- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Sehr geehrter Herr Präsident, Liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Der bittere Wermut wird ja bekanntlich als Aperitif getrunken, deshalb beginne ich mit den Wermutstropfen, es sind nur vier.
Erstens: Konkrete Einstellungsbedarfe versus Passung Schulart und Fächerkombination
Der Bedarf wird für die Jahre 2011/12 bis 2014/15 mit 16.000 angegeben. Schön, dass die Landesregierung sich endlich weitgehend unseren gebetsmühlenartig wiederholten Berechnungen angenähert hat. Abzüglich der Einstellungen dieses Jahr verbleiben für die kommenden drei Jahre 450 pro Jahr, davon knapp ca 80 % für das Lehramt Primarstufe/Sek I, ca. 20 % Lehramt Sonderpädagogik. Die Studierenden aber wählen in erster Linie das Lehramt Gymnasium. Ähnlich gegenläufige Entwicklungen gibt es auch bei den Fächerkombinationen. Ein Dekan der Uni Potsdam, der im Auschuss von diesen mehrfach zuwiderlaufenden Entwicklungen erfuhr, fragte unlängst ganz erstaunt, ob den Studierenden diese Bedarfe mal vorgestellt werden könnten. - Vielleicht kann diese neue Lehrkräftebedarfsplanung auch Kommunikation verbessern. Trotzdem bleibt deutlich, dass die AbsolventInnen mitnichten 1:1 die Bedarfe decken werden.
Zweitens: Ländliche Regionen:
Dorthin Lehrkräfte zu bekommen, ist schon jetzt nicht leicht. Künftig werden wir, wenn wir ehrlich sind, den wenigen AnwärterInnen auch noch sagen müssen, wenn sie dort ein Haus bauen wollten, sollte es möglichst Räder haben. Denn ihre Schule wird es wahrscheinlich in 20 Jahren nicht mehr geben. - Die demografischen Hochrechnungen, die es detailscharf gibt, finden in dem Papier keinen Niederschlag, die reine Berechnung anhand der Schulamtsbezirke ist zu oberflächlich.
Dritter Wermutstropfen: Besoldungsunterschiede:
Das Auseinanderklaffen in der Beamtenbesoldung als Folge der Föderalismusreform wurde gestern schon beklagt. Wir Bündnisgrüne würden das Beamtenrecht am liebsten völlig modernisieren und durch ein modernes Dienstrecht ersetzen. Heute liegt die monatliche Anfangsbesoldung eines Studienrates A 13 in Baden-Württemberg 540 EUR höher als in Brandenburg, in Hamburg 482 und in Hessen 188 EUR höher. Mit steigenden Besoldungsstufen steigen die Unterschiede. Da zu glauben, alle AbsolventInnen blieben selbstverständlich hier in Brandenburg, bzw. gar zu hoffen, aus anderen Bundesländern würden die fähigsten Köpfe nach Brandenburg strömen, klingt verwegen.
Minister Baaske sagte gestern in der Debatte zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, wir sollten uns nichts vormachen, es sei doch klar, dass die Arbeitnehmer aus den Mittel- und osteuropäischen Ländern nicht zu uns kämen, sondern in andere Bundesländer zögen, das habe natürlich was mit der Bezahlung zu tun. - Und bei den Lehrkräften ist uns das egal?
Und zuletzt, 4., Lebenslanges Lernen
Auch wenn es gelingt, bis zum Ende der Legislaturperiode noch 2.000 Lehrerinnen und Lehrer einzustellen, dann werden die verbliebenen ca 14.000, die heute schon im Schnitt deutlich über 50 sind, ja nicht jünger. Diese eklatante Überalterung der Berufsgruppe, die unsere Kinder (oder eben unsere Enkel) mit Weitblick und Tatendrang auf diese Welt vorbereiten soll, nimmt uns zumindest die Sorge, wir würden bei Ankunft des demografischen Echos das Echo des Lehrerüberhangs der letzten Jahre produzieren. Nein, dann werden so viele in Rente gehen, dass uns eher die Pensionslasten den Schweiß auf die Stirn treiben werden.
Der Fort- und Weiterbildung werden in der Lehrkräftebedarfs- und Einstellungsplanung ganze 8 Zeilen gewidmet. Innovationstransfer in stagnierende Systeme gelingt so nicht. Zum Beispiel: Nach den miserablen Englischergebnissen beim Ländervergleich letztes Jahr gehen von den ca 1.000 akut weiterbildungsbedürftigen EnglischlehrerInnen dieses Jahr 200 zu einem zweiwöchigen Englischkurs. Fünf Jahre dauert es, bis alle einmal dran waren. Es gibt auch pädagogisch-didaktischen Nachholbedarf. Ich erinnere nur an das Thema Inklusion. Wie wollen wir die Abkehr vom Frontalunterricht schaffen, wenn wir nicht die Ressourcen haben, den Lehrerinnen und Lehrern, die das vielleicht nie gelernt haben, die nötige Unterstützung zukommen zu lassen?
Aperitif beendet, jetzt zur Hauptsache:
Ich freue mich, dass mein Status des Rufers in der Wüste bei der Analyse, 1.250 Einstellungen reichten nicht, um das selbstgesteckte Ziel, die Schüler-Lehrer-Relation zu halten, endlich beendet ist.
Ich freue mich auch deshalb über diese Berechnungen, weil sie als Grundlage dienen für zwei große Herausforderungen der nächsten Monate, erstmal der Novelle des Lehrerbildungsgesetzes – die einigen privilegierten Bildungsausschussmitgliedern ja schon vorliegt – und zweitens der Inklusion. Denn die wird unsere Lehrkräftebedarfsplanung verändern, wenn wir auch noch nicht wissen, wie die Landesregierung sich das vorstellt.
Sie können Gift drauf nehmen, ich werde mich nicht damit begnügen, dieses Papier zur Kenntnis zu nehmen!