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Marie Luise von Halem spricht zur großen Anfrage "Frühkindliche Bildung im Land Brandenburg"

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede,
Diese große Anfrage der FDP reiht sich ein in eine lange Reihe von Versuchen der Opposition, die Landesregierung zu einer – aus unserer Sicht unbedingt nötigen! - weiteren Verbesserung der Kindertagesbetreuung zu bewegen. Sie werden sich erinnern, wir haben diskutiert über Erstellung von Stufenplänen für mehr Qualität sowie zu verschiedenen Einzelaspekten – immer wieder, und immer wieder ohne Erfolg.

Die jetzt vorliegende Antwort der Landesregierung zementiert dieses Bild: Da ist nichts von Aufbruch zu neuen Ufern, kein Duktus von 'Bildung hat oberste Priorität', keine Einsicht in die Relevanz der ersten Jahre, in denen die entscheidenden Weichen für die Entwicklung von Kindern gestellt werden.

Schon der rein seitenmäßige Umfang der Antwort fällt eher kläglich aus. Der Inhalt analog. Bei der Frage über die der Landesregierung vorliegenden Erkenntnisse Brandenburger Kita-Qualität im Gegensatz zu anderen Bundesländern rühmt sich die Landesregierung, Brandenburg sei das „einzige Bundesland, das sich seit Jahren bemüht, die pädagogische Qualität der Kindertagesbetreuung anhand objektiver Kriterien zu erfassen." Erschreckender Weise – nicht für Brandenburg, sondern aus Bundessicht – scheint das richtig zu sein. Ein Hoch auf Brandenburg.

Weiter heißt es dann, „über die Ergebnisse der Qualitätsfeststellung und die Maßnahmen zur Verbesserung und Sicherung der pädagogischen Qualität" habe die Landesregierung dem zuständigen Ausschuss zuletzt 2006 umfangreich berichtet. 2006. Fünf Jahre her. So viel kann ja danach nicht passiert sein.

Ich greife mal im Schnelldurchlauf ein paar Punkte auf:

Erstens, Sprachförderung: Ja, wunderbar, wenn Brandenburg das erste Land ist, das ein einheitliches Förderverfahren hat und dieses wissenschaftlicher Evaluation unterzieht, wie in dem Bericht zu lesen. Gleichzeitig wissen wir aber, dass der konstatierte Förderbedarf sehr viel höher ist, als mit den zur Verfügung stehenden – also finanzierten – Fördermaßnahmen abzudecken ist. Zudem gibt es in der Forschung mittlerweile Stimmen, die die kompensatorische Förderung, also die nachgelagerte Förderung als gescheitert ansehen: Die integrative Förderung, die parallele, begleitende, die Sprache fördert, bevor die Defizite entstehen, sei viel Erfolg versprechender. Und die funktioniert nur mit einem besseren Betreuungsschlüssel, mehr ErzieherInnen, die mit den Kindern reden können.

Damit komme ich zu Punkt zwei, dem Betreuungsschlüssel: Ja, die Landesregierung hat den Betreuungschlüssel verbessert. Die bislang einzige erwähnenswerte bildungspolitische Verbesserungsmaßnahme in dieser Legislaturperiode. Damit rangieren wir aber immernoch auf den allerletzten Plätzen im Bundesvergleich. Kein Ruhmesblatt.

Um ein bisschen Praxis zu sehen, war der Bildungsausschuss vor zwei Wochen in Finnland. Der Betreuungschlüssel ist dort bei den unter 3-Jährigen 1:4, bei den über 3-Jährigen 1:7. Ein Drittel der Erzieherinnen hat jeweils Hochschulausbildung. In Finnland gibt es einen anderen gesellschaftlichen Konsens über die Relevanz von Bildung, richtig. Aber es spricht nichts dagegen, sich auch hier für einen anderen Stellenwert von Bildung einzusetzen, anstatt lapidar zu schreiben, weitere Schritte zur Personalausstattung seien nicht geplant.

Drittens: Der Übergang von der Kindertagesbetreuung in die Grundschule stehe auf der Agenda, der 'Gemeinsame Orientierungsrahmen für die Bildungsarbeit in Kindertagesbetreuung und Grundschule' solle mit den Trägerverbänden vereinbart werden. Von den Trägerverbänden ist zu hören, das klappe deshalb nicht, weil das Land zwar den Grundschulen zur Organisation besserer Übergänge Anrechnungsstunden gewähre, nicht aber den Kita-Trägern.

Viertens, die verbesserte Leitungsfreistellung: Hier nochmal eine Erhebung anzukündigen, ist nur Verzögerungstaktik! Wir wissen schon, dass wir sie brauchen!

Und fünftens: Inklusion – die kommt gar nicht vor. Gut, die FDP hat auch nicht danach gefragt. Integration bedeutet, eine ehemals außenstehende Gruppe aufzunehmen. Inklusion als neuer Begriff hat zum Ziel, dass es erst gar nicht dazu kommt, dass sich die Gruppe Außenstehender bildet, alle werden von vornherein mitgenommen. Es ist bekannt, dass es viele gut funktionierende Integrationskitas gibt. Aber reicht das als Erklärung, bei den Vorhaben der Landesregierung zur Qualitätsverbesserung das Thema nichteinmal zu erwähnen?

Fazit: Natürlich haben wir nicht viel erwartet. Aber dass die Aussichten für den Rest der Legislaturperiode so dürftig sind, könnte einen anregen, der Phrase 'Bildung hat oberste Priorität' den Titel 'Brandenburger Unwort des Jahres' zu verleihen.