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Marie Luise von Halem spricht zum Gesetzentwurf der Landesregierung „Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfestrukturen“

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Anrede!

Die meisten von Ihnen haben den vorliegenden Antrag wahrscheinlich nicht gelesen. Dort steht unter 'A. Problem' Folgendes: „Das Landesjugendamt nimmt als Landesoberbehörde die Aufgaben des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe wahr. Im Rahmen der Modernisierung der Landesverwaltung sollen diese Aufgaben dem zuständigen Ministerium übertragen werden. - Daneben sind die fachspezifischen Aspekte der Kinder- und Jugendhilfe bei der Kommunalaufsicht stärker zu gewichten. Deshalb soll die Übertragung der Rechtsaufsicht über die örtlichen Träger der Jugendhilfe (Kommunalaufsicht für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe) vom Ministerium des Inneren auf das für Jugend zuständige Ministerium erfolgen.“ Das beschreibt lediglich Zustand und Intention, aber mitnichten ein Problem.

Man fragt sich: Wo ist eigentlich das Problem? Um die Kommunalaufsicht auf das MBJS zu übertragen, muss dafür das Landesjugendamt aufgelöst werden?? Muss der Landesjugendhilfeausschuss seiner Beteiligungsrechte beraubt werden?

Gucken wir in die Unterlagen, die dem Ausschuss zur Verfügung gestellt wurden: Da wird als Begründung auch nur die Liste der Modernisierungsvorhaben der Landesregierung von Nov. 2011 angeführt. Die Modernisierungsvorhaben, von denen wir alle wissen, dass sie im Einzelnen nicht aus fachlicher Notwendigkeit heraus aufgenommen wurden, sondern – teilweise ohne Einbeziehung der zuständigen Minister – einzig allein, um die Sparvorgaben zu erfüllen. Da schreibt man dann 'Modernisierung', 'Synergie' und 'Straffung der Aufgabenerfüllung' außen auf die Verpackung, und innen drin sind nur Personaleinsparungen. Damit will ich nicht sagen, dass es nicht auch Fälle gäbe, wo Personaleinsparungen und Straffung von Abläufen sinnvoll sein könnten. Nur: Es muss transparent gemacht und den Menschen erklärt werden, wo genau und warum das funktionieren soll! Und genau das passiert hier nicht. Trockenübungen. Keiner versteht, warum. Für die Beteiligten reiht sich diese Umstrukturierung in eine Reihe anderer, wie z.B. die Auflösung der Schulämter und Schaffung eines Landesschulamtes und dessen Zusammenführung mit dem Landesamt für Lehrerbildung, für die es aus ihrer Sicht fachlich keine Notwendigkeit ergibt, deren Gewinn nur theoretisch postuliert wird und hinter denen sie nur Stellenstreichungen und unnötige Gängelungen vermuten.

Und – nebenbei – auch eine Abwertung der Regionen: aus Bernau wird jetzt Potsdam.

Zudem beschneidet das Vorhaben die Beschlussrechte des Landesjugendhilfeausschusses. Die Vorgabe der Modernisierungsvorhaben, nach denen die Beteiligung des Landesjugendhilfeausschusses an der Aufgabenerfüllung unberührt bleiben sollte, wird übergangen. Das bedeutet, dass die breite Einbeziehung von Verantwortlichen und Betroffenen zwar weiter in der Theorie möglich ist, aber wir wissen alle, dass Engagement und Beteiligung sinken, wenn die Einbeziehung nur noch ein Placebo ist, wenn echtes Mitreden nicht mehr möglich ist.

Wir sollten umgekehrt lieber darüber nachdenken, die Beschluss- und Befassungsrechte auszuweiten, anstatt sie zu beschneiden, über Informations- und Anhörungsrechte diskutieren und die funktionierende Struktur des Landesjugendhilfeausschusses auf jeden Fall mitsamt seinen Unterausschüssen erhalten und begleiten. So fordert das die Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und schlägt dem Ministerium ein gemeinsames rechtliches Gutachten vor. Vielleicht kann Frau Ministerin Münch uns jetzt noch erklären, warum sie dieses Angebot nicht annimmt. Das Argument, durch die Eingliederung wären Beschlussrechte nicht mehr möglich, weil sie mit der Entscheidungshoheit der Ministerin kollidierten, kann nicht gelten. Der PBD hat gezeigt, dass in vielen anderen Bundesländern solche Konstruktionen durchaus machbar sind. Dazu sollten wir im Ausschuss noch Experten hören!

Denn wenn schon undurchsichtig ist, warum die Eingliederung des Landesjugendamtes in das Ministerium erfolgen soll, so sollten wir doch zumindest darauf achten, dass wir die beteiligten Akteure mit all ihrer Expertise nicht nebenbei von Bord kicken!

Redemanuskript als PDF