- Es gilt das gesprochene Wort ! -
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, und heute vor allem natürlich auch: Lieber Minister Vogelsänger.
Sie verwalten die Zukunft unseres Landes. 50% der Bau-, 30% der Investitionsausgaben und 15% aller Zuweisungen und Zuschüsse dieses Landes fließen durch Ihre Hände. Ihre Zuständigkeit erstreckt sich von der Landwirtschaft und Fischerei über die ländliche Entwicklung, die Landesplanung, Bauen und Wohnen, den Verkehr bis hin zur Stadtentwicklung. Sie verwalten damit über 1,3 Milliarden Euro.
Und genau dies ist auch schon das erste Problem. Sie Verwalten! Sie verwalten die Zukunft unserer Städte. Sie verwalten den ländlichen Raum, Sie verwalten die Verkehrspolitik. Sie verwalten und verwalten, obwohl Sie eigentlich den Stempel „Beauftragter für die Zukunft unseres Landes" tragen müssten.
„Der Ziellose erleidet sein Schicksal - der Zielbewusste gestaltet es." Ich weiß nicht ob wir in diesem Jahr schon Kant in der Zitatensammlung hatten, hier passt das aber sehr gut. Wann beginnen Sie mit dem Gestalten? Die Ausnutzung von Gestaltungsspielräumen ist doch für Politikerinnen und Politiker eigentlich das Salz in der Suppe. Und dabei sollten geringere finanziellen Spielräume nicht das Ende für politische Gestaltungsmöglichkeiten sondern eher Ansporn bedeuten. Prioritätensetzung ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Also einerseits neue Schwerpunkte setzen und anderseits alte Zöpfe abschneiden. Aber genau damit tun sie sich bislang ziemlich schwer!
Nehmen wir beispielsweise der Landesstraßenbedarfsplan. Das ist ein langes Wort, der wichtige Teil versteckt sich dabei in der Mitte: „Straßenbedarf". Offenbar versteckt er sich da aber zu gut für Sie. Haben wir im Land Brandenburg denn nun einen Bedarf an neuen Landesstraßen (mal abgesehen von der Anbindung des BER) - oder haben wir ihn nicht? Der ADAC und die Fraktionen zu meiner Rechten sagen sicherlich ganz klar; „Ja". Unsere Fraktion sagt eindeutig: „Nein".
Aber was ist eigentlich Ihre Position? Ich versuche das mal zusammenfassen: „Im Einzelfall haben wir vielleicht Bedarf, an der einen oder anderen Stelle, aber na ja enge finanzielle Spielräume, was soll man machen, damit müssen wir halt auch umgehen." So oder so ähnlich hörten wir es oft genug in Plenum und Ausschüssen.
Das Ergebnis kennen wir. Mehr als ein Dutzend uralt Projekte und vier neue Maßnahmen! Das aber ist genau das Gegenteil von Prioritätensetzung. Sie haben es hier verpasst, Gestaltungsspielräume für die Zukunft zu eröffnen. Dabei sollte Ihre Koalition doch eigentlich das Potential bieten, deutlich zu sagen:
1. Das Streckennetz an Landesstraßen deckt den Bedarf ab.
2. Zukünftig sind nur noch Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen.
3. Die Gelder sind an anderer Stelle besser aufgehoben.
Das, Minister Vogelsänger, wäre mal eine deutliche politische Botschaft!
Nächstes Beispiel: Stadtentwicklungspolitik. Ihre Stadtentwicklungspolitik lässt sich weitgehendst in einem Wort zusammenfassen: Jammern! Sie jammern über Kürzungen der Städtebauförderung auf Bundesebene, nehmen aber selbst ganz gern die Kürzungen vorweg.
Und sie jammern auch über schlechtere Förderbedingungen von ELER und EFRE in der nächsten Förderperiode, rufen aber selber nicht das ganze Potential dieser Förderperiode für die Stadtentwicklung ab. Die gegenwärtige EU-Förderperiode stellt umfassende finanzielle Mittel zur Verfügung und verlangt nur geringe Landesquoten. Gleichzeitig erlauben die Vorgaben der EU für die gegenwärtige Förderperiode eine breite Unterstützung für Städte, Gemeinden und den ländlichen Raum. Dies muss allerdings auch politischer Wunsch sein. Sie aber übersehen entweder schlichtweg die Möglichkeiten durch veränderte Rahmenbedingungen die Stadtentwicklung zu Ihrem zentralen Politikfeld zu erheben oder Sie versuchen von einem geringen Interesse hierfür abzulenken. Die Indizien sprechen vermutlich eher für letzteres.
Anstatt die freiwerdenden Landesmittel durch die geringeren Bundeszuschüsse der Stadtentwicklung weiter zur Verfügung zu stellen, entziehen Sie der Stadtentwicklungspolitik auch noch diese Gelder. Ein besserer Weg wäre es, die Mittel zur Koförderung von EU-Geldern einzusetzen und damit ein höheres EU-Fördervolumen für die Brandenburger Städte und Gemeinden zu generieren. Das wäre politische Gestaltung !
Jedoch verzichten Sie als Minister der zuständigen Verwaltungsbehörde des ELER auf eine solche vollständige Erschließung des Fondspotentials für Städte und Gemeinde im ländlichen Raum. Stattdessen bewahren Sie die Vorrangstellung für die einzelbetriebliche Förderung der Landwirtschaft. Auch unter Ihnen gilt scheinbar das Brandenburger Credo: „Lieber überdimensionierte Mastställe, als mehr Geld für die Gestaltung des demografischen Wandels". Das ist Politik von gestern und so überflüssig wie ein Kropf !
Hinzu kommt, dass Sie die Landes-koförderung für GAK und ELER um insgesamt zwei Millionen Euro senken. Damit setzen Sie den Kahlschlag des letzten Jahres fort. Besonders bedenklich ist dies vor dem Hintergrund, dass die EU-Beteiligung ab 2014 für ELER auf 50 Prozent reduziert wird. Dass bedeutet, ab 2014 müsste das Land deutlich mehr zuschießen, aber Sie sind gerade dabei, den Hahn zuzudrehen! Eigentlich sollte ein Haushaltsplan die zukünftigen Entwicklungen antizipieren und richtig gegensteuern, Sie tun genau das Gegenteil.
Auf der Homepage des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft schmücken Sie sich mit dem Ökolandbau in diesem Lande. Und auch in der Koalitionsvereinbarung steht vollmundig, dass Sie den Spitzenplatz des Ökolandbaus und das ökologische Wirtschaftens ausbauen wollen. Im vergangen Jahr haben Sie aber genau das Gegenteil getan und auch bei der Umstellungsprämie für den Ökolandbau im Rahmen des KULAP-Programms den Hahn zugedreht, und zwar komplett! Gerade sollte es doch aber gelten, die positive Entwicklung der letzten Jahre zu unterstützen, damit die mangelnde Verfügbarkeit Brandenburger Bio-Produkte in den Läden und auf den Märkten beseitigt werden kann. Statt dessen sponsern Sie lieber- von Rot-Rot gesetzlich untermauert - die Landwirte bei der Tierkörperbeseitigung. Die Prioritätensetzung ist hier aus unser Sicht vollkommen falsch!
Lieber Minister Vogelsänger, im Gegensatz zu vielen Ihrer Ministerkolleginnen und Kollegen, sind Sie durch den Zuschnitt Ihres Ministeriums eigentlich ja in einer unglaublich glücklichen und beneidenswerten Lage: Ein Zukunftsprojekt jagt bei Ihnen das nächste. Sie bekommen nicht nur eine zweite Chance, nein, eine dritte, vierte und fünfte Gelegenheit ermöglicht Ihnen, dass Heft des Handelns in die Hand zu nehmen.
Deshalb habe ich besonders bei dem vielleicht wichtigsten Projekt Ihres Ministeriums dieser Legislatur die große Bitte: Bekennen Sie Farbe und sorgen Sie für einen attraktiveren Öffentlichen Nahverkehr. Allerdings überkommen mich auch hier gewisse Zweifel, in welche Richtung die Reise geht. In Ihrer Pressemitteilung erkennen sie zwar:"Die Nachfrage steigt ständig." Jedoch dicht gefolgt von der Aussage: „Für neue Strecken ist kein Geld in Sicht." Weniger ein Bekenntnis zum Gestalten als zum Status quo.
Dieses Bekenntnis verträgt sich jedoch überhaupt nicht mit Ihren Prognosen zu den entstehenden Verkehrsströmen. Die prognostizierten Fluggastzahlen am neuen Flughafen BER gehen beispielsweise – sicher zum Leidwesen vieler - von einer stark zunehmende Nachfrage aus – auch aus unserem Nachbarland Polen. Damit wird aber auch der Zubringerverkehr stark wachsen. Alle Prognosen für den Flughafen beinhalten indirekt diese starke Steigerung des Transitverkehrs in der Grenzregion. Und bereits heute sind die polnischen Kleinbusflotten prägend für die betreffenden Brandenburger Autobahnabschnitte. Der Schienenpersonennahverkehr spielt dahingegen eine nicht erwähnenswerte Rolle.
Ein Überblick über die desolate SPNV Anbindung nach Polen ist Ihrem Bericht über die Fortentwicklung des schienengebundenen Verkehrs zu entnehmen. Die Botschaft ist recht klar: Kurzfristig wird durch den Schienenverkehr keine Entlastung des Straßenverkehrs realisiert. Die schlechte Schieneninfrastruktur führt zu einem immensen Wettbewerbsnachteil des SPNVs. Allein beim Stillstand der Anbindung der polnischen Grenzmetropole Stettin, könnten einem die Tränen kommen.
Entlastungswirkung kann nur die Anbindung des Berlin-Brandenburger Verkehrs leisten. Dabei ist nicht nur die direkte Anbindung des Berliner oder Potsdamer Hauptbahnhofs an den Flughafen gemeint, sondern auch die Verbesserung der Anbindung an diese Schienenknotenpunkte. Ich teile Ihre Meinung, dass die Neubestellungen teilweise durch die Abbestellung von Schienenkilometern aufgefangen werden muss. Jedoch sollte auch die besser Ausstattung durch Landesmittel nicht von vornherein aus der Debatte ausgeklammert werden. Unser gemeinsames Ziel sollte doch ein Quantensprung in der Attraktivität unseres SPNVs sein, so dass am Ende erheblich mehr Leute von der Straße auf die Schiene umsteigen können und der Verkehr in Brandenburg ein Stück nachhaltiger wird.
Um zwei Aufgabengebiete, in Ihrem Ministerium beneidet Sie wohl niemand, Herr Minister. Die Landesbetriebe Forst und Straßenwesen sind Paradebeispiele, wie richtige Ansätze der Verwaltungsmodernisierung durch politische Klientelwirtschaft jegliche Richtung verlieren. Verhunzt wurden diese Projekte vor Ihrer Zeit. Ihnen bleibt nun nur noch die traurige Aufgabe zu retten, was zu retten ist. Gerade deshalb kann ich Ihnen jedoch nicht ersparen, das zentrale Argument für die Gründung eines Landesbetriebs zu nennen: Erwerbswirtschaftliche Ausrichtung.
Kostentransparenz, Einführung betriebswirtschaftlicher Kennzahlen, Unternehmensführungen und insbesondere Einsparziele sind Aufgaben, die nach Gründung eines Landesbetriebs eingeführt und durchgesetzt werden müssen. Denn Hauptzweck der Gründung eines Landesbetriebs ist doch die Gewinnung von politischen Gestaltungsspielräumen. Soll heißen: Kostensenkungen in den Landesbetrieben sorgen für bessere Finanzausstattungen in anderen Bereichen ! So muss doch das Ziel ihres Ministeriums heißen.
Die Diagnose ist ja eigentlich klar: Beide Landesbetriebe sind überfrachtet mit viel zu viel Personal. Ihre Landesregierung zieht aber leider die falschen Konsequenzen. Anstatt die Fehlleistungen der Vergangenheit offen zu benennen und so den Landesbetrieben einen Neustart ohne politische Hypotheken zu erlauben und Einsparziele vorzugeben, wird lediglich ein bißchen an den falschen Weichenstellungen herum gedoktert.
Einen tiefen Einblick über die Denkweise in der Koalition erteilte uns ja dankenswerterweise der Kollege Görke im Haushaltsausschuss, als er uns wegen unserer Globalen Minderausgabe für den Landesbetrieb „soziale Kälte" vorwarf. Nur um später die Streichung bei den Universitätsmitarbeitern vorzuschlagen.
Soweit sind wir also gekommen. Die Landesbetriebe verursachen riesige Kosten ohne dass hier über Kürzungen gesprochen wird. Und ausbaden sollen es dann die Universitätsmitarbeiter, die im Gegensatz zu den Beamtinnen der Landesbetriebe nur Kurzzeitverträge besitzen und somit besser eingespart werden können. Ein Hoch auf das soziale Gewissen von SPD und LINKE. Statt eine sinnvolle Modernisierung der Verwaltung anzugehen, gehen Sie lieber den Weg des geringsten Wiederstandes. Herzlichen Glückwunsch!
Lieber Minister Vogelsänger, Ihr Ministerium deckt eine Vielzahl von spannenden und zukunftsweisenden Themen ab und besitzt die finanzielle Ausstattung, um Brandenburg einen großen Schritt voranzubringen. Jedoch ist mit der Themenvielfalt Ihres Ministerium auch die Gefahr verbunden, dass vor lauter Bäumen der Wald nicht mehr gesehen wird. Den nötigen Durchblick schafft eine strikte Prioritätensetzung. Erst das Bekenntnis zu Schwerpunkten erlaubt es, das vollständige Potential Ihres Ministeriums zu erschließen. Dabei wünsche ich Ihnen im Interesse aller Brandenburgerinnen und Brandenburger für die Zukunft mehr Glück und besseres Gelingen als bisher. Wir drücken Ihnen dafür beide Daumen. Vielen Dank!