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Marie Luise von Halem spricht zum Bericht der Landesregierung zur Weiterentwicklung der Begabungsförderung

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Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede,
Der hier vorliegende Bericht ist letztlich das Ergebnis eines Antrages, den wir im Oktober letzten Jahres gestellt haben. Er enthält eine Vielzahl von – großteils hervorragenden! - Maßnahmen. Wer ihn gelesen hat, wird mir in der Einschätzung zustimmen, dass die wichtigste Maßnahme, gemessen an der Zahl der davon profitierenden Schülerinnen und Schüler, aber vor allem gemessen am finanziellen Aufwand des Landes – die 31 Leistungs- und Begabungsklassen (LuBK) sind. 99 VZE (Vollzeiteinheiten) werden dafür aufgewandt, das entspricht ca 5 Mio Euro, das widerum entspricht in etwa dem Aufwand für das Schülerbafög.

Wir halten diese Leistungs- und Begabungsklassen nicht für die optimale und vor allem für keine gerechte Form der Begabungsförderung. Dafür gibt es mehrere Gründe:

1. Wir wissen nicht genau, nach welchen Kriterien Schülerinnen und Schüler in eine LuBK aufgenommen werden.

Zwar gibt es vom Ministerium zugelassene prognostische Tests zum Aufnahmeverfahren, die zusammen mit Aufnahmegesprächen Grundlage für die Aufnahme in eine LuBK bilden. Über die Gewichtung der Tests gegenüber den Aufnahmegesprächen allerdings wissen wir nichts. Letztlich steht es jedem Schulleiter frei, aufgrund eines Gesprächseindruckes eine Schülerin als besonders begabt einzustufen.

2. Nimmt man den prozentualen Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in den entsprechenden Jahrgangsstufen eine LuBK besuchen, sind die Begabungen im Land unterschiedlich verteilt: Nach den Zahlen des letzten Jahres sind es in Potsdam 10,2%, in Elbe-Elster 3,3% und in Ostprignitz-Ruppin nur 3,2%. Es ist doch kaum anzunehmen, dass der Anteil der hochbegabten Kinder in Potsdam 3 x höher ist als in EE oder OPR! Oder könnte vielleicht in Potsdam der Anteil der ambitionierten Eltern entsprechend höher sein?

3. Die regionale Ausgewogenheit der LuBK mit einem besonderen fachlichen Profil lässt einen verwundern. Es ist doch merkwürdig, dass es z.B. LuBK mit musisch-künstlerischem Profil nur in P und in CB gibt, dort aber offensichtlich ausreichend hochbegabte Kinder für eine ganze Klasse!

4. Ob und wie weit die SchülerInnen der LuBK tatsächlich von der besonderen Förderung profitieren, lässt sich nur vermuten. Die LuBK sind von den Zentralen Vergleichsarbeiten in der 6. Klasse ausgenommen und unterliegen auch sonst in keiner Weise einer besonderen Prüfung. Und selbst wenn sich dabei ganz hervorragende Leistungen ergäben, dann mag das immer noch zum allergrößten Teil daran liegen, dass das die Kinder der ambitioniertesten Eltern sind.

Das Bildungsministerium formuliert: „Ein (hoch)begabtes Kind kann selbstverständlich auch in einer Regelklasse durch guten individualisierenden Unterricht gefördert werden." und „Die Landesregierung hat stets betont, dass die LuBK nur eine von verschiedenen Möglichkeiten darstellen, um (hoch)begabte Schülerinnen und Schüler zu fördern, und Begabtenförderung auch in anderen Formen erfolgen kann."

Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, dass ich genau weiß, dass mit dem Instrument LuBK hervorragende Dinge umgesetzt werden, für die Kinder bzw. die Schulen, die das Glück haben, davon zu profitieren. Ich kann deshalb sehr gut nachvollziehen, dass alle, die davon profitieren, sich gegen eine Streichung sträuben. Unsere Kinder haben nur eine Bildungslaufbahn und natürlich wollen wir alle die besten Chancen für unsere Kinder. Aber wir geben hier ziemlich viel Geld aus für ein Instrument, das ziemlich ungerecht ist.

Für uns ist es eine Frage der politischen Verantwortung, Begabungsförderung gerecht zu verteilen und die sechsjährige Grundschule zu erhalten. Deshalb legen wir den Fokus auf einer besseren Befähigung der Lehrkräfte in Grund- und weiterführenden Schulen, den unterschiedlichen Begabungen der Kinder Rechnung zu tragen. Schule inklusiv zu gestalten, heißt nicht nur, diejenigen mitzunehmen, die ihr Leben mit Behinderungen meistern müssen, sondern es heißt auch, im Rahmen eines gemeinschaftlichen Unterrichtes diejenigen besser zu fördern, die hochbegabt sind. Eine Aufrechterhaltung von Spezialklassen, wie es sie z.B. in den Sportschulen oder Mathegymnasien gibt, schließen wir dabei ausdrücklich nicht aus.

Die Linke hat die LuBK immer abgelehnt. Früher. Das Manöver jetzt, sich kleinmütig vor Entscheidungen über die Zukunft der LuBK zu drücken und diese der Gesamtdiskussion um die Inklusion unterzuordnen und andererseits eine externe Evaluation durchzuführen ist widersprüchlich und absurd: Es suggeriert ein systematisches wissenschaftliches Herangehen (in Klammern: Seit wann haben wir eigentlich Geld für externe Evaluationen im Bildungsbereich? Und wie wollen Sie die Bildungserfolge der LubK-SchülerInnen untersuchen ohne Vergleichsgruppe mit genauso ehrgeizigen Eltern?) - Ein unnötig systematisches Herangehen und gleichzeitiges Parken im Verschiebebahnhof. Kleinmütig wird eingeknickt, vor dem zu erwartenden Aufschrei der engagierten Eltern, und wir zementieren damit die Ungerechtigkeit unseres Bildungswesens.