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Marie Luise von Halem spricht zum bündnisgrünen Antrag "Inklusion im Schulgesetz verankern"

>>> Redemanuskript als PDF

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Schon wieder Inklusion. Warum eigentlich?

Wir haben schon im Sommer 2011 das Gutachten zur Umsetzung von Inklusion bei Prof. Preuss-Lausitz in Auftrag gegeben. Einmal, weil wir durch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) dazu verpflichtet sind. Noch viel wichtiger ist uns Bündnisgrünen aber das ideelle Ziel: Kinder gemeinsam zu unterrichten, damit groß werden zu lassen, dass wir Menschen alle sehr unterschiedlich sind und der Wert einer Gesellschaft sich nicht an der Sortierfähigkeit bemisst, sondern am Grad der Solidarität untereinander. Alle Kinder dort abzuholen, wo sie stehen, und entsprechend zu fördern: die Hochbegabten, die Schwierigen, die ExpertInnen in einer speziellen Sache, die Körperlichen, die Emotionalen...

Das MBJS und insbesondere Sie, Frau Ministerin Münch, haben dem Projekt Inklusion viel Schwung verliehen. Dafür haben Sie unsere Anerkennung. Umso weniger verstehen wir jetzt den Salto rückwärts bei der Schulgesetznovelle. Es ist höchste Zeit, dass das Recht eines Kindes auf inklusiven Unterricht, explizit in Bezug auf die UN-BRK, dort verankert wird und die formulierten Vorbehalte (die sich rechtlich gar nicht mehr aufrecht halten lassen!) endlich getilgt werden. Das haben Sie selbst noch im Herbst verkündet und nun soll es plötzlich und ohne ersichtliche Gründe nicht mehr gelten?

Nein, das sind wir all denen, die sich mit großem Engagement auf den Weg gemacht haben, schuldig: deutlich zu machen, dass wir es Ernst meinen mit der Inklusion und das Thema nicht auf das Schlachtfeld des nächsten Wahlkampfes tragen und der Ungewissheit kommender Koalitionen aussetzen.

Sie haben das Pilotprojekt Inklusion mit der Zusage gestartet, dass das, was jetzt bei den Piloten ausprobiert wird, ab 2015 an allen Schulen umgesetzt wird. Dass die Kinder, die von den Pilot-Grundschulen auf weiterführende Schulen wechseln, das Recht haben, auch dort weiter inklusiv unterrichtet zu werden. Wir sind all den Beteiligten, den Lehrkräften, den Schulleitungen, den Eltern und vor allem den Kindern jetzt eine Verfahrenssicherheit schuldig.
Darum legen wir diesen Antrag vor, der sich nicht nur am Gutachten von Prof. Preuss-Lausitz orientiert, sondern auch – das werden Eingeweihte gemerkt haben – an den Planungen des Ministeriums von vor gerade mal gut 3 Monaten.

Wir brauchen die Verankerung im Schulgesetz und wir brauchen auf Landesebene einen Aktionsplan, der vom MBJS gemeinsam mit dem MASGF sowie dem Städte- und Gemeindebund erarbeitet werden muss und der zeitliche und inhaltliche Schritte der jeweiligen Akteure definiert und quantifiziert.

Warum verlegen Sie sich jetzt auf's Abwarten? Was wird damit besser? Anders als beim Thema Lausitzhochschulen gibt es eine breite Debatte, es gibt Runde Tische und es gibt immer mehr Zustimmung zum gemeinsamen Unterricht.

Natürlich gibt es auch kritische Stimmen. Zu gut ist den Menschen die Fülle der hervorragenden Pilotprojekte in Erinnerung: MoSeS, Flex und wie sie alle hießen, die mit Elan begonnen wurden, auf die sie sich eingelassen haben, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, SchülerInnen und Schulleitungen, und die die jeweils zuständigen Bildungsminister, alle SPD, dann peu à peu am ausgestreckten Arm haben verhungern lassen. Nicht gestrichen, nein, die Fassaden wurden erhalten, aber dahinter verkümmert die Ausstattung. Genau das haben diese Menschen bei der Inklusion auch von Anfang an befürchtet. Und das Projekt Inklusion jetzt auf das Schlachtfeld des Landtagswahlkampfes zu tragen, impliziert genau diese Botschaft. - Es ist doch Illusion, zu glauben, wenn das Gesetz vorbereitet sei, werde es mit der nächsten Landesregierung auch so verabschiedet, egal ob rot-rot oder rot-schwarz!

Der gemeinsame Unterricht aller Kinder trifft auf große Zustimmung. Widerstände gibt es vor allem wegen der schlechten Ausstattung. – Aber weder wird die Ausstattung durch Abwarten besser noch wächst die Zustimmung zur Inklusion durch die sich absehbar unter rot-rot nicht verbessernde Ausstattung. Siehe dazu die Demonstrationen vor zwei Wochen.

Mängel an der Ausstattung sind die einzig plausible Kritik. Dass immer wieder Teilungs- und Förderstunden dem Vertretungsunterricht zum Opfer fallen. Dass Lehrkräfte nicht ausreichend Unterstützung erhalten. Das zu ändern, hätte die Landesregierung in der Hand gehabt. Das hat sie nicht getan. Jetzt die Schulgesetznovelle in die nächste Legislaturperiode zu schieben, ist nichts anderes als Angst vor der eigenen Courage. Mark Twain sagt dazu: „Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war.“
Geben Sie den Menschen die Sicherheit und passen Sie das Gesetz an!

>> zum Antrag „Inklusion ins Schulgesetz“ (als PDF-Datei)