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Marie Luise von Halem spricht zum Bericht der Landesregierung „Auswirkungen der bundes– und landesrechtlichen Regelungen auf die Unterbringung, Versorgung und Betreuung unbegleiterter minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer im Land Brandenburg“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Beginnen möchte ich mit einer Danksagung: Mein herzlicher Dank geht an die vielen Menschen, die sich in den unterschiedlichen hauptamtlichen oder ehrenamtlichen Funktionen der Herausforderung gestellt haben, seit 2015 bis zu 1600 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Brandenburg gleichzeitig zu betreuen, zu beschulen und zu begleiten! All das von jetzt auf gleich, zunächst ohne Fahrplan, durch viel learning by doing. Sicher gibt es auch Einrichtungen und Ämter, die eine Kultur des bloßen Verwaltens an den Tag legen, aber die große Mehrheit der Sozialarbeiter*innen, Jugendämter und Lehrkräfte, das wird deutlich, sind mit viel Engagement und Herzblut dabei. Vielen Dank auch für die lebensnahe Studie von Prof. Stefan Thomas, Dr. Madeleine Sauer und Igmar Zalewski von der Fachhochschule Potsdam, welche diese Herausforderung für alle Beteiligten anschaulich beschreiben.

Die Autor*innen beschreiben aber nicht nur, sie haben uns auch Anregungen und Forderungen mit auf den Weg gegeben. Einige werden von der Landesregierung in ihrem Bericht aufgegriffen, viele aber auch nicht. So informativ der Bericht der Landesregierung auch ist, wir hätten uns gewünscht, dass sie auch zu den Punkten der Evaluation Stellung bezieht, wo sie anderer Meinung ist als die Autor*innen der Studie.

Ein Beispiel: In der Studie wird der Wunsch nach juristischer Unterstützung der Sozialarbeiter*innen in Bezug auf die Asylanträge der Jugendlichen laut. Da die Vormünder mit bis zu 50 Mündeln überlastet sind, bleibt die Beratung und Begleitung oft bei den Jugendsozialarbeiter*innen hängen. Denen fehlt aber das Fachwissen, die richtigen Entscheidungen über Zeitpunkt und Ausgestaltung eines Asylantrags zu treffen. Dazu sagt der Bericht der Landesregierung nichts.
Ebenso wenig zu der oft ungelösten Frage, wer eigentlich die Kosten für einen Widerspruch gegen einen abgelehnten Asylantrag trägt. In der Not behelfen sich die Einrichtungen mit Spendenaufrufen. Das ist meines Erachtens ein unhaltbarer Zustand, denn eines wird deutlich: Der Ausgang des Asylverfahrens und damit die Bleibeperspektive ist einer der entscheidenden Punkte, ob die Integration der Jugendlichen gelingt.

Es gibt aber auch Fragen, wo die Studie und die Landesregierung zum gleichen Schluss kommen:
Die oftmals traumatisierten Jugendlichen brauchen eine bessere psychosoziale Unterstützung. Wir müssen uns vor Augen führen, dass rund die Hälfte der Jugendlichen einen Elternteil verloren hat und viele der Minderjährigen im Herkunftsland oder auf dem Weg hierher schlimmste Gewalterfahrungen gemacht haben.

Das Schulangebot, auch in den BFS-G-Plus-Klassen, sollte noch passgenauer ausgestaltet werden, damit die Jugendlichen mit ihren sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen auch eine individuelle Förderung erhalten.

Wir müssen auch die Anstrengungen in der Jugendberufshilfe, der Jugend- und der Schulsozialarbeit verstärken, um den Jugendlichen eine Ausbildung zu ermöglichen. Die Geflüchteten kennen unser Ausbildungssystem nicht. Doch letztlich bietet ihnen eine Ausbildung nicht nur die beste Perspektive, sondern sichert ihnen auch zumindest zeitweise den Aufenthalt.

Zur Vernetzung der Flüchtlingseinrichtungen mit dem kommunalen Sozialraum werden Stellen für Integrationsmanager*innen vorgeschlagen.

Die Zahl der unbegleiteten Geflüchteten, die über 18jährig im Bereich der Jugendhilfe bleiben, ist in Brandenburg in einem Jahr, Stand August 2017, von 20 auf 475 gestiegen. Dies erfordert eine sinnvolle Ausgestaltung der sogenannten „Care Leaver-Angebote“, also z. B. betreute Wohnformen oder ambulante Hilfen.

In dem Zusammenhang stellt sich mir allerdings eine Frage, die weder in der Evaluation noch in dem Bericht der Landesregierung aufgeworfen wird: Was ist mit allein einreisenden Geflüchteten, die bei der Ankunft knapp über 18 sind? Stehen ihnen diese Angebote auch offen, und wenn nein, warum eigentlich nicht?

Mit diesen und weiteren Fragen, die dieser Bericht aufwirft, sollten wir uns in den Fachausschüssen weiter befassen.