-Es gilt das gesprochene Wort!
[Anrede]
Meine Vorredner*innen haben es schon deutlich gemacht: Da, wo wir klare Regelungen für das Fernbleiben vom Unterricht haben, brauchen wir keine zusätzlichen Stellungnahmen, Anweisungen und Aufforderungen.
Wir – zumindest wir hier in Brandenburg – haben gewollt, dass sich Kinder und Jugendliche mehr einmischen: Wir haben ihnen das Wahlrecht ab 16 gegeben und wir haben per Kommunalverfassung festgeschrieben, dass sie bei sie betreffenden Angelegenheiten zu beteiligen sind.
Was die jungen Menschen jetzt tun, ist allerdings mehr, als wir hier diskutiert haben: Sie halten uns mit aller Härte den Spiegel vor, klagen uns an, ob unserer Kurzsichtigkeit, unserer Feigheit und unserer Arroganz.
Niemand kann sagen, sie oder er habe es nicht gewusst. Seit vielen Jahren Jahren liegen die warnenden Stellungnahmen der Wissenschaft vor. Und etwa 15 Jahre ist es her, dass mich ein alter Schulfreund, damals Redakteur bei der ZEIT, ansprach: „Marie Luise, du bist doch bei den Grünen, für euch ist doch Klimawandel auch ein Thema. Woran liegt es eigentlich, dass wir es alle wissen, aber es wird weder darüber geredet, noch wird gehandelt?“
Ja, woran lag das eigentlich? Zuerst natürlich auch an der Uneinigkeit der Wissenschaft. Dann aber, spätestens nach dem Stern-Report 2006, an der Feigheit der Politik. Der Unfähigkeit, den Menschen reinen Wein einzuschenken. Über Brückentechnologien zu reden, damit den Menschen Sand in die Augen zu streuen, anstatt über die Herausforderungen des Klimawandels, die absehbaren Kosten für Anpassung und Kompensation der Schäden, und auch über unsere globale Verantwortung.
Nach den Daten der Weltbank lagen die CO2-Emissionen in t/pro Kopf im Jahr 2014 in den USA bei 16,5, in Deutschland bei 8,9, in China bei 7,5 und in Indien 1,7. Brandenburg liegt bei deutlich über 20 t. - Ist es angesichts dieser Zahlen richtig, erstmal auf die Verantwortung von China und Indien zu verweisen, wie wir es in so vielen Debatten über die Braunkohleverstromung hier im Landtag von den diversen Ministern der SPD immer wieder vorgehalten bekommen haben?
Und wer – wie die SPD in Brandenburg - heute argumentiert, der von der Kohlekommission beschlossene Ausstieg 2038 sei eben angesichts des großen Widerstands in der Bevölkerung das einzig erreichbare Ziel gewesen, der muss sich auch dem Vorwurf aussetzen, eben diesen Widerstand jahrelang mit beschönigenden Aussagen geschürt zu haben.
Zurück zu den freitäglichen Klimademonstrationen:
Es gibt ein Gutachten des renommierten Jura-Professors Dr. Felix Ekardt zu Verfassungsschranken für Sanktionen bei schulischer Abwesenheit, worin argumentiert wird, dass erstens bei dem begrenzten Fernbleiben vom Unterricht der staatliche Bildungs- und Erziehungsauftrag kaum ernsthaft gefährdet sein könnte, zweitens Sanktionen unverhältnismäßtig seien, denn „es richten sich die Fridays-for-Future-Demonstrationen auf die Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände im Klimaschutz“ (S.11), und drittens die Schüler*innen „im vorliegenden Fall ja nicht irgendein beliebiges Anliegen [geltend machen]. Vielmehr setzen sie sich ein für den ... grundrechtlich garantierten Schutz der elementaren Freiheitsvoraussetzungen Leben, Gesundheit und Existenzminimum .... sowie diverse völkerrechtliche Gewährleistungen“ (S. 7).
Insofern: Freuen wir uns darüber, dass die jungen Leute in ihrer Argumentation eine Verantwortung und Weitsicht an den Tag legen, zu der die Politik in den letzten Jahrzehnten nicht fähig war, und lassen wir die Kirche im Dorf beim Ruf nach Sanktionen. – Übrigens ist nachhaltige Entwicklung bzw. Lernen in globalen Zusammenhängen eine geforderte fachübergreifende Kompetenz im neuen Rahmenlehrplan. Insofern ist die Klimadebatte sogar lehrplankompatibel.
Und da der AfD-Abgeordnete Jung letzte Woche bei der dialogP-Veranstaltung im Brandenburger Domgymnasium auch dafür gestimmt hat, die Forderungen der Fridays-for-Future-Demonstrationen (Kohleausstieg bis 2030 sowie netto Null CO2 und 100% Erneuerbare bis 2035) politisch umzusetzen, kann der vorliegende Antrag sowieso nicht ganz ernst genommen werden.