterns ist nach wie vor überzeugend, weil er den Herausforderungen der demografischen Entwicklung insbesondere in Branden-burg entspricht und es hier noch große Forschungslücken gibt.

Wenn tatsächlich das Ziel der - Zitat - „Entwicklung für das Land Brandenburg maßgeschneiderten, neuen, wissenschaftsbasierten Versorgungsstruktur, die sich auf das Zusammenwirken aus Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Kliniken, Verbänden, Kammern, Industriepartnern und Netzwerken stützt“, erreicht wird, dann ist damit richtig viel gewonnen. Dann können wir allesamt dem Alter wesentlich gelassener entgegensehen.

Also: Wir sind für das Konzept, aber gegen die Anbindung der Professorenstellen, zumindest so, wie sie in dem Konzept formuliert worden sind. Wir konnten darüber ja noch nicht diskutieren. Vielleicht erfahren wir hier noch etwas anderes.

Zusammengerechnet ergibt einmal Plus und einmal Minus eine Enthaltung, und ich habe den Wunsch, dass wir das vorgelegte Konzept noch einmal im Wissenschaftsausschuss und gemeinsam mit dem Gesundheitsausschuss diskutieren, um die Nachfragen zu stellen, die wir eigentlich im Vorfeld des heute zu beschließenden Antrags hätten stellen sollen.

Abschließend bleibt mir zu hoffen, dass die Frage, was mit den Professorenstellen passieren kann, im Nachgang von der Ministerin aufgeklärt wird. - Vielen Dank.