- Es gilt das gesprochene Wort !
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste,
sicher hat der eine oder die andere von Ihnen schon einmal einen Crashtest im Fernsehen oder als Foto-Serie, vielleicht sogar schon einmal live miterlebt – letzteres dann aber hoffentlich nicht als Betroffener. Jedenfalls kann man sich angesichts solcher Bilder leicht vorstellen, wie schwerwiegend Verkehrsunfälle an Bäumen ausgehen.
Und sicherlich, Herr Minister Vogelsänger, wenn Sie sagen „Jeder Tote ist einer zu viel", dann kann man Ihnen da nur vorbehaltslos zustimmen. Die Frage ist jedoch, welche Ursachen maßgeblich zu den Unfällen beitragen. Ist es tatsächlich nur die Geschwindigkeit, oder sind es nicht vielmehr Unaufmerksamkeit, schlechte Sicht, mangelnde Erfahrung oder Alkoholkonsum? Und bringt uns hier ein flächendeckendes Tempolimit von 70 km/h in irgendeiner Form weiter?
Die Analyse der Baumunfälle der Jahre 2008 bis 2010 Ihres Ministeriums zeigt, dass sich über der Hälfte der Unfälle auf Abschnitten mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 oder mehr Stundenkilometer konzentrieren. Nach ihrer Logik, Minister Vogelsänger, müssten Sie ja dann hier ebenfalls ansetzen, und dort überall auf 80 reduzieren. Und selbst damit: Ein Restrisiko wird immer bleiben. Das können wir eben leider nicht ändern. Selbst dann nicht, wenn wir die Geschwindigkeit flächendeckend auf 30 km/h absenken.
Der Bericht zeigt weiterhin, dass vor allem junge Fahrerinnen und Fahrer in der Altersgruppe 18 bis 24 in Unfälle verwickelt sind. Ist es hier nicht vor allem die Unerfahrenheit und Selbstüberschätzung, die zu Unfällen führt? Und glauben Sie, diese durch ein Tempo 70 in den Griff zu bekommen?
Wir haben daran starke Zweifel und sehen den Handlungsdruck eher bei Prävention und Aufklärung. Natürlich: Es steht außer Frage, dass wir ein Tempo 70 auf Streckenabschnitten brauchen, bei denen es die spezielle Vorort-Situation verlangt. Aber nur das Tempolimit auf einer Landstraße auf 70 km/h herabzusetzen, weil sich dort einmal ein tödlicher Unfall erreignet hat - und man noch nicht einmal weiß aus welchen Gründen - ist definitiv die falsche Lösung.
Unter den pauschalen Geschwindigkeitsbeschränkungen werden nämlich auch alle leiden, die die Strecken tagtäglich zur Arbeit fahren und das seit Jahren unfallfrei.
Die Antwort auf eine kleine Anfrage hat kürzlich gezeigt, dass es in Brandenburg keine wesentlichen Unfallschwerpunkte mehr gibt. Die Unfälle verteilten sich im Jahr 2010 über das gesamte Land. Kein Straßenabschnitt mit mehr als einem tödlichen Unfall. Sie aber agieren auf dieser Datengrundlage mit einem Erlass für ein flächendeckendes Tempo 70 und wissen dann noch nicht einmal, auf wie viel Straßenkilometer sich dies auswirken wird. Planvolles Handeln sieht anders aus.
Für die Tempo 70-Strecken setzen Sie folgendes Kriterium an: Die Zahl der Bäume mit mehr als 25 Zentimetern Stammumfang an beiden Fahrbahnrändern in einer Distanz von kleiner gleich 4,5 Metern vom jeweiligen Fahrbahnrand muss sich auf einer Strecke von 500 Metern auf eine beidseitige Summe von mindestens 15 belaufen. Merken sie was?
Verantwortlich für diese Klassifizierung sind die unteren Straßenverkehrsbehörden. Wenn der Vorschlag von Ihrem Kollegen Baske kommen würde, könnte man meinen es handele sich dabei um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen
Lieber Minister Vogelsänger: Sie schieben die Verantwortung auf die Kreisebene ab und erwarten indirekt, dass sämtliche Straßen kartiert werden. Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge ganze Kreisverwaltungen mit Maßband und bunten Warnwesten monatelang die Straßen entlang marschieren.
Wir sehen in dieser übereilten Tempo70-Aktion jedenfalls keine sinnvolle Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und teilen daher in diesem Punkt die Stoßrichtung des vorliegenden Antrags, den Runderlass zurückzunehmen. Jedoch sehen wir im Gegensatz zur CDU keinen Anlass für den verstärkten Leitplankenausbau, da wie schon erwähnt, es gar keine Unfallschwerpunkte im Land mehr gibt die man entsprechend ausstatten müsste und lehnen bekanntermaßen auch eine Aufstockung der Mittel für den Landesbetrieb für Straßenwesen ab. Wir werden uns bei dem vorliegenden Antrag daher enthalten. Vielen Dank