- Es gilt das gesprochene Wort! -
Anrede!
Sisyphos, der mythische König von Korinth, wurde wegen verschiedenen Aufbegehrens gegen die Götter nach seinem Tod vom Göttervater Zeus verdammt, immer wieder einen Marmorblock einen Berg hinauf zu schaffen, der ihm dann oben entglitt und wieder hinabrollte. „Sisyphusarbeit“ - Synonym für anstrengende Arbeit, deren Erfolgslosigkeit Bestandteil des Systems ist.
So komme ich mir hier auch manchmal vor, wenn wir einen der zahllosen Anträge zum Thema frühkindliche Bildung diskutieren. So viel hat sich hier getan in den letzten Jahren, auch wenn sich in Brandenburg wenig bewegt. Hirnforscher, Biologen, Pädagogen und auch Ökonome sind sich einig, wie wichtig die ersten Jahre für den Bildungserfolg eines Kindes sind. Nicht nur für dessen eigenes Fortkommen, seinen Erfolg und seine Fähigkeit, zu dieser Gesellschaft beizutragen. Sondern auch für die Gesellschaft selbst in ökonomischer Hinsicht. Nicht nur, dass sich jeder in Bildung investierte Euro (Dollar oder Yen) mehrfach rentiert, sondern seit den Studien von James Heckman wissen wir auch, dass jeder Geldbetrag, den eine Gesellschaft in die Erziehung und Bildung ihres Nachwuchses steckt, umso mehr Gewinn bringt, je früher er investiert wird. Und das sage ich jetzt hier nicht in erster Linie, um mich gegen das Schülerbafög auszusprechen, sondern weil ich ahne, dass mir wieder entgegnet wird, die Forderungen seien ja richtig, allein, es mangele an Geld. Ich versuche es trotzdem nochmal:
In der Debatte um den Rechtsanspuch auf einen Kita-Platz stehen wir gut da, zumindest im Hinblick auf die Quantität. Aber die Medaille hat zwei Seiten, und dass wir bei der Qualität – deutschlandweit und auch in Brandenburg – Defizite haben, hat schon die Vorberichterstattung zur NUBBEK-Studie gezeigt und die Konkretisierung auf Landesebene wird es nicht ändern. Wir können uns nicht brüsten, beim Betreuungsschlüssel von Platz 16 auf Platz 16 gesprungen zu sein, und meinen, jetzt sei alles gut. (Und dann, wie jetzt die Linke, herausposaunen, ihr Wahlkampf werde sich um Bildung drehen. Man fragt sich, wozu Sie eigentlich regiert haben!)
Deshalb reden wir hier nochmal über Qualität in der Kindertagesbetreuung. Wir sind frei von oppositionellem Größenwahn, beantragen nur einen kleinen Schritt, Forderungen, die wir teilen mit der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Konkret: Leitungsfreistellung. Leiterinnen von Kindertagesstätten haben die Schlüsselfunktion für Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in der jeweiligen Einrichtung. Das wollen wir angemessen würdigen. Dazu wollen wir
1. die Leitungsfreistellung im Kindertagesstättengesetz verankern.
Im ganzen Kindertagesstättengesetz erscheint nur an einer Stelle der Begriff 'Leitung', bei der Regelung der erforderlichen Qualifikation in §10. Die Freistellung von der Gruppenarbeit für pädagogische Leitungstätigkeiten, um die es heute hier geht, wird im Gesetz nicht erwähnt. Das wollen wir ändern.
2. Forderung: bezahlte pädagogische Leitungsfreistellung erhöhen!
Seit 1993 wurde der Umfang der Freistellung für pädagogische Leitungstätigkeit seitens des Landes nicht mehr angepasst. Sie wurde de facto sogar abgeschmolzen, da sich die Bezugsgrößen verändert haben. Und das, obwohl die Aufgaben einer Kitaleitung seit den vergangenen 20 Jahren enorm gewachsen sind. Heute muss nicht nur eine verbindliche pädagogische Konzeption erarbeitet werden, sondern der Fokus der Leitung hat sich stark von der reinen Personaladministration auf die pädagogische Qualität verschoben. Und mit der letzten inhaltlichen Novellierung der Kita-Personalverordnung im Jahr 2010 sind weitere Aufgaben hinzugekommen: die Sicherung der Partizipation der Kinder (Demokratiefrüherziehung) und das Beschwerdemanagement nach der Einführung des Bundeskinderschutzgesetzes. Auch die Qualitätssicherung ist eine neue Aufgabe.
Die zahlreichen Aufgaben einer Kitaleitung kann man in den „Empfehlungen zum Aufgabenprofil von Kita-Leitung“ des Landesjugendamtes Brandenburg nachlesen. Aber auch die sind schon wieder überholt, denn die erweiterten Aufgaben von Personalgewinnung und Personalentwicklung, wie sie beispielsweise durch die verstärkte Einbeziehung von Seiteneinsteigern erforderlich sind, kommen neu dazu.
Viele dieser Aufgaben lassen sich, insbesondere in kleinen Kindertagesstätten, die hierfür formal nur 5 Stunden Freistellung in der Woche angerechnet bekommen, nur bewältigen, wenn die Leiterinnen sie entweder in ihre Freizeit verlagern, oder entsprechend weniger in den Gruppen sind – was zur Folge hat, dass der Betreuungsschlüssel bzw. das konkrete Betreuungsverhältnis noch miserabler wird. Kleine Kitas sind mit vielen Aufgaben überproportional belastet. Wir haben deshalb den Antrag bewusst so formuliert, dass die Erhöhung der Leitungsfreistellung bei den kleinen Kitas eine Verdoppelung, bei den großen jedoch lediglich einen Aufwuchs von 25% ausmacht.
Forderung Nr. 3: Vorlage eines Stufenplans
Das ist unser 'ceterum censeo', unser Klassiker. Bei unserer Forderung nach der Erhöhung der Leitungsfreistellung haben wir uns mit einem kleinen Trippelschrittchen begnügt. Über einen Freistellungsumfang, wie wir ihn in Berlin finden, der auch eine ganze Personalstelle bedeuten kann, reden wir erst gar nicht. Dahin kommen wollen wir aber schon. Deshalb nochmals unser Appell an die Landesregierung: Schreiben Sie endlich auf, welche Schritte Sie bis 2020 gehen wollen, in puncto Leitungsfreistellung, Betreuungsschlüssel, bei der Verbesserung der Ausbildung von ErzieherInnen oder bei der Sprachförderung. Produzieren Sie Pläne statt Worthülsen!
Wir müssen endlich frühkindlicher Bildung einen anderen Stellenwert beimessen. Bei uns genießt der Universitätsprofessor höchste gesellschaftliche Anerkennung, die Erzieherin ist hingegen fürs Sortieren von Bauklötzen zuständig und wird entsprechend bezahlt. Das muss endlich anders werden! Dafür rolle ich gerne nochmal den Marmorblock.