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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag "Stärkung des Brandenburgischen Denkmalschutzes"

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- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede,
„Wenn es derzeit überhaupt einen Trend in der Architektur gibt, dann ist es der Trend zur Rekonstruktion des schon lange Zerstörten", schreibt Hanno Rauterberg in der ZEIT vom 19. Januar 2012 in einem Artikel mit dem schönen Titel 'Jetzt ist früher heute'. „Woher dieser Hang zum Retrobauen? Zeigt sich darin der Geist einer restaurativen Gesellschaft, die Trost und Zuflucht sucht in längst verblichener Schönheit?" Rauterberg meint, es zeige sich vor allem eines: Unser verändertes Verhältnis zur Zeit. „Die Zukunft ist nicht mehr, was sie war – und die Vergangenheit auch nicht." Wir haben keinen klaren Blick in die Zukunft mehr, keine Utopien, denen wir mit unseren Bauten Gesicht und Nachdruck verleihen könnten oder wollten. Brauchen wir deshalb auch keinen Denkmalschutz mehr als Gegengewicht, als Anker in der Herkunft, um der Zukunft mit umso leichteren Schritten entgegen gehen zu können?

Brauchen wir die Baukultur der Vergangenheit nur noch als jederzeit verfügbare Fundgrube für unsere ästhetischen Spielereien, um uns einzelner Elemente zu bedienen für die Bauten der Gegenwart, die wir dann 'Moderne' nennen? Ist es uns noch wichtig, dass sich Original und Nachbau durch einen unterschiedlichen Grad an Authentizität definieren? Wozu brauchen wir echte Denkmale, wenn wir sie auch ohne Zaudern reproduzieren können?

Diese Fragen sind natürlich rhetorisch, aber sie werfen einen neuen Schatten auf unseren Umgang mit den Denkmalen. - Der Denkmalförderung in Brandenburg mangele es an Kontinuität, nie wisse man vorab, welche Mittel im Folgejahr zur Verfügung stehen. „Wir können keine Perspektiven aufzeigen" - klagt der Landeskonservator Prof. Karg in der PNN am vergangenen Freitag.

Die Denkmale in Brandenburg schaffen Identität, ihr Schutz schafft Arbeitsplätze in Handwerk und Tourismus, ihr Erhalt erhält unermesslichen kulturellen Wert. Aber Brandenburg hat als einziges Bundesland nichteinmal einen Fonds zur Sicherung von gefährdeten Denkmalen oder zur Anschubfinanzierung von wichtigen Bauarbeiten. Der Stiftungsgedanke dümpelt seit langer Zeit vor sich hin. Kleinteilige Sicherungs- und Erhaltungsmaßnahmen können nach einer Prioritätenliste des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege, das diese dem MWFK zur Kenntnisnahme zur Verfügung stellt, abgearbeitet werden. Diese Prioritätenlisten sind allerdings als internes Arbeitspapier nicht öffentlich einsehbar. - Das folgt einem merkwürdigen Demokratie- bzw. Transparenzverständnis und ist sicher kein Verfahren, das geneigt ist, öffentliches Engagement an dem Thema zu befördern.

Der AWFK hat im Dezember mit der Mehrheit der Mitglieder aus den Oppositionsfraktionen beschlossen, die Landesregierung zu beauftragen, ein Konzept für eine Denkmalschutzstiftung zu erarbeiten. Dieser Antrag wurde letzte Woche, dann mit einer Mehrheit aus den Koalitionsfraktionen, durch den jetzt vorliegenden Antrag ersetzt, der sich nicht mehr für eine Stiftung als klares Ziel ausspricht, wie sie sowohl von Prof. Karg als auch von Dr. Manfred Stolpe, dem Vorsitzenden des Landesdenkmalbeirates, präferiert wird. Eine solche Stiftung ermöglichte Zustiftungen von Dritten. Manfred Stolpe sagte im Ausschuss, man könnte schon mit den ersten 100.000 Euro anfangen (AWFK 11.5.2011). Aber der Ausschuss hat sich jetzt für die Soft-Version ausgesprochen: Die Landesregierung solle Dinge prüfen, ohne Zielvorgabe, die sie seit Jahren ohne Ergebnis diskutiert. Klingt nicht visionär, wird auch nicht visionär werden. Eher zahnlos.

Parallel werden Denkmale verfallen, aber jetzt ist ja früher heute, wir sorgen für Ersatz, und die in- und ausländischen Besucherinnen und Besucher werden künftig vielleicht den Unterschied gar nicht mehr merken. Das mindert auch den Schmerz über den Verlust.