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Marie Luise von Halem spricht zum Thema Tagesmütter und -väter in Brandenburg

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede,
Die meisten Menschen denken bei der Betreuung von Kindern im Kita-Alter nur an Windeln und Bauklötzchen. Dabei wird in genau diesen Jahren das Fundament gelegt für die Entwicklung von Menschen. Wer selber Kinder, Enkelkinder oder Nachbarskinder hat oder gehabt hat, kann das eigentlich wissen: Nie wieder im Leben geht die Entwicklung so rasant, nie wieder sind die Lernfortschritte so groß wie in diesen Jahren.
Trotzdem zieht es sich wie ein roter Faden durch die Bildungssysteme, nicht nur in diesem Land, dass der Betreuung dieser Kinder nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Erzieherinnen und wenigen Erzieher sind im Schnitt zu schlecht ausgebildet und werden zu schlecht bezahlt.
Das Thema Kita haben wir ja schon oft gehabt, heute also Tagespflege. Ein paar Stichworte entlang dem roten Faden:
1. Stichwort Ausbildung: Wer eine Erlaubnis zur Kindertagespflege erhalten will, die oder der braucht nur einen 160-Stunden-Kurs zu absolvieren! Im Vergleich zu einer Erzieherausbildung ist das ein lächerlicher Klacks, ein besserer Grundkurs Maschineschreiben! Über das Vermitteln der Rahmenstandards, wie z.B. Verhalten bei Krankheits- und Verletzungsfällen, Vorgaben zur räumlichen Ausstattung und derlei technische Angelegenheiten, kann da doch kaum Zeit mehr bleiben für die wichtigen pädagogischen Grundlagen!
Immerhin haben gegenwärtig 436 der Tagespflegepersonen eine Erzieherausbildung. Das ist zumindest ca. ein Drittel und sicher ein gute Nachricht. Aber was ist mit den anderen?
2. Stichwort Genehmigung: Guckt nach der einmal erteilten Genehmigung eigentlich nochmal irgendwer hin? Es gibt Qualitätsstandards, ja, aber wer kümmert sich darum, ob sie eingehalten werden?
3. Stichwort Fortbildung: Es gibt ja immerhin einige Angebote. So ist es ausgesprochen löblich, dass die Landesregierung dafür sorgt, dass Kurse zur frühkindlichen Sprachförderung angeboten werden. Wir erfahren auch, dass es für die Teilnehmenden ein Zertifikat gibt. Aber wir haben keine Ahnung, ob da eigentlich wer hingeht. Damit komme ich zum
4. Stichwort Betreuungszeiten: 67 % der Kinder werden 7 Stunden und mehr betreut. Einige auch mehr als 10 Stunden. Über die Arbeitszeiten der Pflegepersonen kann man da nur mutmaßen. Freistellungen für Fortbildungen sind sicher nicht eingeplant.
Und 5. Stichwort Betreuungsumfang: Es dürfen Genehmigungen für bis zu fünf Kinder erteilt werden. Für Vertretungssituationen und Betreuungen an wenigen Tagen und für wenige Stunden dürfen Ausnahmen gemacht werden. Gleichzeitig lesen wir, dass 47,8% der Tagespflegepersonen fünf und mehr Kinder zu betreuen hat. Da wäre es doch interessant zu wissen, wie viele denn mehr als fünf Kinder haben? Angesichts dessen, dass die Entlohnung pro betreutem Kind berechnet wird, ist das natürlich interessant.
Das letzte Stichwort, Nr. 6 Qualitätsentwicklung: Ich lese mehrfach, dass Brandenburg sich engagiert. Und ich lobe auch gerne, dass Brandenburg als erstes Bundesland überhaupt Qualifizierungsanforderungen für Tagespflegepersonen definiert hat. Aber ich sehe doch, dass es zwar Pläne, Qualifizierungen und Beratungen gibt, aber keine Verbindlichkeit über diese magere Grundqualifizierung hinaus.
Und am Ende des roten Fadens steht: Viele Zahlen, aber wenig Qualitatives.
Meine Tochter hat gerade ein halbes Jahr in Ecuador in einer Kita gearbeitet. Einzige Qualifizierungsvorgabe für die Frauen dort (und es sind wirklich nur Frauen!): Mutter zu sein. - In Japan dagegen sind Erzieherinnen sehr angesehen. Sie werden anspruchsvoll ausgebildet und verdienen annähernd so viel wie das Anfangsgehalt eines Hochschulprofessors (FAZ vom 25.5.12).
Und wir haben die Wahl.