- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede!
Da steht sie nochmal zur Debatte, die bildungspolitische Luftnummer der rot-roten Koalition, die wir von Anfang an für unsinnig gehalten haben. Es gibt nur einen einzigen Grund für diesen Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und der Linken: Der Wahlkampf naht und Sie sammeln Spiegelstrichpunkte für Ihre Wahlwerbung. Sie werden schreiben, Sie hätten die Bildungsgerechtigkeit verbessert, weil Sie das sogenannte Schüler-Bafög erhöht haben.
Natürlich ist es nett, Menschen Geld zu geben, die das sicher gut brauchen können. Das aber als Maßnahme für mehr Bildungsgerechtigkeit zu verkaufen, ist schon eine sehr schlichte Behauptung.
Wer will, dass Bildungserfolge nicht mehr so stark vom elterlichen Hintergrund abhängig sind – und in diesem Wunsch sind wir uns ja mit den AntragstellerInnen einig, der muss früher ansetzen, und nicht erst beim Übergang in die Sekundarstufe II. Die Weichen für die Bildungswege werden viel früher gestellt, in den Kitas und in der Grundschule. Und da ist der Bedarf riesig, das wissen wir alle!
Dort liegen die echten Baustellen im Bildungssystem, bei denen Sie trotz kleinteiliger Maßnahmen keine wirkliche Verbesserung erreicht haben. Um das zu vertuschen, sammeln Sie jetzt Punkte aus Ihrer symbolpolitischen Mottenkiste.
Diese Landesausbildungsförderung hat sich Ihr Kollege Ness einst mit Ihren Werbestrategen ausgedacht: minimaler Einsatz, maximale Verkaufswirksamkeit. Und wie die Weber einst dem Kaiser weismachten, nur wer klug und seines Amtes würdig sei, könne die neuen Kleider sehen, so gaukeln auch Sie vor, diese Ausbildungsförderung habe einen Effekt auf die Bildungsgerechtigkeit.
Darf ich Sie an die Evaluation der TH Wildau vom Oktober 2013 erinnern? Die machte deutlich, warum das so ist:
Weil wir überhaupt nicht wissen, warum und ob und wie viele Jugendliche aus anspruchsberechtigten Familien vor der Einführung der Landesförderung vielleicht nicht in die Sekundarstufe II wechselten. Es werden im Bildungsbereich keine Sozialdaten von Familien erhoben, vorher nicht, nachher nicht. Für eine seriöse Erforschung der sozialen Implikationen fehlt uns schlichtweg die Vergleichsgruppe. Der Evaluationsbericht machte deutlich, dass er uns keine empirisch gesicherten Erkenntnisse darüber geben kann, dass das brandenburgische Schülerbafög ein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit ist.
Dass die befragten Leistungsbeziehenden sich über das Geld freuen, verwundert weiter nicht. Dass aber nur die Hälfte der Befragten bestätigten, ohne diese Förderung ihre schulische Ausbildung nicht absolvieren zu können, ist angesichts dessen, dass das natürlich die sozial erwünschte Antwort ist doch ein erstaunlich niedriger Anteil. Immerhin sind die Wildauer dann doch Wissenschaftler und seriös genug, um ihre Zusammenfassung damit einzuleiten, dass sich „keine dezidierte Aussage zur positiven Beeinflussung der Bildungsbiografie treffen lässt.“ (S. 56 des Berichtes, Drs. 5/8032). Gleiche Bedenken gelten natürlich auch für die von der CDU geforderte Evaluation.
Nein, auch wenn wir aus den 100€ jetzt 125€ machen: Für die Bildungsgerechtigkeit ist diese Maßnahme genauso nichtssagend und durchsichtig wie des Kaisers neue Kleider in Andersens Märchen.