- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Da steht sie nochmal zur Debatte, die bildungspolitische Luftnummer der rot-roten Koalition, die wir von Anfang an für unsinnig gehalten haben.
Natürlich ist es nett, Menschen Geld zu geben, die das sicher gut brauchen können. Das aber als Maßnahme für mehr Bildungsgerechtigkeit zu verkaufen, ist schon eine sehr schlichte Behauptung.
Wer will, dass Bildungserfolge nicht mehr so stark vom elterlichen Hintergrund abhängig sind – und in diesem Wunsch sind wir uns ja mit den AntragstellerInnen einig, der muss früher ansetzen, und nicht erst beim Übergang in die Sekundarstufe II. Die Weichen für die Bildungswege werden viel früher gestellt, in der Kitas und in der Grundschule. Und da ist die Not groß, das wissen wir alle. Die Kinder in den Kitas brauchen bessere Sprachförderung und dringend einen besseren Betreuungsschlüssel. Auch ErzieherInnen bräuchten Anrechnungsstunden für die Begleitung des Übergangs in die Grundschulen. Und an den Grundschulen bräuchten wir mehr Lehrerinnen und Lehrer, eine bessere Absicherung des Fachunterrichtes, mehr Fortbildungsangebote und endlich keine Benachteiligung mehr bei der Bezahlung, um den Job attraktiver zu gestalten. Das sind die echten Baustellen im Bildungssystem. Die aber meidet die Regierung wie der Teufel das Weihwasser. Dort zu investieren, haben wir immer wieder beantragt. Und wir haben ihnen auch vorgerechnet, wie das gehen könnte. Sie aber haben sich geweigert. Und jetzt, im Vorfeld des Wahlkampfes, erdreisten Sie sich, sich als die bildungspolitische Superpower darzustellen. Aber nein: Der Kaiser ist nackt!
Daran ändert auch die Landesausbildungsförderung nichts. Die haben Ihnen Ihre Werbestrategen geraten: minimaler Einsatz, maximale Verkaufswirksamkeit. Und wie die Weber einst dem Kaiser weismachten, nur wer klug und seines Amtes würdig sei, könne die neuen Kleider sehen, so gaukeln auch Sie vor, diese Ausbildungsförderung habe einen Effekt auf die Bildungsgerechtigkeit.
Die jetzt vorgelegte 'Begleitforschung' kann das auch nicht kaschieren. Warum?
Weil wir überhaupt nicht wissen, warum und ob und wie viele Jugendliche aus anspruchsberechtigten Familien vor der Einführung der Landesförderung vielleicht nicht in die Sekundarstufe II wechselten. Es werden im Bildungsbereich keine Sozialdaten von Familien erhoben, vorher nicht, nachher nicht. Für eine seriöse Erforschung der sozialen Implikationen fehlt uns schlichtweg die Vergleichsgruppe. Egal, wie dick der Evaluationsbericht ist – es ist unmöglich, dass er uns empirisch gesicherte Erkenntnisse darüber geben kann, dass das brandenburgische Schülerbafög ein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit ist.
So verwundert es denn auch nicht, dass der Bericht großteils Umsetzungstechnik zum Inhalt hat: Information der Betroffenen, Fragebögen, Antragsverfahren, Beratung, ....
Dass die befragten Leistungsbeziehenden sich über das Geld freuen, verwundert nicht. Dass aber nur die Hälfte der Befragten bestätigt, ohne diese Förderung ihre schulische Ausbildung nicht absolvieren zu können, ist angesichts dessen, dass das natürlich die sozial erwünschte Antwort ist – das müsste jedem klar sein! – doch ein erstaunlich niedriger Anteil. Immerhin sind die Wildauer dann doch Wissenschaftler und seriös genug, um deutlich zu machen, dass sich „keine dezidierte Aussage zur positiven Beeinflussung der Bildungsbiografie treffen lässt." (S. 56 des Berichtes).
Und um zuletzt mit dem immer wieder bemühten Vergleich mit der in Westdeutschland in den 70er-Jahren gewährten Bildungsförderung aufzuräumen, der wir den Kollegen Ness hier in unseren Reihen zu verdanken haben: Die damals gewährte Förderung von 490 DM entspräche heute ca. 500 Euro pro Kopf und Monat - damit kann man Jugendliche eher füttern, das ist eine gänzlich andere Dimension.
Nein, auch wenn wir aus den 50 EUR jetzt 100 EUR machen: Bildungspolitisch ist diese Koalition fast so nackt wie der Kaiser in Andersens Märchen.