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Marie Luise von Halem spricht zum bündnisgrünen Antrag "Neueinstellung von Lehrkräften langfristig planen"

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>>> Antrag "Neueinstellung von Lehrkräften langfristig planen" als pdf

- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Anrede,

eigentlich wollte ich Ihnen jetzt Auszüge aus dem Brief einer frisch ausgebildeten Junglehrerin aus dem Süden Brandenburgs vorlesen, die nach dem Studium in ihren Heimatort zurück gekehrt ist, dort zwar keine Anstellung bekommt, trotzdem aber unentgeltlich als Vollzeit-Grundschullehrerin unterrichtet und von Hartz IV lebt.

  • Ich wollte Ihnen nochmal vorrechnen, dass es bei weitem nicht ausreicht, dieses Jahr nur 150 neue Lehrkräfte einzustellen, wenn die Schüler-Lehrer-Relation von 15,4 bis zum Ende der Legislaturperiode gehalten werden soll: die Bedarfe in den nächsten Jahren werden so hoch, dass wir sie nicht werden decken können.
  • Ich wollte Ihnen erzählen, dass die von uns beauftragte neue Studie des Leibnitz-Institutes für Regionalentwicklung und Strukturplanung davon ausgeht, dass wir auf 10 Jahre gerechnet jährlich ca. 600 Lehrkräfte einstellen müssen, um die Schüler-Lehrer-Relation zu halten. Denken wir ruhig mal etwas weiter, als nur bis zum Ende der Legislaturperiode! Das bedeutet – da wir jährlich nur 450 fertige Lehrkräfte haben - eine so enorme Fehlentwicklung, dass es geradezu sträflich kurzsichtig ist, die jetzt an der Tür klopfenden ca 200 ReferendarInnen abzuweisen.
  • Ich wollte Ihnen vorrechnen, dass die von uns im Antrag geforderten mindestens 340 Neueinstellungen – das war übrigens die Zahl, die das Ministerium für dieses Jahr geplant hatte! - auch angesichts der hohen Zahl der Dauerkranken nur ein kleiner Schritt ist. Eigentlich wäre es die sauberste Lösung gewesen, die erstmal zu ersetzen! Wir haben insgesamt 474 dauerkranke Lehrkräfte. Das entspricht in etwa 3% der Gesamtzahl der Lehrkräfte. Noch ein Grund, warum die 3%-ige Vertretungsreserve nicht ausreicht.
  • Und ich wollte nochmal sagen, dass es nicht der geringsten Gewinn für die Unterrichtsqualität bedeutet, nur die Schüler-Lehrer-Relation zu halten.
  • Ich wollte mich auch ärgern über die Doppelbödigkeit von kommunalen insbesondere SPD-Politikern, angesichts der Elterninitiativen allerorten über die Schulämter und andere zu schimpfen, anstatt ehrlich zu sagen, dass der allseits beklagte Lehrermangel ganz bewusste Politik dieser rot-roten Landesregierung ist. So bekam ich z.B. neulich einen Brief des Potsdamer Oberbürgermeisters Jann Jakobs, in der dieser mir den - mit den Stimmen von SPD und Linker gefassten!! - Beschluss der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung weiter leitet, in dem ich aufgefordert werde, mich dafür einzusetzen, dass die Fehlstunden an Potsdamer Schulen durch geeignete personalwirtschaftliche Maßnahmen signifikant abgebaut werden. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, das ist doch der Gipfel der Absurdität! Ist Ihnen das nicht peinlich? Ich würde mir schon wünschen, dass Sie, wenn Sie schon eine solche Politik machen, dann wenigstens den Mumm in den Knochen haben, diese Politik auch nach außen zu vertreten, und nicht feige mit den Fingern auf andere zeigen, die armen Schulämter, die sich überhaupt nicht wehren können, den Landtag ganz allgemein (so wie die Potsdamer das machen, von denen ja auch einige hier sitzen!) oder gar die eigene Fraktion, nach dem Motto 'Ich will ja auch mehr Lehrer, aber die Mehrheit meiner Fraktion sieht das leider anders'. Seien Sie wenigsten ehrlich und erklären Sie den Menschen, warum Sie das für nötig halten! Vielleicht verstehen das ja andere, wenn auch ich es nicht verstehe.

Die Ankündigung des Bildungsministeriums von gestern Abend, doch mindestens 250 Lehrkräfte einzustellen, macht all diese Argumente nicht minder richtig. Die Argumente sind weiter richtig und dem Ziel einer wahrnehmbar besseren Lehrkräfteversorgung ist auch nur ein bisschen gedient. Trotzdem will ich mich gerne auch mal ein bisschen freuen. Pädagogen sagen ja immer, für kleine Kinder seien Selbstwirksamkeitserfahrungen so wichtig. Ich sage Ihnen, für große gilt das auch.

Aber es gibt natürlich auch ein Aber: 100 Lehrer mehr reichen nicht. Übrigens, Frau Dr. Münch, nebenbei interessiert mich ja schon, wie Ihre Pressestelle dazu kommt, eine Überschrift zu formulieren, die da lautet: 'Brandenburg stellt doppelt so viele Lehrer ein wie bisher geplant', dann aber nicht 300 meint, sondern 250? Sie selbst formulieren: 'annähernd doppelt so viel' – aber zwischen 100 und 150 ist schon ein klitzekleiner Unterschied?

Es ist schade, dass Sie angesichts der Herausforderungen im Bildungswesen, angesichts der enormen Bedarfe in den nächsten Jahren jetzt nur einen halbherzigen Schritt tun. Darf ich Sie daran erinnern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, dass Sie im letzten Wahlkampf 500 neue LehrerInnen jährlich angekündigt haben? Die SPD zwar nur 250, aber die Mitte läge dann immer noch bei 375 – veranschlagt zu einem Zeitpunkt, als die enormen Bedarfe der nächsten Jahre noch nicht auf dem Tisch lagen.

Und erzählen Sie mir nicht, das Geld wäre nicht da. Die jetzt erforderlichen Mittel lagen offensichtlich unbeachtet im Keller des MBJS. Warum haben Sie sie nicht früher gefunden? Um jetzt nochmal 100 Lehrkräfte aufzustocken, bräuchten wir nochmal ca. 5 Mio. Der Haushaltstitel 'Zinsen für Kreditmarktmittel' wurde, verursacht durch das anhaltende Niedrigzinsniveau, wohl im dreistelligen Millionenbereich zu hoch angesetzt. Die Steuermehreinnahmen werden auf 300 Mio. Euro geschätzt. Da werden wir doch wohl nochmal 5 Mio. finden? Dass das eine Investition ist, die langfristig in den Landeshaushalt in mehrfacher Höhe zurückfließt, können Sie im Buch unsere Ministerpräsidenten 'Zukunft braucht Herkunft' nachlesen.