- Es gilt das gesprochene Wort ! -
[Anrede]
Mit der zweiten Lesung des Errichtungsgesetzes stehen wir am Ende – die Initiatoren des Volksbegehrens würden wahrscheinlich sagen: am Zwischenstopp - eines Verfahrens, das von Anfang an fahrlässig geführt wurde. Das Referat „Strategische Kommunikation" hat mal wieder versagt. Manchmal hat man bei dieser Landesregierung ja den Eindruck, strategische Kommunikation gäbe es nur, wenn es etwas zu vertuschen gibt: Dann wird geredet vom Landeswohl und von Verantwortung, die man zu übernehmen bereit sei, wattig und abstrakt, ohne die Begriffe mit Inhalten zu füllen. Wer dann kritisch nachfragt, kriegt vorgehalten, er verstehe offensichtlich dieses Land nicht.
Wenn es aber nicht darum geht, Versagen kleinzureden, sondern wenn man etwas verändern will, wenn man Gegegebenheiten und Ressourcen verändern will, die vielen Menschen ans Herz gewachsen sind, so wie die daraus resultierenden Gewohnheiten ihre Tage bestimmen, dann reicht es nicht, mit dem großen weichen heimatgetränkten Schwamm von 'Gemeinsinn und Erneuerung' darüber zu wischen. Dann muss man den Menschen schon genau erklären, was man will, warum man es will und wie es zu den Vorstellungen der Menschen passt, die die Veränderungen letztlich umsetzen sollen.
Am 10. Februar letzten Jahres wurde das Emmermann-Gutachten in Cottbus öffentlich vorgestellt. Dort präsentierte Frau Ministerin Kunst der erstaunten Öffentlichkeit ihren Neugründungsvorschlag mit Hilfe eines Organigramms. Aber nichteinmal das Organigramm lag schriftlich zur Verteilung vor, ganz zu schweigen von Erläuterungen, warum und wieso und mit welchem Ziel das anders nicht zu erreichen sei. Fünf Tage später, am 15. Februar, malt die Ministerin im Wissenschaftsausschuss eine Skizze an das Flipchart. Mehr gab es nicht. Am 20.2. erhielten die Ausschussmitglieder vier Seiten Text aus dem Ministerium. In der Region wurde über Wochen geklagt, es gäbe nichts Schriftliches.
Stellen Sie sich mal vor, die Akteure in der Region, und nicht nur die aus den Hochschulen, sondern auch die VertreterInnen aus den Kommunen, aus den Wirtschaftsverbänden, der Hochschulrektorenkonferenz usw. hätten spätestens parallel zur Vorstellung der Grundidee die Einladung zu einer Reihe von Workshops erhalten, auf denen über die Zukunft der Hochschulen hätte diskutiert werden können? Was wäre passiert, wenn sich alle Beteiligten sachlich über verschiedene Szenarien hätten auseinander setzen können? Wenn Sachverständige hätten darlegen können, mit welchen Studierendenzahlen an den Hochschulen für die nächsten zwanzig Jahre zu rechnen sei, was das angesichts welcher zur Verfügung stehenden Mittel für verschiedene Optionen bedeuten könnte? Wenn gleichzeitig die europaweit stattfindenden Veränderungen durch den Bologna-Prozess mit der Eliminierung der Unterschiede zwischen Fachhochschulen und Universitäten – aber notabene: nicht der Unterschiede zwischen praxisorientierten und wissenschaftsorientierten Ausbildungen! - hätten dargelegt werden können? Wenn die Wirtschaft, die Kommunen und die Wissenschaftscommunity dort ihre Erwartungen für die nächsten Jahrzehnte hätten kommunzieren können und wenn man sich in einem geordneten Prozess über den Fortgang hätte verständigen können? Wer will eigentlich was und was passiert, wenn nichts passiert? Und was ist das Ziel? Welche Strukturen brauchen wir für dessen Umsetzung und wie sieht es eigentlich konkret aus – über die allgemein geteilte Feststellung hinaus, dass die Lausitz auch in der Zukunft ein Hochschulangebot braucht?
Nein, einen solchen strukturierten Diskussionsprozess hat es leider nicht gegeben.
Die Vorstellung, Herr Grünewald hätte einen solchen Prozess moderieren können, war von Anfang an eine Totgeburt. Die Rolle von Herrn Grünewald – und es war sicher besser, dass er da war, als wenn es ihn in der Lausitz nicht gegeben hätte! - war immer eine andere. Natürlich wurde er als der Adlatus von Ministerin Kunst wahrgenommen, als der Vertreter der Ministeriumsposition am Ort des Geschehens. 'Moderator' hätte nur eine neutrale Person sein können, auf die sich die Parteien einigen und möglichst ein oder eine professionelle Organisationsentwicklerin, die oder der eben nicht aus dem fachpolitischen Kontext rekrutiert wird, und professionelle Erfahrung damit hat, wie solche Transformationsprozesse in großen Institutionen professionell begleitet werden.
Wenn jetzt z.B. von Wirtschaftsvertretern geäußert wird, die Hochschule Lausitz müsse unbedingt erhalten bleiben, weil die Wirtschaft in der Region die AbsolventInnen mit anwendungsbezogener Ausbildung bräuchte, dann ist das ein wunderbares Beispiel für die Sprachlosigkeit, die hier herrscht: Niemand hat die anwendungsbezogene Ausbildung in der Lausitz je in Frage gestellt!
Man hätte das alles vorher wissen oder zumindest im Verfahren auch besser einfangen können. In einer Region, die sich seit Jahrhunderten behaupten muss zwischen den Zentren Dresden auf der einen Seite und Berlin auf der anderen, immer Grenzgebiet zwischen Brandenburg und Sachsen, Deutschland und Polen, Preußen und Schlesien. Eine Region, die, wie das von uns in Auftrag gegebene Gutachten so treffend beschreibt, „wissenschaftspolitisch eine Region des Zwischenraumes" ist. Ich zitiere weiter: „Daraus ergibt sich, dass in der Lausitz die Hochschulen als etwas Eigenes der Region betrachtet werden, ... das gegen eine Potsdamer Suprematie verteidigt werden muss. Mit jeder Veränderung unter als finanzpolitisch restriktiv erlebten Bedingungen sind Ängste verbunden, dass mit ihnen Statusverlust einhergehen könnte. Weder die demographische noch die raumstrukturelle Entwicklung des Landes haben in der Vergangenheit dazu beigetragen, diese Ängste abzubauen." Ich füge hinzu: Wer, wie diese Landesregierung, den Hochschulen in die Rücklagen greift, 10 Mio. entnimmt, die vertraglich zugesichert waren, dann hoch und heilig verspricht, das sei eine einmalige Situation, die sich nicht wiederholen werde, und in Folge aber den sowieso schon unterfinanzierten Hochschulhaushalt Jahr für Jahr mit einer globalen Minderausgabe in ähnlicher Höhe belastet, der kann doch nicht im Ernst erwarten, seine weiteren Veränderungsvorschläge würden auf den fruchtbaren Boden gewachsenen Vertrauens fallen!
All das hätte die Landesregierung wissen müssen. Darauf zu reagieren hat sie versäumt.
Wir werden das Errichtungsgesetz jetzt ablehnen. Aber nicht deshalb, weil wir eine Fusion der Hochschulen, wie sie die Landesregierung anstrebt, für das Erreichen des Zieles nicht für einen möglichen Weg hielten. Sondern weil wir das Verfahren für gründlich missraten halten.
Es entspricht unserem Verständnis von Demokratie und Hochschulautonomie, wenn wir jetzt die Einrichtung eines 'Lausitzbeirates' fordern, die Einbeziehung nicht nur des Sachverstands aus den Hochschulen, sondern der kommunalen VertreterInnen aus der Region, der Wirtschaftsverbände, der Landesregierung, eines Umweltforschungsinstitutes, des Wissenschaftsrates, der Landeshochschulrektorenkonferenz und des Landeshochschulrates. Dieser Lausitzbeirat soll – gerne unter professioneller Moderation – ein tragfähiges Modell für die Lausitzer Hochschullandschaft entwickeln. Das sind die Akteure, die Ernst zu nehmen uns auch die Ehrlichkeit gebietet, um in Kooperation miteinander ein kreatives Modell zu entwickeln.
Dabei habe ich durchaus Verständnis für diejenigen, die sagen, es könne nicht noch zwei Jahre gewartet werden. Wenn das aber so wichtig ist, dann machen Sie es den Zauderern klar! Natürlich ist es für alle umso besser, je schneller die Lösung auf dem Tisch liegt. Sie aber zu erzwingen, gegen den Willen derer, die letztlich für die Umsetzung verantwortlich sind, ist das Gegenteil von Erfolgsgarantie.
Natürlich geht es hier auch um Geld. Dass den beiden Hochschulen in der Grundsituation andauernder struktureller Unterfinanzierung der Brandenburger Hochschulen (Stichwort: rote Laterne seit Jahren) für die Neustrukturierung erst nach langer Diskussion finanzielle Zusagen gemacht wurden, und auch jetzt die in Aussicht gestellten 10 % je zur Hälfte für zusätzliche Studiengänge und TV-Umbau vorgesehen sind und für die eigentliche Umstrukturierung gar kein Geld zur Verfügung steht, ist ein weiteres Zeichen für das Versagen der Landesregierung in diesem Prozess.
Natürlich ist eine technische Hochschule eine Investition in die Region. Genau das soll sie auch sein. Aber dann darf es keine weiteren Kürzungen geben und keine globalen Minderausgaben!
Auf dem Neujahrsempfang der TU Berlin hat deren Präsident berichtet, das Wirtschaftsvolumen der Ausgründungen habe 2012 etwa 1 Mrd. EUR betragen, mehr als das Dreifache der investierten Landesmittel (284,4 Mio). Natürlich wollen wir das auch für die Lausitz! Aber dazu brauchen wir eine Landesregierung, die bei Startchancen nicht in erster Linie an Flugzeuge denkt, sondern an junge Menschen.