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Marie Luise von Halem spricht zur Modularisierung der Beruflichen Bildung und Verbesserung des Übergangssystems in der Beruflichen Bildung

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- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede!

Wir stehen ja als Abgeordnete mitten im Leben und deshalb wissen wir auch sehr genau, die guten, spannenden Überraschungseier von den langweiligen zu unterscheiden. Die spannenden, also die, aus denen Puzzleteilchen purzeln, die zusammengesetzt werden müssen, wo man noch nicht auf den ersten Blick erkennt, was denn das Ganze eigentlich bedeutet. So komme ich mir bei diesem Antrag vor: Ich vermute eine stimmige Figur. Und wo ich gestern noch dachte, es fehlt die Gebrauchsanweisung für den Zusammenbau,
sorgt der Nachdruck heute schon für mehr Klarheit.

Gefordert wird, dass die Kurse aus dem Übergangssystem in der späteren Berufsausbildung anerkannt werden: Na klar. Wobei wir uns fragen müssen, wozu wir dieses Übergangssytem, das uns jährlich nach Schätzung von Fachleuten auf Bundesebene mehr als 4 Milliarden Euro kostet, überhaupt brauchen, wenn es keine Anerkennung bietet. Wir BündnisGrüne wollen es
abbauen bzw umbauen, da es für viele nur eine unsinnige Warteschleife, wenn nicht gar eine Sackgasse ist: Wir nennen unseren Vorschlag DualPlus. Damit wollen wir überbetriebliche Ausbildungsstätten schaffen, die gemeinsam von Berufsschulen und Kammern und unter enger Einbindung der Betriebe organisiert und von Kammern, Ländern, der Bundesagentur für Arbeit und dem Bund gemeinsam finanziert werden. Wir wollen damit auch die gesamte Berufsausbildung neu strukturieren und in bundesweit anerkannten Modulen organisieren. Das Berufsprinzip und die Kammerabschlussprüfung bleiben dabei erhalten. So wollen wir mehr betriebliche Ressourcen gewinnen, insbesondere bei Betrieben ohne Ausbildungstradition, bei kleinen oder sehr spezialisierten Unternehmen. Sie brauchen dann nicht die Verantwortung für eine komplette Ausbildung zu übernehmen, sondern können auch einzelne Module anbieten. Wir wollen für alle Qualifizierungsschritte Abschluss, Anerkennung und Anrechnung. Die bestehenden Übergangsmaßnahmen zwischen Schule und Ausbildung sollen in DualPlus überführt werden. Und die Auszubildenden, die zusätzliche Förderung brauchen, sollen beraten werden und mehr Lernzeit zur Verfügung gestellt bekommen. Entweder mehr Zeit für die einzelnen Module oder passgenaue Förderkurse zwischen den Modulen. So soll mit dem DualPlus-Konzept ein Kammerabschluss in den anerkannten Ausbildungsberufen auch an überbetrieblichen Ausbildungsstätten möglich werden und und diese neben Betrieb und Schule zu einem dritten regulären Lernort..

DualPlus ist damit kein rein schulisches Angebot, sondern eine Ausbildung nach dem dualen Prinzip, d.h. eine Verknüpfung zwischen praktischen und theoretischen Anteilen an verschiedenen Lernorten.

Der zweite Spiegelstrich (der Neudruck-Version) liest sich ähnlich. Nur ist mir nicht klar, warum mit einem solchen Konzept der Übergang ins Ausbildungssystem gewährleistet werden soll? Nein, er soll das Ausbildungssystem selbst sein! Oder ist genau das gemeint? Da brauche ich noch ein bisschen mehr Gebrauchsanweisung für die Teilchen Ihres Puzzles.

Wenn Sie letztlich das Gleiche meinen wie wir mit DualPlus, warum haben Sie, liebe KollegInnen von der CDU und der FDP, dann unser Konzept im Bundestag im Januar 2010 abgelehnt?

Letzter Spiegelstrich: Wenn wir fordern, Weiterbildungsmöglichkeiten so zu verfassen, dass sie auf Grundlage der Module in der jeweiligen beruflichen Ausbildung aufbauen können, dann sollten wir uns vor Augen halten, dass es auch den Reiz von Weiterbildung ausmachen kann, dass sie für Menschen mit unterschiedlichen Ausbildungen attraktiv sein können. Das ist noch nicht stimmig!

Dass die unklaren Forderungen nach besserer Anerkennung informell erworbener Kompetenzen und verändertem Zugang zu Nichtschülerprüfungen aus dem Antrag verschwunden sind, ist kein Verlust.

Und es gibt auch hier ein 'ceterum censeo': Seit Jahren klagen die IHKen über das Niveau der Schulabgänger. Und wen die IHKen nicht vermitteln, der landet im Übergangssystem.

Und wenn wir dann hier über die Verfehlungen des Übergangssystems reden, dann sollten wir uns vor Augen führen, was wir den Menschen damit antun, die wir durch dieses Labyrinth schleusen. Und wir sollten uns klar machen, welch immense nachgelagerte Kosten wir uns dadurch aufbürden, dass das Bildungssystem versagt.

Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU, wir sind nicht weit voneinander entfernt. Lassen Sie uns im Ausschuss darüber reden, wie wir die Teilchen am besten zusammen setzen.