>>> der bündnisgrüne Antrag als pdf
- Es gilt das gesprochene Wort! -
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste!
Seit Minister Vogelsänger vor einigen Monaten die ersten Eckpunkte zum neuen Landesverkehrsplan vorgestellt hat, wurden vor allem über vermeintlich zu niedrige Fahrgastzahlen, und den daraus sich angeblich zwangsläufig ableitenden Taktausdünnungen und Streckenstilllegungen diskutiert. Dies führte verständlicher Weise zu extremen Verunsicherungen in den Regionen.
Am Montag nun ließ der Minister die Katze aus dem Sack: Der massive Druck seitens Öffentlichkeit, Opposition, eventuell des Koalitionspartners und vermutlich auch des vorliegenden Antrags hat nun zumindest dazu geführt, dass vorerst keine Strecken stillgelegt werden. Ich betone vorerst, denn im gleichen Atemzug hat der Minister sich auch ganz klar für Stilllegungen nach diesem Zeitraum ausgesprochen
Des weiteren sind für die Jahre 2013 und 2014 für diverse Strecken Taktausdünnungen bereits beschlossene Sache.
Auch wenn es nun bei einigen ein kleines Aufatmen gab – die meisten Reaktionen schwanken zwischen Empörung und Entsetzen.
Denn mit Ihrem Vorhaben Herr Vogelsänger, würden Sie einigen Gegenden in Brandenburg den Todesstoß geben. Mit Ihrer Politik befördern Sie genau jene Regionen, die ohnehin mit großen wirtschaftlichen und demografischen Problemen zu kämpfen haben, endgültig auf das Abstellgleis.
Stilllegungen und Taktausdünnungen werden besonders die dünn besiedelte Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit treffen, wie die Prignitz oder die Uckermark. Sie treffen jene Regionen, in denen die Grundversorgung ohnehin auf ein Minimum zurückgefahren wird. In der heutigen Zeit werden Mobilitätsanforderungen gestellt, denen sich der Einzelne nicht entziehen kann. Deshalb wird der Wegfall des ÖPNV die Abwanderung mit all ihren negativen Konsequenzen weiter verschärfen. Gerade in den strukturschwachen Regionen müssen die Menschen mobil sein, gerade hier sind Pendlerinnen und Pendler auf ein gutes ÖPNV-System angewiesen. Und dies sicherzustellen liegt in der Verantwortung der Landesregierung.
Mit unserem Antrag wollen wir dazu beitragen diese Prioritäten zu überdenken und den Entscheidungsproßess toleranter zu gestalten.
Der ÖPNV in unserem Land darf nicht zu einem Rumpfangebot für Minderheiten verkommen, sondern muss fester Bestandteil der Daseinsvorsorge in allen Regionen sein! Deshalb lehnen wir das Mantra des Verkehrsministers ab, „Neubestellungen gibt es nur gegen Reduktion an anderer Stelle"! Die einzelnen Regionen Brandenburgs dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
In vielen dieser dünn besiedelten Regionen, das wissen wir alle, ist der Tourismus die wichtigste Form der Wertschöpfung. Für all jene Brandenburgerinnen und Brandenburger, die sich seit Jahren darum bemühen, ihre Region für den Tourismus attraktiv zu machen, ist die drohende Streckenstilllegung ein Schlag ins Gesicht. Was sollen sie denn künftig den Gästen erzählen? Naturtourismus ja, aber Anreise nur mit klimaschädlichen PKW?
Taktausdünnung und Streckenstilllegungen im ÖPNV sind daher nicht nur klimaschädlich, sie gefährden auch die regionalen Wirtschaftsstandorte in Brandenburg.
Mit moderner nachhaltiger Verkehrspolitik, hat dies nichts zu tun!
Und es widerspricht auch dem eigenen Koalitionsvertrag. Darin heißt es - Zitat: „Die Koalition strebt eine Stärkung des Bahnverkehrs durch Erhalt, Lückenschluss und Er-tüchtigung des Schienennetzes und Qualitätsverbesserungen in der Fläche an". Zitatende
Wir liegen daher mit unserem Antrag völlig auf einer Linie mit dem Koalitionsvertrag. Denn wir fordern zusätzliche Bestellungen oder die Aufnahme neuer Strecken grundsätzlich auch ohne Leistungsreduktion an anderer Stelle zu ermöglichen.
Die – zugegebenermaßen schwierige – Herausforderung einer nachhaltigen Verkehrspolitik besteht darin, mehr Mobilität bei weniger Verkehr zu schaffen. Denn Mobilität, das steht außer Frage, wird sowohl für den modernen Menschen, als auch für die globalisierte Wirtschaft immer wichtiger. Gleichzeitig stößt unsere Infrastruktur an ihre Grenzen.
Mehr Mobilität bei weniger Verkehr ist deshalb NUR mit einem attraktiven ÖPNV-System zu erreichen. Die traditionelle Bevorzugung des Straßenbaus ist nicht mehr zeitgemäß. Mit Verweis auf knappe Finanzmittel Strecken abzubestellen folgt einer völlig falschen Logik. Nicht: „Das Angebot wird unattraktiv weil die Fahrgäste ausbleiben" sondern „Die Fahrgäste bleiben weg weil das Angebot nicht attraktiv ist". Nur ein attraktiver Nahverkehr ermöglicht nachhaltige Fahrgaststeigerungen, die zu einem Zuwachs des Marktanteils des Schienenverkehrs führen können. Für die Gewinnung von Fahrgästen sind neue Strecken, Taktverdichtungen und Haltepunkte zentral. Daher fordern wir eine umfassende Prüfung von Netzergänzungen und Angebotsausweitungen, die auch bereits erfolgte Abbestellungen und Streckenstilllegung beinhaltet.
Dabei ist der finanzielle Spielraum durchaus vorhanden: Das fängt an bei überflüssigen Straßen-Neubauprojekten, geht über die Zweckentfremdung von Landesmittel bis hin zu Tricksereien mit Leertiteln z.B. beim Mobilitätsticket – welches eigentlich in den Sozialhaushalt - der dann entsprechend aufgestockt werden muss - gehört. Hier kann sich aber Minister Vogelsänger scheinbar nicht gegenüber seinem Minisiterkollegen Baaske durchsetzen.
Zusammenfassend kann man sagen: Die Mängelliste des ÖPNV-Stystems in Brandenburg ist lang und reicht von überfüllten Regionalexpresszügen über fehlende Anbindung an das Berliner Zentrum und zu geringe Taktdichte bis hin zur Herkulesaufgabe der Anbindung des neuen Flughafens. Ein Qualitätssprung für den ÖPNV, den wir aus wirtschafts- und klimapolitischen Gründen dringend brauchen, ist ohne eine bessere finanzielle Ausstattung völlig illusorisch.
Im Sinne eines nachhaltigen und modernen ÖPNVs in unserem Land und auch um ein transparentes Verfahren sicherzustellen, bitte ich Sie daher, liebe Kolleginnen und Kollegen der Überweisung unseres Antrags an den Infrastrukturausschuss zuzustimmen.
Vielen Dank!
Zunächst einmal freue ich mich über die Ankündigung, dass der Antrag überwiesen wird.
Wie nicht anders zu erwarten, haben wir seitens des Ministers etliche Argumente gehört warum nicht mehr Geld für den SPNV und ÖPNV zur Verfügung steht und warum der Handlungsspielraum für ihn so begrenzt ist und er ja eigentlich nichts für die Situation kann.
Wir haben gehört, dass die Fahrgäste schuld sind weil sie die Bahn zu wenig nutzen. Der Landeshaushalt ist Schuld weil bei sinkenden Volumen halt alle Ministerien sparen müssen. Der Bund ist schuld weil er von der Bahn zu hohe Renditen erwartet. Die Regionen sind schuld weil sie viel fordern ohne dabei auch an andere Regionen zu denken. Und und und
Nur im eigenen Hause wurde nicht nach Verantwortung gesucht.
Diese ganze Ausreden wären ja noch hinnehmbar wenn sie von einem Abteilungs- oder Referatsleiter kommen und vielleicht ja auch beim Staatssekretär. Von einem Minister aber erwarten wir, dass er sich mit Rückrat und Durchhaltevermögen gegenüber Finanzminister und Ministerpräsidenten durchsetzt, meine Damen und Herren.
Nicht mehr aber auch nicht weniger
Ich freue mich daher, dass unser Antrag nun in den Ausschüssen diskutiert wird und wir hoffentlich gemeinsam eine vernünftige Lösung für die zukünftige Ausgestaltung von SPNV und ÖPNV in Brandenburg finden.
Vielen Dank